Protokoll der Sitzung vom 14.10.2015

(Abg. Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr GRÜNE: Ach, jetzt aber! Zum ersten Mal haben die HAWs ein eigenes Forschungsprogramm! Das haben wir erreicht!)

Dass man hier natürlich nachsteuern muss, dass man die Ver bünde stärken muss, wurde in den letzten Jahren von GrünRot meines Erachtens wenig beachtet.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Ga bi Rolland SPD: Na ja!)

Die Fortführung des Exzellenzwettbewerbs mit einer Auswei tung um zehn bis 15 Eliteuniversitätsplätze oder einen zusätz lichen Exzellenzbonus ist, glaube ich, schon der richtige Weg. Da sind Sie sicherlich mit uns gemeinsam unterwegs; denn das ist eine Uraltforderung auch unserer Fraktion.

Trotzdem stellt sich die Frage, wie manche Dinge hier eigent lich laufen. Meine Damen und Herrn, die Gemeinsamkeit ist hier Voraussetzung für den Erfolg; denn die Exzellenzinitia tive ist eine gemeinsame Aktion von Bund und Ländern, und es kann letztlich nur gemeinsam etwas vereinbart werden. Deshalb noch einmal: Nur in Richtung Wahlkampf zu blicken wäre falsch. Dass die grüne Wissenschaftsministerin diese Ex zellenzinitiative nun parteipolitisch besetzen will, kann ich ja – das habe ich gesagt – verstehen. Allerdings freut mich heu te die Gemeinsamkeit, die auch Sie, Frau Kollegin Kurtz von der CDU, zum Ausdruck gebracht haben.

Frau Bauer, wenn es um ergebnisorientierte Verhandlungen geht, dann können Sie, wie gesagt, mit unserer Unterstützung rechnen.

(Abg. Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr GRÜNE: Was heißt das?)

Das heißt – wenn man zurückblickt –: mehr als damals im merhin. Man muss wissen: Vier von neun Eliteuniversitäten

aus 16 Bundesländern – das ist ja das i-Tüpfelchen auf dem Ganzen – kamen aus Baden-Württemberg, und auch ab 2012 waren es immerhin noch drei von elf. Das gilt es fortzuführen und auszubauen. Die Dezentralität, die wir auch in BadenWürttemberg feststellen, ist, glaube ich, einer der Erfolgs schlüssel für dieses Vornesein.

Der ursprüngliche Vorschlag der damaligen Bundesbildungs ministerin Bulmahn, ebenfalls SPD, glich dem jetzigen Vor schlag der CDU-Bundestagsfraktion: nur sehr wenige Elite unis, maximal fünf, am besten nur drei. Sie haben ja schon zwei Namen genannt. Vielleicht kommt als dritte noch die Hochschule in Aachen dazu, damit das große Nordrhein-West falen von der SPD auch noch etwas abbekommt.

Das ist der völlig falsche Weg, meine Damen und Herren. Wir brauchen diese Dezentralität. Wir brauchen die Verbünde mit den Hochschulen für angewandte Wissenschaften, wir brau chen die Industrie im Sponsoring, im Unterstützen. Nur dann können wir die Spitzenstellung unseres Landes halten, und die ist für uns elementar, wenn wir sowohl in der Wirtschaft als auch in der Wissenschaft weiterhin in der Champions League mitspielen wollen.

(Zuruf des Abg. Walter Heiler SPD)

Man könnte das Ganze vielleicht auch noch etwas hinterfra gen. Wenn Sie schon glauben, dass man etwas Zusätzliches machen kann – ich komme immer wieder darauf zurück –, dann stellt sich die Frage: Was könnte man von anderen Län dern der Welt übernehmen? Sicherlich die Digitalisierung. Wenn Sie mit Hochschullehrern sprechen, die in den USA, in Japan, in China unterrichten, dann stellen Sie fest, dass in Be zug auf die Digitalisierung Deutschland und Baden-Württem berg – das ist ein großes Versäumnis von Ihnen – eigentlich nach wie vor im unteren Drittel zu finden sind.

Das heißt, hier haben wir einen großen Nachholbedarf, und das muss sich schnellstens ändern. Wir haben dazu einen um fangreichen Fraktionsantrag eingebracht. In der Stellungnah me dazu bestätigen Sie letztlich auch, dass genau hier die De fizite sehr groß sind.

Ein weiterer Punkt ist die Finanzierung. Hierfür brauchen wir sehr viel Geld. Dazu sage ich auch noch einmal – ich lasse da nicht locker –: Wir sollten vielleicht noch einmal über Finan zierungskonzepte nachdenken. Da bin ich gar nicht so weit weg von Ihnen, Herr Kollege.

Das australische Studienfinanzierungskonzept beispielsweise sieht eine Eigenbeteiligung eines ehemaligen Studierenden vor, die sich nach der jeweiligen Einkommenssituation nach dem Studium bemisst. Sie wird vom Finanzamt bei der Ein kommensteuer eingezogen bzw. damit verrechnet. Solche Überlegungen müssen wir auch nach 2020 ganz stark wieder ins Auge fassen, wenn wir das Niveau, die Qualität beim Per sonal erhalten wollen. Denn schließlich, meine Damen und Herren von Grün-Rot, ist das keine ideologische Frage. Viel mehr brauchen wir hier in der Gesellschaft auch Solidarität. An die Sozialdemokraten gerichtet sage ich: Das wäre prak tizierte Solidarität in der akademischen Gesellschaft.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Einige Hochschulen für angewandte Wissenschaften sowie ei nige Standorte der Dualen Hochschule fürchten ja sogar, dass

sie beim Hochschulpakt weiterhin benachteiligt werden. Hier gilt es gegenzusteuern.

Ich möchte zum Abschluss sagen: Der Standort Baden-Würt temberg, der Hochschulstandort Baden-Württemberg eignet sich nur sehr begrenzt für parteipolitische Auseinandersetzun gen. Aber in den grundlegenden Punkten, die ich gerade ge nannt und zu denen ich Vorschläge gemacht habe, müssen Sie noch sehr viel ändern, wenn Sie in dieser Landschaft noch et was Positives erreichen wollen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr GRÜNE: Jetzt aber! Wir haben nur Positives aufzuweisen!)

Für die Landesregierung erteile ich Frau Ministerin Bauer das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Exzellenzinitiative hat eine Zukunft. Diese Zu kunft ist im Grundsatz gesichert, und das ist eine wirklich gu te Nachricht. Die Exzellenzinitiative wird, wenn die Förde rung im Oktober 2017 ausläuft, weitergeführt werden und ein Nachfolgeprogramm erhalten. Darauf haben sich Bund und Länder im Grundsatz verständigt. So weit die gute Nachricht.

Relativ spät, nämlich erst Ende des vergangenen Jahres, ist diese Grundsatzentscheidung gefallen. Das ist recht spät für unsere Universitäten, die mit ihren Exzellenzprojekten viele Menschen beschäftigen, viele Wissenschaftlerinnen und Wis senschaftler – meist befristet beschäftigt –, die wissen wollen, wie es weitergeht. Deswegen brauchen sie möglichst bald Klarheit über die Perspektiven, wenn wir nicht Gefahr laufen wollen, dass sich diese Leute in der Welt umschauen – wo es auch noch andere attraktive Wissenschaftsstandorte gibt. Wir müssen sehr bald konkret werden und klären, wie die Exzel lenzinitiative in Zukunft fortgeführt wird.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Die Koalition im Bund hat festgelegt: In der Nachfolgeiniti ative sollen vonseiten des Bundes 4 Milliarden € über einen Zeitraum von zehn Jahren fließen. Das ist ein Wort. Ich finde in der Tat: Die Länder müssen, so wie bislang, auch für diese Nachfolgeformate ihre Beteiligung klären.

Baden-Württemberg ist dabei vorangegangen: Wir haben zu Beginn dieser Legislaturperiode festgelegt, dass wir, so wie bislang, auch in Zukunft 25 % – also unseren Anteil – für die Verstetigung von Exzellenzprojekten vorsehen.

(Abg. Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr GRÜNE: Sehr wich tig!)

Es fehlen noch Zusagen und Aussagen anderer Länder. Ich halte es aber für richtig und notwendig, dass sich die Länder auch in Zukunft daran beteiligen. Denn hier geht es um eine Kernkompetenz der Länder, nämlich darum, ihre Hochschul- und Wissenschaftslandschaft weiterzuentwickeln.

Gut ist, dass die Festlegung im Grundsatz erfolgt ist, auch wenn noch vieles offen ist. Aber im Grundsatz sind ein paar

Linien geklärt worden. Ich möchte dies bei dieser Gelegen heit herausstellen.

Es ist geklärt worden, dass auch in Zukunft im Kern die uni versitäre Spitzenforschung im Zentrum steht und eben nicht alle hochschulpolitischen Ideen und Maßnahmen, die man an sonsten noch für wichtig und richtig hält. Das ist wichtig, da mit das Profil der Exzellenzinitiative erhalten bleiben kann und nicht zur Förderung von diesem und jenem verwässert wird. Gerade mit diesem besonderen Profil der Förderung der universitären Spitzenforschung hat die Exzellenzinitiative den Wissenschaftsstandort Deutschland in den letzten zehn Jah ren enorm bewegt und vorangebracht.

Man kann auch sagen: Es sind Unterschiede sichtbarer ge macht worden. Es hat sich so etwas wie eine universitäre Spit zenliga herauskristallisiert, die sich deutlich von anderen Uni versitäten abhebt. Das war lange Zeit eine schwierige Diskus sion in Deutschland. Aber da sind wir jetzt ein Stück weiter, und ich meine, es war wirklich ein Schritt in die richtige Rich tung. Auf diese Entwicklung sollten wir aufsetzen, und wir sollten sie weiter befördern.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Im Übrigen – Kollege Schmidt-Eisenlohr hat es angesprochen – hat in den letzten zehn Jahren, in den ersten beiden Förder runden der Exzellenzinitiative, kein Land erfolgreicher Mit tel aus der Exzellenzinitiative eingeworben als Baden-Würt temberg. Acht der neun Universitäten in Baden-Württemberg waren erfolgreich mit dabei. Von den insgesamt 4,6 Milliar den € sind 610 Millionen € nach Baden-Württemberg gegan gen – 610 Millionen € nach Baden-Württemberg, gefolgt von Bayern mit 460 Millionen €, und dann die anderen.

Ich bin davon überzeugt: Das Bund-Länder-Programm hat deswegen viel Dynamik in unser Hochschulsystem gebracht. Es hat einen Schub nach vorn gebracht, es hat das Feld aus differenziert. Diesen Schwung wollen wir in die nächste För derperiode mitnehmen. Er darf nicht verpuffen.

Es ist richtig und es ist gut, dass jetzt, gegen Ende der Förder zeit, eine wissenschaftliche Kommission, die sogenannte Im boden-Kommission, zusammengetreten ist. Das ist eine inter national zusammengesetzte Kommission, die die Wirksam keit der bisherigen Maßnahmen überprüft und Empfehlungen für die Zukunft vorlegen wird. Wir erwarten ihre Empfehlun gen im Frühjahr, im Januar oder Februar des kommenden Jah res. Erst nach Auswertung der Empfehlungen der Kommissi on sollte sich die Politik festlegen, wie das Förderformat aus sieht. Aber dann müssen wir das auch sehr schnell tun, damit die Zeit der Ungewissheit möglichst schnell vorbei ist.

Deswegen ist es richtig, dass die Debatte um Erfolge, um Misserfolge, um Weiterentwicklungs- und Veränderungsbe darf jetzt stattfindet.

Herr Abg. Dr. Bullinger, Sie sagten vorhin zu Recht: Ich ha be eigentlich immer betont, dass sich die Politik nicht festle gen soll, bevor die Imboden-Kommission ihre Empfehlungen abgegeben hat. Daran halte ich weiter fest. Ich erlebe aber, dass hinter den Kulissen – auf den Arbeitsebenen – schon an Texten gefeilt wird.

(Zuruf: Aha!)

Das, was da gefeilt wird und was da konsentiert wird, gibt An lass zur Sorge, insbesondere in Baden-Württemberg.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: In welchen Bundesländern?)

Weil ich eine gewisse Gefahr in Verzug sehe, habe ich mich entschieden, deutlich zu werden, und zwar zunächst einmal in dem Sinn, dass ich die Wissenschaftler und Wissenschaft lerinnen selbst, die an der Exzellenzinitiative Beteiligten, und auch Vertreter der Wissenschaftsorganisationen bundesweit zum Gespräch eingeladen habe, damit sie aus ihrer Sicht An forderungen und Kriterien formulieren. Sie haben diese Ein ladung sehr dankbar angenommen. Denn die Stimme der Wis senschaft wird im Moment bei diesen Debatten, die in den Hinterzimmern stattfinden, nicht unbedingt gehört.

(Abg. Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr GRÜNE: Ja, das ist das Problem!)

Deswegen war es richtig und wichtig, dass wir im September diese Veranstaltung gemacht haben. Sie war sehr gut besucht und hat sehr deutliche Impulse und Botschaften formuliert, die es wert sind, in den nächsten Monaten gehört zu werden.

Insbesondere ist auf der Konferenz Ende September formu liert worden, dass es den Wissenschaftlerinnen und Wissen schaftlern in unserem Land wichtig ist, in der Zukunft bei der Frage der Förderung nicht bei null anzusetzen und nicht so zu tun, als hätte es die letzten zehn Jahre nicht gegeben. Nach gewiesene Exzellenz und nachgewiesene Forschungsstärke müssen sich also in den neuen Formaten abbilden und müs sen fortgesetzt werden. Es macht keinen Sinn, die Exzellenz initiative zwar zu loben, dann aber zu sagen: „Wir stellen die Uhren auf null und fangen ganz von vorn an.“ Was sich be währt hat, muss fortgeführt werden.

Das ist eine wichtige Ansage. Sie ist überhaupt nicht so ba nal, so einfach und so unumstritten, wie sie vielleicht klingen mag.

In der öffentlichen Debatte – wenn man die Zeitungsnachrich ten verfolgt – kann man den Eindruck gewinnen, als wären die Diskussion und die Unterschiede folgendermaßen sortiert: auf der einen Seite der Bund, der die Spitzenförderung will, und auf der anderen Seite die Länder, die eher eine Regiona lisierung und die Breite im Blick haben.

Das wird zwar gern so auf den Punkt gebracht, ist schön ein fach und eingängig, es stimmt aber nicht. Es trifft nicht den wirklichen Knackpunkt der bisherigen Diskussion über die Nachfolge der Exzellenzinitiative. Der wirkliche Knackpunkt ist zurzeit die Frage: Welche Spitzenforschung und welche Spitzenförderung wollen wir? Reden wir von so etwas wie ei ner Spitzenliga, wie sie sich in den letzten zehn Jahren her ausgebildet hat, oder reden wir von ein paar wenigen Spitzen standorten, sozusagen nach Städten sortiert, reduziert und auf ein paar wenige ausgedünnt?

Deswegen fragte z. B. DIE WELT am 10. Juli 2015 ganz zu Recht in ihrer Onlineausgabe: