Protokoll der Sitzung vom 30.09.2015

Beiden Verbänden ist nicht klar, wie der Minister zu ei ner derart positiven Einschätzung der kommunalen Ver kehrsfinanzierung kommen kann.

„Wir haben das Gefühl, bei einer anderen Veranstaltung gewesen zu sein“,... „Wenn das Ministerium behauptet, es habe im Rahmen der schriftlichen Anhörung seitens der betroffenen Verbände keinen wesentlichen Änderungs bedarf am Gesetzentwurf gegeben, trifft dies nicht den Kern des Problems“,...

„Trifft dies nicht den Kern des Problems.“ Der Kern des Pro blems ist, Herr Minister, dass Ihre Politik die Kommunen und Verkehrsunternehmen völlig überfordert und zu einem Still stand beim ÖPNV und beim Straßenbau führen wird.

Herr Minister, das sagt nicht irgendwer. Das sagt übrigens auch nicht die Opposition. Das sagen die Spitzen der Kom munen und der Verkehrsunternehmen im Land. Vernichtender kann ein Urteil über Ihre Arbeit, über die Arbeit des Verkehrs ministers in Baden-Württemberg, nicht ausfallen. Sie peit schen dieses Gesetz gegen die berechtigten und begründeten Interessen der Betroffenen mit einer erschreckenden Ignoranz und einer erschreckenden Überheblichkeit durch. Sie kündi gen damit endgültig die bislang gute Partnerschaft des Lan des mit den Kommunen auf.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Jo chen Haußmann FDP/DVP – Zuruf von der CDU: Ja wohl!)

Meine Damen und Herren, wir wissen auch, warum: Sie sind nämlich ein Getriebener. Schon im letzten Jahr sind Sie mit einem völlig verkorksten Gesetz am Widerstand der Betrof fenen gescheitert, nämlich mit der ÖPNV-Finanzierungsre form. Ich kann nur sagen: Zum Glück sind Sie gescheitert. Aber das können Sie sich eben nicht noch einmal erlauben.

Jetzt scheuen Sie sich sogar vor einer öffentlichen Anhörung, damit die Wahrheit nicht auf den Tisch kommt. In ganz ent scheidenden Punkten stimmt Ihnen nämlich niemand zu. Nie mand stimmt Ihrem Gesetzentwurf zu. So, Herr Minister und verehrte Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, wird der Ausbau des ÖPNV im Land ganz bestimmt nicht weiterge hen.

Wir wollen von Ihnen heute wissen, wie Sie den ÖPNV im Land voranbringen wollen, wo Sie die gewonnenen 200 Mil lionen € investieren. Zeigen Sie uns, dass Sie nicht nur gern Geschenke annehmen, sondern auch aus eigener Kraft und mit eigenen Konzepten gute Politik fürs Land machen. Wir sind gespannt.

Ich bedanke mich ganz herzlich für die Debatte heute.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort dem Kollegen Haller.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Jetzt haben wir heute in zwei Beiträgen – vor allem in Ihrem, Frau Razavi – den ganzen Schrebergarten der Verkehrspolitik durchgegraben. Ich versu che fürs Erste einmal, auf das eigentliche Thema „Verkehrs politik beim Bund“ zurückzukommen. Ich sage klipp und klar: Wir haben derzeit gute Zeiten für die Verkehrspolitik. Der Bund ist endlich in die Spur gekommen – dafür ein großes Lob –; daran hat die SPD ihren Anteil.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Der Bund ist in die Spur gekommen: Zuschüsse in Höhe von 500 Millionen € – und das sogar ohne Maut – für das Land Baden-Württemberg bei den Bundesstraßen; das ist ein Wort. Es geht also – so, wie die SPD das immer gesagt hat – steu erfinanziert

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Sehr gut!)

und nicht so, wie Sie das immer behauptet haben. Sie waren und sind mit Ihrer Mautfinanzierung völlig in der Sackgasse. Nur die SPD macht gute Politik für die Straße, und sie finan ziert sie noch anständig und ordentlich. Das bloß als Vorbe merkung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf der Abg. Nicole Razavi CDU)

Sie sind mit Ihren Konzepten in der Sackgasse.

Aber zurück zum Thema. Das Zweite: Der Bund ist jetzt – ganz, ganz erfreulich – endlich – ich sage bewusst: endlich – in die Spur gekommen mit der Erhöhung der Regionalisie rungsmittel und der Fortführung des GVFG. Sicherlich kann man einwenden: zu spät und zu wenig; das ist klar. Schäuble stand lange genug auf der Bremse. Das hat Zeit gekostet, das hat Kraft gekostet, das hat Ärger verursacht; das wäre nicht nötig gewesen. Kontinuität und verlässliches politisches Han deln sehen anders aus.

Aber wir freuen uns jetzt. Wir freuen uns, dass der Bund end lich in die Spur gekommen ist – unter maßgeblichem Einfluss der SPD im Bund. Die SPD ist in 14 von 16 Bundesländern an der Regierung beteiligt; das sei einmal ganz sauber darge stellt. Die kommunale Ebene hat Druck gemacht, auch die Fachverbände – das will ich nicht hintanstellen. Ich denke hier z. B. an den VDV Baden-Württemberg mit Herrn Arnold an der Spitze. Alle haben hier Druck in Richtung Bund gemacht – federführend natürlich Ministerpräsident Kretschmann mit seinen Ministern, mit Ihnen, Herr Hermann. Sie haben Druck gemacht über verschiedene Phasen, zuletzt ganz groß, als al le Verkehrsminister wesentliche Erhöhungen gefordert haben. Wir respektieren das und freuen uns am Ende.

Was heißt das Ganze, die Erhöhung der Regionalisierungs mittel, für Baden-Württemberg? Diese Erhöhung – weg vom Königsteiner Schlüssel – ist ein tolles Ergebnis, Herr Her mann. Wir bekommen mehr Geld. Das ist zunächst einmal ein tolles Ergebnis für den Landeshaushalt; denn wir werden die bislang bereitgestellten Landesmittel – 80 Millionen € oder 100 Millionen € – vermutlich nicht mehr in dieser Höhe brau chen. Das ist ganz toll, und darüber freuen wir uns; das ist si cher. Wir kommen aufgrund der Wettbewerbsverfahren noch dazu zu günstigeren Preisen.

Insgesamt bedeutet das: Wir können – vermutlich; das wird man alles noch erfahren; vielleicht sagt der Minister nachher mehr – einfach mehr und besseres Material auf die Schiene bringen. Das dient den Bürgerinnen und Bürgern. Übervolle Züge – in manchen Gegenden – gehören dann vielleicht der Vergangenheit an.

Die Fortführung des GVFG bedeutet, dass viele Projekte, die begonnen wurden, fortgesetzt werden können. Vor allem be steht jetzt für die nächsten Jahre Planungssicherheit.

Sie, Frau Razavi, haben gefragt, wie wir denn vorbereitet sei en. Bestens, kann ich nur sagen, allerbestens. Überlegen Sie: Wir, das Land, waren – obwohl mit 2019 das Fallbeil in Aus sicht war – bereit, Projekte anzugehen und zur Eindämmung des Risikos Ausfallbürgschaften zu gewähren; das ist nun nicht mehr notwendig.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Reicht das GVFG für die se Maßnahmen?)

Wir sind bestens vorbereitet. Sie haben das abgelehnt. Sie, die CDU, haben diese Ausfallbürgschaften abgelehnt.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: So ist es! – Zuruf der Abg. Nicole Razavi CDU)

Wir wären jetzt zwei, drei Jahre hintendran, wenn wir auf Sie gehört hätten. Diese Koalition, Grün-Rot, macht beste Ver kehrspolitik; das ist das Ergebnis. Deswegen können wir jetzt kontinuierlich dabei ansetzen, Geld zu sparen.

Die Antwort haben wir schon in der Vergangenheit gehört, und Sie haben sich dieser immer verweigert. Wir können be stehende Netze ausbauen – Regionalstadtbahn, BreisgauS-Bahn und anderes mehr; das ist dringend notwendig – und diese dann auch – hoffentlich – solide finanzieren.

Mehr dazu im zweiten Teil; vielen Dank fürs Erste.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Für die FDP/DVP-Fraktion ertei le ich das Wort dem Kollegen Haußmann.

Die wahre Lebenskunst besteht darin, im Alltäglichen das Wunderbare zu sehen.

(Abg. Walter Heiler SPD: Aha! – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Schön!)

So könnte man den heutigen Debattentitel beschreiben.

(Abg. Walter Heiler SPD: Herr Haußmann, wer war das?)

Das Land erkämpft beim Bund mehr Geld für den Schienen verkehr.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Verkehrsminister Hermann siegt im Duell mit Schäuble und Dobrindt.

(Zuruf des Abg. Walter Heiler SPD)

Ich darf daran erinnern, dass dieses Thema für alle Fraktio nen des Landtags von Baden-Württemberg ein ganz wichti ges Thema war. Bereits im letzten Jahr haben wir interfrakti onell, über alle Fraktionen hinweg, den Beschluss gefasst, dass man Regionalisierungsmittel stärker nach den Bedürf nissen ausrichten soll, damit der Anteil auch für Baden-Würt temberg steigt. Insofern haben wir alle unseren Teil dazu bei getragen, uns beim Bund dafür einzusetzen. Das ist auch rich tig und notwendig gewesen, weil wir alle wissen: Die Regio nalisierungsmittel waren seit vielen Jahren nicht mehr aus kömmlich.

Wenn wir die Zahlen seit der Bahnreform anschauen, seitdem die Länder diese Verantwortung übernommen haben, sehen wir: Man kann von einer richtigen Erfolgsgeschichte des SPNV sprechen: 60 % mehr Fahrgäste seit 1996, 30 % mehr Zugki lometer. Dies ist also eine Erfolgsgeschichte, die nicht erst mit Grün-Rot in Baden-Württemberg ihren Anfang nahm, sondern etwas, was zuvor schon andere Regierungen mit Herz und Ver stand in die Hand genommen hatten.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Land hat in dieser Zeit enorme Kostensteigerungen bei den Stationsentgelten und den Trassenpreisen gehabt. Allein in den zehn Jahren vor 2013 stiegen die Stations- und Tras senentgelte um 27 %, nämlich von 265 Millionen € auf 336 Millionen €.

Insofern freuen wir uns, dass die Regionalisierungsmittel ge stiegen sind. Es wurde schon beschrieben, was das für BadenWürttemberg heißt. Ganz wichtig sind für uns aber auch die Fortführung des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes und die damit verbundenen Finanzierungsmittel. Ich darf da viel leicht einmal in Erinnerung rufen – Kollege Haller hat ja ge sagt: die SPD kann Verkehrspolitik –: Dieses GVFG stammt aus dem Jahr 1971, aus der sozial-liberalen Koalition im Bund vor 44 Jahren.

(Vereinzelt Beifall)

Man kann wirklich mit Fug und Recht sagen, dass sich das GVFG zu einer Sternstunde der Verkehrspolitik entwickelt hat. In diesen 44 Jahren wurden 75 Milliarden € in den Aus bau der Schieneninfrastruktur und andere Projekte investiert. Bei einer Förderung von 60 % sind das etwa 125 Milliarden € – eine wahre Erfolgsgeschichte dieses Finanzierungsgesetzes auch für Baden-Württemberg.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Der Jubel des Verkehrsministers bei dieser Einigung ist ver ständlicherweise groß; denn es ist natürlich ein enormer Druck entstanden, und zwar nicht nur, weil die bestehenden Verkeh re mit eigenen Landesmitteln in enormer Höhe ergänzt wer den mussten – im letzten Jahr waren es 84 Millionen € aus Landesmitteln. Der Druck ist auch daraus entstanden, dass man durch die Angebotskonzeption 2025 natürlich hohe An sprüche formuliert hat, die bislang nicht auf Basis einer Fi nanzierungsgrundlage abgedeckt wurden und die man mit dem Hinweis auf die Mitfinanzierung der Kommunen gestaltet hat. Insofern waren diese Angebotskonzeptionen lange auf Sand gebaut, auf einer unsoliden Finanzierung. Der Bund hat jetzt dafür gesorgt, dass man den Ausbau des SPNV in BadenWürttemberg weiter vorantreiben kann. Aber bisher war es auf Sand gebaut, was der Verkehrsminister in der Angebots konzeption entwickelt hat.

Die Frage ist nun – da erwarten wir natürlich auch Antwor ten –: Wie werden diese zusätzlichen Mittel in Baden-Würt temberg eingesetzt? Nutzen wir das zur Haushaltskonsolidie rung? Machen wir jetzt in Baden-Württemberg flächende ckend Radmodenschauen? Wird das Geld gezielt für den SPNV eingesetzt? Gibt es ein zusätzliches Sonderprogramm zum Thema Barrierefreiheit? Werden mehr Mittel in den Stra ßenbau investiert, oder – die Kollegin Razavi hat es angespro chen – wird der Mehrbetrag für eine ÖPNV-Finanzierungsre form eingesetzt, die der Verkehrsminister über die nächste Le gislaturperiode hinausgeschoben hat?

Seit dem Jahr 2007 sind die Ausgleichsmittel für den ÖPNV, die Ausgleichsmittel für die Schülerverkehre unverändert. Die Verkehrsträger sprechen von einem zusätzlichen Bedarf von