mehr arbeiten, ihr öffentliches Eigentum verscherbeln und an deres mehr. Ich glaube, wir sollten mit solchen Dingen etwas vorsichtiger umgehen, vor allem der deutsche Finanzminis ter, der diese Forderungen ständig wiederholt und den Popu lismus in der Bevölkerung zusätzlich befördert hat. Der Vor wurf trifft natürlich nicht ihn allein, sondern in großem Aus maß auch unsere deutschen Medien.
Den Vogel hat er eigentlich abgeschossen mit der Forderung „Grexit auf Zeit“, jetzt auch mit dem Treuhandfonds. Damit hat er seinen guten Ruf als guter Europäer gründlich verspielt
und hat dem Ansehen unseres Landes in Europa einen großen Schaden zugefügt. Wären nicht Italien und Frankreich mit ih ren sozialdemokratischen Premiers gewesen – Renzi hat ge sagt: Genug ist genug! –,
(Abg. Werner Raab CDU: Wer hat denn damals die Griechen aufgenommen? – Gegenruf: Ja, genau! – Weitere Zurufe – Unruhe)
Inzwischen mehren sich aber auch die Stimmen, die diese Ver einbarung kritisieren. In manchen Ländern ist gar von einem „Diktatfrieden“ die Rede, und der Nobelpreisträger Paul Krugman hat gesagt, die Vereinbarung sei ein Verrat an all dem, wofür das Projekt Europa stehe. So weit will ich nicht gehen, aber auch ich halte das Papier für nicht besonders aus gewogen. Ich möchte das an ein paar Punkten erklären.
Beispiel Mehrwertsteuererhöhung: Aus meiner Sicht schwächt sie im Moment die Kaufkraft und ist in einer Situation wie der jetzigen in Griechenland schädlich für den Tourismus.
und haben gesehen, dass die Griechen dort auf einem guten Weg sind, besonders mit ihrem Hafen, in eine ganz andere Richtung zu gehen.
Sie sind Partnerschaften eingegangen, auch mit Hamburg we gen des Hafens. Jetzt ist genau dieser Weg unterbrochen, und sie werden gezwungen zu privatisieren.
Dann die Reform des Rentensystems: Der griechische Ge richtshof hat entschieden, dass die Rentenreform von 2012 rechtswidrig ist. Auch da steht in der Entscheidung kein Wort, wie man dieses Problem löst. Das schien in Brüssel überhaupt niemanden zu interessieren.
Dann gibt es noch eine ganze Reihe von absurden Forderun gen: Gesetzentwürfe müssen, bevor sie im Parlament vorge legt werden, der Troika vorgelegt werden. Wundert es Sie, dass man da von Unterwerfung redet?
Eine andere absurde Geschichte: Bis zum 22. Juli dieses Jah res – nächste Woche – muss die Zivilprozessordnung verän dert werden mit dem Ziel, Kosten zu senken und Verfahren zu beschleunigen.
(Abg. Thaddäus Kunzmann CDU: Ja, weil sie es jah relang nicht gemacht haben! Sie verwechseln Ursa che und Wirkung!)
Aber kein einziges Wort, keine Empfehlung zu dem, was drin gend notwendig wäre, etwa eine Ertüchtigung der Steuerver waltung. Warum wurde bezüglich einer Ertüchtigung der Steu erverwaltung nichts gesagt? Warum sind dort keine Vorschlä ge drin?
Das ist auch der Grund, warum es jetzt Probleme und Unru he gibt. Man hat mit solch einem Druck letzten Endes natür lich auch die Regierung treffen wollen.
Ich bestreite überhaupt nicht, dass Griechenland einen enor men Reformbedarf hat, und im Unterschied zur Vorgängerre gierung ist in den letzten Monaten auch schon einiges in Gang gekommen.
(Abg. Matthias Pröfrock CDU: Was denn? – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Was ist denn in Gang gekommen?)
Die Vorgängerregierung hat es nämlich so gemacht: Sie hat die Troika kommen lassen und hat alles abgenickt. Als sie dann wieder weg war, ist alles so weitergegangen wie bisher.
Aber, meine Damen und Herren, es geht schon lange nicht mehr allein um Griechenland. Es geht auch um Europa und um eine Unumkehrbarkeit des europäischen Einigungsprozes ses.
(Zuruf von der CDU: Da hat die SPD zu lange ge wartet! – Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/ DVP)
Es lohnt sich tatsächlich, den Blick zurückzuwerfen, was ei gentlich die Krise in Griechenland ausgelöst hat. Es waren nicht allein die griechischen Fehler, sondern es war die Fi nanzkrise,
die Rettung der zypriotischen Banken, die Griechenland mit hineingezogen hat, und natürlich ganz zu Beginn in der Tat der Geburtsfehler des Euro.
Wir sind zwar eine Währungsunion, aber wir sind eben keine Wirtschaftsunion und noch lange keine politische Union, und auf dem Weltmarkt – das wissen wir – sind die einzelnen Län der Konkurrenten.
Deshalb kommt es jetzt darauf an, eine Diskussion darüber zu führen, wie es in Europa weitergeht. Auch die Europäische Union braucht nämlich Reformen. Die wirtschafts- und fis kalpolitische Abstimmung muss enger und vor allem auch de mokratischer werden. Wir brauchen eine Art Wirtschaftsre gierung mit demokratisch kontrollierten Verfahren, auch für Finanztransfers. Wir müssen auch den Mut zur Ehrlichkeit ha ben, dass es für Deutschland eine Europäische Währungsuni on nicht zum Nulltarif gibt.
Präsident Hollande hat dazu Vorschläge angekündigt, und die Debatte ist mit dem Bericht der fünf Präsidenten über die Fort entwicklung der Währungsunion bereits eröffnet.