Protokoll der Sitzung vom 01.10.2015

Sie haben gerade gesagt, dass durch Nürnberg, Stuttgart/Lud wigsburg, Ochsenfurt und Ulm eine gute Versorgung gegeben sei. Das hört sich gerade so an, als ob das jetzt auch eine läs tige Konkurrenz wäre. Keine 5 km nebendran sind die Ge meinden Fichtenau, Rot am See oder auch Ellwangen, Bop fingen. Deshalb die Frage, ganz konkret in der Praxis: Wie wird das koordiniert, dass dann wirklich auch eine schnelle re Versorgung möglich ist – nicht innerhalb der vorgegebenen Zeit auf die letzte Minute von Stuttgart kommend, sondern eben auch vor Ort –, dass der Luftrettungsdienst stärker ge nutzt wird? Wird das gewährleistet, und wer organisiert das und bestimmt, dass genau dieser eben eingesetzt wird – abge sehen vom Transport von Brandverletzten oder von irgend welchen Spezialtransporten?

Bitte, Herr Minister.

Herr Dr. Bullinger, ich gehe grundsätzlich davon aus, dass die Rettungsleitstellen in ihrer Zuständigkeit und ihrer Verantwortung das bestmögliche und das am schnellsten einsetzbare Rettungsmittel einschließlich Personal dann entsprechend alarmieren und anfordern.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Keine weiteren Zusatz fragen? – Vielen Dank, Herr Minister.

Damit ist die Behandlung der Mündlichen Anfrage unter Zif fer 2 beendet.

Ich rufe die Mündliche Anfrage unter Ziffer 3 auf:

M ü n d l i c h e A n f r a g e d e s A b g. K l a u s B u r g e r C D U – E i n r i c h t u n g e i n e r B e d a r f s o r i e n t i e r t e n E r s t a u f n a h m e e i n r i c h t u n g i n d e r e h e m a l i g e n J a p a n i s c h e n S c h u l e T o i n G a k u e n i n B a d S a u l g a u

Bitte, Herr Abgeordneter.

Danke, Herr Präsident. – Ich fra ge die Landesregierung:

a) Ab wann und in welchem Umfang beabsichtigt die Lan

desregierung gegebenenfalls das denkmalgeschützte Ge bäude der früheren Japanischen Schule Toin Gakuen in Bad Saulgau als Bedarfsorientierte Erstaufnahmeeinrichtung zu nutzen?

b) Wird die Landesregierung sich gegebenenfalls über den

rechtskräftigen Bebauungsplan, der für das Gebäude aus schließlich eine schulische Nutzung vorsieht, hinwegset zen?

Für die Landesregie rung erteile ich das Wort Frau Ministerin Öney.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Abg. Burger, zum ersten Teil Ihrer Frage: Die anhaltend hohen Zugangszahlen bei den Flüchtlingen führen landesweit zu einer äußerst kritischen Si

tuation bei der Erstunterbringung. Das Land kann es sich da her nicht leisten, verfügbare und geeignete landeseigene Ge bäude außer Betracht zu lassen.

Die Lenkungsgruppe der Landesregierung hat deshalb be schlossen, die Gebäude für eine Flüchtlingsaufnahme vorzu bereiten und zu ertüchtigen. Der Auftrag ging an das Regie rungspräsidium Tübingen und den Landesbetrieb Vermögen und Bau. Die ehemalige Schule in Bad Saulgau dient als Re serve für unkalkulierbare weitere Zugangssteigerungen bei den Flüchtlingszahlen. Für diesen Fall ist eine Belegung mit einigen Hundert Personen vorgesehen, wobei die Belegung situationsbedingt variieren kann.

Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Das Regierungspräsidium Tü bingen hat gegenüber der Stadt Bad Saulgau alle baurechtlich erforderlichen Anträge zur Nutzung gestellt. Nachdem die Stadt Bad Saulgau gegenüber dem Land Baden-Württemberg eine Nutzungsuntersagung ausgesprochen hatte, hat das Re gierungspräsidium Tübingen eine Verfügung erteilt, dass die Stadt Bad Saulgau bis heute 18:00 Uhr die Nutzungsuntersa gung aufzuheben hat und die Nutzung der Schul- und Inter natsgebäude als Flüchtlingswohnheim vorläufig zu dulden hat. Denn die Landesbauordnung schreibt zwingend vor, dass der Stadt Bad Saulgau als untere Baurechtsbehörde zunächst die Möglichkeit gewährt wird, die Nutzungsuntersagung selbst aufzuheben. Wobei ich betonen muss, dass dieses Gelände noch nicht in Betrieb genommen wurde und in der Prioritä tenliste sehr weit unten rangiert.

Eine Zusatzfrage des Herrn Abg. Mack.

Frau Ministerin, es verwundert ja schon, wie Sie mit den Kommunen insbesondere im länd lichen Raum umgehen, während in Stuttgart gar nichts pas siert. Man kann geradezu den Eindruck haben, über die größ te Stadt des Landes hält einer schützend seine Hand, damit da keine LEA bzw. BEA eingerichtet wird. Gerade in Stuttgart hätte man die Beamten vor Ort, nämlich im Regierungspräsi dium. Ich denke, da ist ein Ungleichgewicht vorhanden.

Aber ich möchte Sie auf Folgendes hinweisen: Im Moment sind in der Stadt Sigmaringen mit weniger als 20 000 Einwoh nern 2 300 Menschen in einer BEA untergebracht. Dort sol len bis zu 3 500 Menschen untergebracht werden. Und dann geht es im benachbarten Bad Saulgau um eine weitere Auf nahmeeinrichtung. Das alles sind Aufnahmeeinrichtungen, in denen nichts passiert, in denen kein Amtsarzt die Gesundheits checks macht, in denen das BAMF nicht zur Bearbeitung von Asylanträgen vor Ort ist. Die Bewohner all dieser BEAs, die Sie da geschaffen haben – das sind die meisten Ihrer Erstauf nahmeeinrichtungen –, müssen ja hin- und hergekarrt werden; die müssen ja immer in die LEA gekarrt werden, um die Ge sundheitsüberprüfung durchführen zu lassen, um den Asylan trag zu stellen und dergleichen mehr. Sie schaffen also einen unglaublichen Wanderzirkus. Da bleibt viel Zeit auf der Stra ße.

In diesem kleinen Landkreis wollen Sie in Sigmaringen 3 500 Menschen unterbringen und in Bad Saulgau weitere. Halten Sie das denn für zumutbar und richtig, wenn gleichzeitig in Städten wie Stuttgart oder Tübingen oder Freiburg minimal bis gar nichts passiert?

Bitte, Frau Ministerin.

Von meiner Seite aus halte ich meine Hand schützend über keine Stadt, sondern wir versuchen, alle verfügbaren Gebäude zu nutzen, die wir aufgrund der hohen Zugangszahlen und der Situation, wie wir sie im Moment haben, schnell nutzbar machen müssen. Ich glaube, auch Sie sehen ein, dass es noch viel mehr Zeit und Kosten in Anspruch nehmen würde, neue Gebäude zu errich ten, als auf vorhandene leer stehende Kasernen zurückzugrei fen, die wir für die Flüchtlingsaufnahme und -unterbringung nutzen können.

Mit Blick auf den Haushalt, mit Blick auf den deutschen Steu erzahler, der bei der ersten Debatte heute bemüht wurde, ist es sinnvoll, alle Gebäude zu nutzen, die vorhanden sind und die man schnell nutzbar machen kann, und zunächst einmal auf teure Neubauten zu verzichten – wobei wir das auch nicht gänzlich tun können. Vielmehr werden wir auch Erstaufnah meeinrichtungen bauen; das haben wir mehrfach kommuni ziert. Es werden auch in Schwäbisch Hall, in Tübingen oder in Freiburg ganz normale, reguläre Erstaufnahmeeinrichtun gen entstehen. Aber das braucht Zeit, und deshalb müssen wir jetzt die Gebäude nutzen, die vorhanden sind.

Ich möchte bei der Fra gestunde noch einmal alle Abgeordneten darauf hinweisen: Wertungen und Feststellungen dürfen bei Zusatzfragen nicht einfließen. Man muss das ein bisschen großzügig handhaben, aber ich wollte noch einmal darauf hinweisen. Das ist die Li nie der Fragestunde.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Ein wichtiger Hin weis zur richtigen Zeit! – Weitere Zurufe)

Herr Abg. Zimmermann, Sie haben das Wort.

Ohne jegliche Wertung: Hält die Landesregierung eine BEA im Gebäude der Japanischen Schule trotz der Tatsache, dass sich in unmittelbarer Nähe der Schulverbund aus Werkrealschule, Realschule und Gymnasi um mit insgesamt 1 300 überwiegend minderjährigen Schü lerinnen und Schülern befindet, für geeignet, obwohl durch eine Umzäunung der Flüchtlingsunterkunft der Fußweg so wohl zu den Sportstätten als auch zum Fachraumzentrum durchtrennt wird?

Bitte, Frau Ministerin.

Herr Zimmermann, wahrscheinlich haben Sie vorher nicht vernommen, dass ich sagte, dass dieses Gebäude im unteren Segment der zu prü fenden Gebäude liegt. Das ist nicht unsere erste Priorität, son dern eine der letzten Möglichkeiten, die wir trotzdem für den Fall der Fälle, für eine Notsituation vorhalten müssen.

(Zuruf: Winter!)

Wir wissen, dass das Thema sehr sensibel ist. Aus diesem Grund würden wir – sofern es dazu kommen sollte; wir sind noch nicht so weit, wir möchten dieses Gebäude nicht nutzen, aber für den Fall, dass alle anderen Gebäude bereits belegt wären und wir auch dieses Schulgelände nutzen müssten – na türlich sämtliche Schutzmaßnahmen und alle Sicherheitsvor kehrungen zum Schutz der Kinder und Jugendlichen umset

zen. Wobei ich an dieser Stelle auch betonen will, dass Flücht linge nicht per se ein Sicherheitsrisiko darstellen, sondern ich davon ausgehe, dass es Menschen sind wie Sie und ich, die Schutz suchen. Aber für alle Fälle würden wir dennoch Schutzmaßnahmen auch für die Schülerinnen und Schüler be rücksichtigen und umsetzen.

Eine Zusatzfrage des Herrn Abg. Burger.

Vielen Dank. – Frau Ministerin, wie verhält sich die Landesregierung hinsichtlich des Ange bots der Stadt Bad Saulgau, die frühere Japanische Schule als Internat für minderjährige Flüchtlinge zu nutzen? Das wäre nämlich wieder konform mit dem Bebauungsplan.

Bitte, Frau Ministerin.

Über diese Mög lichkeit können wir gern nachdenken und diskutieren. Sie wis sen, im Land gab es einige Landkreise, die viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufnehmen mussten. Wir haben durch eine Regelung im Flüchtlingsaufnahmegesetz die Mög lichkeit geschaffen, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge mit Blick auf das Kindeswohl und auf das Wohl der Jugend lichen auf die Jugendhilfeeinrichtungen des Landes zu vertei len.

Es gibt jetzt eine neue Diskussion im Bund, unbegleitete min derjährige Flüchtlinge deutschlandweit zu verteilen. Das wür de möglicherweise für Baden-Württemberg bedeuten, dass wir mehr unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufnehmen müssten als bisher. Für diesen Fall könnten wir in der Tat ei nige Ideen diskutieren.

Herr Landrat Pauli hatte eine Idee auf den Weg gebracht, die wir auch in die Flüchtlingskommission der Robert Bosch Stif tung eingespeist haben, die jetzt auch neue Pläne erarbeitet. Der Vorschlag von Landrat Pauli war, die Jugendlichen in sol chen Einrichtungen mit einer Form von überbetrieblicher Aus bildung unterzubringen und sie eben nicht in Jugendhilfeein richtungen zu stecken, wo sie möglicherweise in Kontakt mit anderen, eventuell noch problematischeren Jugendlichen kom men. Insofern wäre das eine Maßnahme, die man prüfen muss. Wir werden diese Idee in der Bosch-Kommission weiterver folgen.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Guter Vorschlag!)

Man kann aber gern im Land noch weitere Ideen sammeln und auswerten.

Eine Zusatzfrage des Herrn Abg. Reith.

Frau Ministerin, berücksichtigt die Landesregierung bei der Suche und der Belegung von ge eigneten Gebäuden ausschließlich deren Größe und die damit verbundene Kapazität, oder wird auch ein Verhältnis zwischen der Aufnahmefähigkeit der Gebäude, also der Anzahl der Flüchtlinge, und der Bevölkerungszahl berücksichtigt? In Do naueschingen haben wir beispielsweise in der Kernstadt, wo sich in der Mitte dieses Konversionsgelände bzw. die ehema ligen Garnison befindet, eine Einwohnerzahl von 13 000. Ei nem Beitrag des SWR habe ich jetzt entnommen, dass dort ei ne mögliche Belegungszahl von bis zu 10 000 vorgesehen ist.

Bitte, Frau Ministerin.

Mit den Zahlen wäre ich vorsichtig, weil in den Medien manchmal Zahlen kursieren, die so nicht stimmen. Wir versuchen natürlich auch, die Geduld und Toleranz der Gemeinden nicht überzustrapa zieren, weil wir wissen, dass es dort eben auch Bürger gibt, die Ängste haben. Diese Ängste müssen wir ernst nehmen. Dies tun wir auch, indem wir immer ein Sicherheitskonzept mit anbieten. Deshalb haben wir bei der Zahl der Sozialarbei ter den Schlüssel von 1 : 500 auf 1 : 100 erhöht, damit Flücht linge auch in die hiesige Ordnung und Kultur eingewiesen werden und eben lernen, wie man Müll zu trennen hat, damit sie lernen, dass man nicht auf dem Friedhof campieren oder picknicken darf. Das versuchen wir den Flüchtlingen schon in der Erstaufnahme beizubringen.

Wir haben bislang immer Rücksicht auf die Wünsche der Kommunen genommen. Aber da die Zahlen inzwischen so stark angestiegen sind – Sie haben ja mitbekommen, dass wir innerhalb eines halben Tages 2 000 Flüchtlinge aufnehmen mussten; wir müssen sie ja aufnehmen; wir können gar nicht anders –, können wir leider nicht immer auf jeden einzelnen Wunsch Rücksicht nehmen. Wir versuchen dies, und wir ver suchen, das immer einvernehmlich mit der jeweiligen Kom mune zu machen. Im Moment gelingt es uns aber nicht im mer, bei der Unterbringung von Flüchtlingen die Bevölke rungsstruktur zu berücksichtigen; das können wir im Moment nicht einhalten. Aber bei unserer Planung berücksichtigen wir das natürlich, um die jeweilige Gemeinde nicht überzustrapa zieren.

Eine Zusatzfrage des Herrn Abg. Zimmermann.

Frau Ministerin, habe ich Sie vorhin richtig verstanden, dass das Schulgebäude in Bad Saulgau auf der Prioritätenlisten sehr weit unten rangiert? Sie sehen das als aktuell weniger geeignet an? So lese ich das he raus.

Meine Zusatzfrage in einer anderen Richtung: Gibt es in der Landesregierung aktuell Überlegungen, nach dem Cannstat ter Volksfest die Zelte – nachdem der Ministerpräsident heu te vehement auch Zeltunterbringungen ansprach – stehen zu lassen