Protokoll der Sitzung vom 15.07.2015

Und schließlich hat sich auch Theodor Heuss zum Thema De mokratie geäußert:

Man muss das als gegeben hinnehmen: Demokratie ist nie bequem.

Gerade dieses letzte Zitat gibt den Eindruck gut wieder, den ich auf mehreren Regionalkonferenzen von den Jugendlichen mitbekommen habe. Ihr habt es euch bei den zahlreichen the matischen Diskussionen wahrlich nicht leicht gemacht. Ihr habt nicht nur die Mühen auf euch genommen, dabei zu sein. Nein, ihr habt euch auch mit unbequemen Themen befasst und habt intensiv versucht, nicht die scheinbar einfachste Lösung zu wählen.

Beispielsweise habe ich mit Interesse verfolgt, dass ihr auch sehr kontrovers über die Gemeinschaftsschule diskutiert habt. Da habt ihr euch von den Großen kaum unterschieden. Auch bei uns im Landtag ist die Gemeinschaftsschule durchaus ei nes der größeren Streitthemen. Nicht, dass es nicht herausfor dernd wäre, sich mit den Kolleginnen und Kollegen von den anderen Fraktionen oder von der Landesregierung einmal ei nen verbalen Schlagabtausch zu liefern, aber manchmal, wenn es dann gar zu theoretisch und abstrakt wird, wünschte ich mir einen Schüler oder eine Schülerin herbei, der bzw. die ganz frei von der Leber weg sagen würde, was in der Realität Non sens ist und was machbar wäre.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Ulrich Goll FDP/DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo!)

Befasst habt ihr euch naheliegenderweise auch mit der Betei ligung Jugendlicher in der Politik. Ich finde, vor allem durch eine frühzeitige Einbindung junger Menschen in unser demo kratisches System lässt sich verhindern, dass sich irgendwann kaum noch jemand für Politik interessiert oder dass sich jun ge Menschen verstärkt dem Extremismus, egal, welcher Rich tungen, zuwenden. Demokratie braucht Vorbilder, und eben so braucht sie Nachwuchs, damit wir auch noch in einigen

Jahrzehnten eine stabile Demokratie haben werden. Wir müs sen die Demokratie wetterfest gestalten, denn die Gegner der Demokratie wissen genau, was sie wollen. Deshalb ist es ent scheidend, dass wir gerade junge Menschen für die Demokra tie begeistern.

Der FDP/DVP-Landtagsfraktion ist es wichtig, jungen Men schen und ihren Interessen ein regelmäßiges Forum zum Aus tausch mit der Politik zu bieten. An dieser Stelle darf ich ei nen kleinen Werbeblock einschieben: Die FDP/DVP-Frakti on veranstaltet regelmäßig einen Liberalen Jugendtag im Landtag. Das gibt Jugendlichen die Möglichkeit, zu aktuellen Themen Stellung zu nehmen, sich auszutauschen und nach zufragen. Ein größeres Verständnis für die Demokratie kommt vor allem aus einem größeren Verständnis der Entscheidungs prozesse in unserem politischen System.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

An dieser Stelle sei es mir auch gestattet, daran zu erinnern, dass die FDP/DVP-Landtagsfraktion bereits frühzeitig in die ser Legislaturperiode einen eigenen Gesetzentwurf zur Ver besserung der Beteiligung Jugendlicher in der Kommunalpo litik hier im Hohen Haus eingebracht hat, der bei zahlreichen Verbänden auf große Zustimmung gestoßen ist. Konkret hat ten wir beantragt, dass die Gemeinden zur Beteiligung junger Menschen in der Kommunalpolitik verpflichtet werden. Auf welche Weise sie diese Beteiligung herbeiführen, sollte den Gemeinden selbst überlassen bleiben. Viele hätten sicherlich auf die Jugendgemeinderäte gesetzt, die in zahlreichen Kom munen eine sehr gute Arbeit leisten. Uns war und uns ist wich tig, dass junge Menschen ihre Interessen in politischen Ent scheidungsprozessen auch tatsächlich wiederfinden.

Leider hat die grün-rote Regierungsmehrheit diesen Gesetz entwurf damals abgelehnt. Aber – auch das gehört eben zwei fellos zur Demokratie dazu – man muss auch verlieren kön nen und sich der Mehrheitsmeinung unterordnen. Das sage ich ausdrücklich als Oppositionspolitiker, der sich manches Mal der Regierungsmehrheit und ihrer Meinung unterwerfen muss.

Aus Sicht der Freien Demokraten müssen die Jugendlandta ge fortgesetzt werden. Wir wollen auch zukünftig junge Men schen zur Mitwirkung einladen und davon überzeugen, dass es sich lohnt, politisch aktiv zu werden.

Hierzu passt nun auch ein Zitat von Heinrich Brüning, das ich zum Schluss noch anbringen möchte:

Letzten Endes läuft Demokratie auf Ausredenlassen und Zuhörenkönnen hinaus.

Das sollte beherzigen, wer sich politisch engagiert. Für euer Engagement wünschen die FDP/DVP-Fraktion und ich euch weiterhin alles Gute und viel Erfolg.

Ich möchte abschließend selbstverständlich nicht versäumen, allen Menschen, die bei der Vorbereitung, der Durchführung und der Nachbereitung der zahlreichen regionalen Jugendkon ferenzen und des Jugendlandtags beteiligt waren, ganz herz lich zu danken.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der CDU und der SPD)

Für die Landesregierung erteile ich das Wort der Frau Sozialministerin. Da die Teilnehmerin nen und Teilnehmer des Jugendlandtags hier sind: Die Frau Ministerin ist zuständig für das Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren. Das kürzen wir sonst immer zu „Sozialministerium“ ab. – Frau Ministerin, bitte.

(Beifall des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜ NE)

Danke schön, Herr Präsi dent. – Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Jugend landtags! Ich versuche es jetzt einmal ohne Zitate. Das The ma, das uns auch heute Morgen sehr bewegt hat, war das The ma Partizipation, Beteiligung. Ich finde es ganz wichtig, Ju gendliche an Entscheidungen zu beteiligen. Es ist zwar für diejenigen, die wie wir aus der Politik kommen, zunächst auf wendiger; dennoch führt es aber in der Regel zu besseren Er gebnissen. Denn Jugendliche haben Ideen, und sie sind auch Experten in eigener Sache. Jugend ist, glaube ich, keine Krankheit, sondern ein Erleben, das viele von uns vielleicht gern zurückhätten.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Mit dem Jugendlandtag gab es die Idee und die Möglichkeit für Jugendliche aus ganz Baden-Württemberg, Themen zu dis kutieren, die für sie wichtig sind, die sie im Moment bewe gen. Ich fand auch in der Diskussion heute Morgen, dass das nicht unbedingt so weit weg war von den Themen, die wir hier auch diskutieren, mit dem Unterschied, dass sie aus einem an deren Blickwinkel diskutiert werden. Ich möchte ganz ehrlich und offen sagen, dass es mir in meiner Zuständigkeit für die Jugendlichen noch einmal ziemlich viel gebracht hat, weil es mir deutlich gemacht hat, dass es manchmal auch notwendig ist, einen anderen Blick einzunehmen und einmal zu schau en: Wie sehen das eigentlich Jugendliche direkt an der Basis vor Ort? Wie sehen sie Jugendpolitik? Was sind die Dinge, die sie betreffen?

Ich möchte mich an dieser Stelle für die Diskussion beim Frühstück heute Morgen bedanken; denn mir ist daraus sehr deutlich geworden, wo es auch für uns noch Handlungsmög lichkeiten und Handlungsoptionen gibt, um das, was wir po litisch hier oder auch in den Gemeinderäten entscheiden, noch deutlicher zu machen und dabei auch klarer zu machen, was für Auswirkungen das auf die einzelnen Jugendlichen vor Ort hat, sei es bei der Ganztagsschule, sei es „Jugendverbandsar beit und Schule“, sei es aber auch bei der Frage: Warum soll ich mich ehrenamtlich engagieren, und, wenn ich es mache, welche Vorteile kann ich davon haben oder auch welche Ein schränkungen muss ich hinnehmen? Ich glaube, das sind ganz wichtige Themen, die nicht nur mit Jugendlichen zu tun ha ben, sondern die uns alle bei der Entwicklung einer Gesell schaft, die von der Beteiligung ihrer Bürgerinnen und Bürger lebt, angehen.

Unsere Aufgabe als Politiker ist es natürlich auch, Jugendli che für Politik zu begeistern, auch indem wir zeigen, was wir politisch tun, um Beteiligung von Jugendlichen zu ermögli chen, in welcher Weise Mitwirkung und Beteiligung erfolgt, wie sie gegebenenfalls ausgebaut werden kann. All dies sind

Themen, mit denen wir uns nicht nur während des Jugend landtags zu beschäftigen haben. Dazu kommt natürlich – da sind wir uns im Landtag über alle Fraktionen hinweg einig –, dass wir die Weiterentwicklung und die Stärkung der Jugend arbeit vorantreiben wollen. Dazu gehört auch die außerschu lische Jugendbildung. Dafür müssen wir die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellen.

Die Jugendverbände waren in Baden-Württemberg an der Er stellung des „Zukunftsplans Jugend“ beteiligt, in dem wir fest geschrieben haben, was wir gemeinsam mit Jugendlichen bis zum Ende des Jahres 2016 erreichen wollen. Wir haben im „Zukunftsplan Jugend“ auch gemeinsam Ziele festgelegt, ge meinsam Gruppen beschrieben, die wir besonders berücksich tigen wollen, nämlich benachteiligte Kinder und Jugendliche im ländlichen Raum. Dort spielt vor allem das Thema Mobi lität eine ganz große Rolle. Hier sind wir wieder an dem Punkt, an dem wir feststellen müssen, dass sich Jugendpoli tik nicht nur auf ein Ressort oder ein Ministerium bezieht, son dern dass Jugendpolitik auch ein Querschnittsthema ist, das alle Ministerien beschäftigt. Ich finde es daher auch wichtig, dass wir uns das in unserer täglichen Arbeit, in der Ausschuss arbeit oder auch in der Plenararbeit, immer wieder vor Augen halten.

Wir, die Landesregierung von Baden-Württemberg, haben ei ne Bestandsaufnahme zum Thema „Politische Partizipation und ehrenamtliches Engagement von Kindern und Jugendli chen“ in Auftrag gegeben. Damit wird die Grundlage geschaf fen, Beteiligungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendli chen weiter gezielt auszubauen. Die Präsentation findet auf einem Fachtag am 21. Juli in Stuttgart statt. Der Fachtag soll den Ausbau von Formen der politischen Beteiligung junger Menschen und ihrer Verantwortungsübernahme im Gemein wesen fördern. Dort werden Best-Practice-Beispiele vorge stellt und auch diskutiert. Ich glaube, dass dies der nächste und richtigste Schritt nach dem Jugendlandtag ist.

Aus meiner Sicht sollte nach dem Jugendlandtag nicht Schluss sein, sondern es soll unser aller gemeinsames Anliegen sein, die Beteiligung von Jugendlichen weiterzuentwickeln, sie zu fördern.

Ich lade deshalb die Jugendlichen, aber auch die Kolleginnen und Kollegen aus dem Landtag herzlich ein, an diesem Fach tag teilzunehmen und mit uns gemeinsam zu überlegen, wie wir Beteiligungsmöglichkeiten von Jugendlichen weiter för dern können.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Meine Damen und Herren, es lie gen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Debat te beendet.

Punkt 3 der Tagesordnung ist erledigt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor wir in die Mittagspause eintreten, möch te ich den Fraktionen für die soeben geführte Debatte sehr herzlich danken. Wir, der Landtag, haben heute ganz bewusst ein Thema in den Mittelpunkt gestellt, das die jungen Men schen in unserem Land bewegt.

„Was uns bewegt – Jugendliche und Landespolitikerinnen und Landespolitiker im Gespräch“ war auch das Motto, unter dem zahlreiche Jugendliche in den vergangenen Monaten in ganz Baden-Württemberg mit Politikerinnen und Politikern, aber auch untereinander über die Zukunft diskutiert haben. Bil dung, Flüchtlinge, Umweltschutz und Mobilität waren nur ei nige Themen, die dabei im Mittelpunkt standen.

Seit gestern sind rund 100 Jugendliche in Stuttgart zu Gast. Beim Jugendlandtag haben sie ihre Erfahrungen ausgetauscht und ein Papier erstellt, das ihre Wünsche, Ziele und Forderun gen an die Politik enthält. Dieses Papier soll nun im Anschluss an den Landtag übergeben werden.

Ich bedanke mich bei den Jugendlichen dafür, dass sie heute zu Gast sind, und für die Arbeit, die sie sich gemacht haben. Deshalb möchte ich der Einladung zur nun anschließenden Abschlussveranstaltung im Foyer meinen Nachdruck verlei hen und Sie alle bitten, daran teilzunehmen. Denn ich denke, die Jugend ist unsere Zukunft, und gerade ihr sollten wir auch zuhören.

Herzlichen Dank.

Wir treten damit in die Mittagspause ein und setzen die Sit zung um 14:00 Uhr fort.

(Vereinzelt Beifall)

(Unterbrechung der Sitzung: 12:25 Uhr)

(Wiederaufnahme der Sitzung: 14:00 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir setzen die 134. Sitzung des Landtags von Ba den-Württemberg fort mit Tagesordnungspunkt 4:

Regierungsbefragung

Ich teile Ihnen das erste Thema, beantragt von der FDP/DVPFraktion, mit:

M a ß n a h m e n d e r L a n d e s r e g i e r u n g z u r D i g i t a l i s i e r u n g v o n W i r t s c h a f t u n d G e s e l l s c h a f t

Ich darf Herrn Abg. Reith das Wort erteilen.

Frau Präsidentin, werte Kolle ginnen und Kollegen! Meine Fragen betreffen den Ausbau der Breitbandinfrastruktur. Die Breitbandinfrastruktur ist für un ser ganzes Land ein sehr wichtiges Thema. Aber insbesonde re für die Entwicklung des ländlichen Raums und für die Standortsicherung der Gemeinden und Kommunen ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Aktivitäten hier schnell vorangetrieben werden. Deshalb möchte ich heute fragen, in wieweit die durchaus unterschiedlichen Auffassungen zur fi nanziellen Ausstattung förderlich oder eben nicht förderlich sind.

Meine erste Frage: Trifft es zu, dass im Landeshaushalt 2015/2016 für den Ausbau der Breitbandinfrastruktur 17,5 Millionen € veranschlagt sind, davon 7,5 Millionen € aus dem Kommunalen Investitionsfonds und 10 Millionen € aus origi nären Landesmitteln?

Zweite Frage: Hält die Landesregierung die Begründungen, mit denen sich Mitglieder der Landesregierung bei den Bera tungen des Uretats 2015/2016 gegen Anträge auf Erhöhung der Mittel dafür um 25 Millionen € ausgesprochen haben, dass sich nämlich der gewählte Mittelansatz als recht passgenau erweisen werde, unverändert für richtig, oder spricht nicht vielmehr die Tatsache, dass aus den für die baden-württem bergischen Gemeinden zur Verfügung stehenden Bundesmit teln in Höhe von 248 Millionen €, die jetzt im Einzelplan 12 etatisiert werden, 40 Millionen € vorab für den Breitbandaus bau reserviert worden sind, dafür, dass der Mittelansatz von vornherein deutlich zu niedrig war?