Protokoll der Sitzung vom 14.10.2015

Deswegen fragte z. B. DIE WELT am 10. Juli 2015 ganz zu Recht in ihrer Onlineausgabe:

Welche Elite-Unis trifft es als nächste? Drei Hochschu len haben den Exzellenz-Titel bereits verloren, elf besit zen ihn noch. Aber mehr als die Hälfte von ihnen steht auf der Kippe.

Dies wäre nämlich dann der Fall, wenn die damals ver öffentlichten Pläne der CDU/CSU-Bundestagsfraktion verwirklicht würden und die Exzellenzförderung auf eine Handvoll Spitzenzentren konzentriert würde.

Das ist in der Tat eine ganz entscheidende Grundsatzfrage, die geklärt werden muss. Ich glaube aber, sie ist weder nach Bund und Ländern sortiert, noch ist sie parteipolitisch sortiert.

(Abg. Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr GRÜNE: Ja!)

Die Positionierungen laufen eigentlich quer dazu. Ich erinne re mich – es ist bereits erwähnt worden –, dass der damalige Kanzler Schröder zu Beginn der Diskussionen über die Ex zellenzinitiative zunächst einmal von einer Spitzenuni, einer Eliteuni gesprochen hatte. Frau Bulmahn hatte es dann aus geweitet auf drei. Bekommen haben wir ein Konzept mit elf bis zwölf in der Reihe der Exzellenzuniversitäten. Es waren damals in der Tat der Wissenschaftsminister aus Baden-Würt temberg, Professor Frankenberg, und sein Kollege Zöllner aus Mainz, die zusammen maßgeblich dem Bund nahegebracht haben, wie man in Deutschland Spitzenförderung von Uni versitäten entsprechend unserer eigenen universitären Land schaft richtig aufsetzt.

(Glocke des Präsidenten)

Frau Ministerin, gestatten Sie ei ne Zwischenfrage des Kollegen Dr. Bullinger?

Mir wäre es recht, wenn die Frage gegen Ende meiner Ausführungen gestellt würde. Vielleicht beantworte ich Ihre Frage auch schon in meinen Ausführungen.

Heute habe ich nichts dagegen. Grundsätzlich heißt aber „Zwischenfrage“, dass sie dazwi schen gestellt wird. Ganz allgemein gesprochen: Am Ende der Ausführungen handelt es sich nicht mehr um eine Zwischen frage. Heute lassen wir es zu. – Bitte schön.

Okay. – Damals haben Frankenberg und Zöll ner gemeinsam dem Bund das richtige Format abgerungen – wie ich finde, aus guten Gründen. Wenn wir das heute, wenn wir über die Nachfolge reden, verändern sollten, meine ich, muss man sehr gute Gründe anführen, warum man jetzt nach zehn Jahren ein Spitzenförderungskonzept auf die Ausdün nung unserer Spitzenliga auf zwei, drei, vier oder eine Hand voll Standorte fokussiert.

Über diese Frage wird zurzeit mit gutem Grund diskutiert. Ich wünsche mir sehr deutliche Stellungnahmen hier aus BadenWürttemberg. Denn wir haben hier in Baden-Württemberg am allermeisten Grund, an diesem Punkt deutlich zu werden.

Die Suche nach Spitzenstandorten, wie sie eine Weile im Fo kus stand, sozusagen die Sehnsucht nach dem deutschen Har vard oder Stanford, die international sichtbar sind und als in ternationale Wissenschaftsleuchttürme ganz nach vorn rücken, setzt auf viel Exzellenz, vor allem aber auch auf viel For schungsmasse an einem Standort, damit die Sichtbarkeit ent sprechend hoch ist.

Wer so etwas will, muss seine Fördermittel konzentrieren. Ma chen wir uns da nichts vor. Er sollte ehrlicherweise auch sa

gen, dass es dann um viel mehr Bundesmittel gehen würde als die 4 Milliarden € über zehn Jahre, die jetzt angedacht sind. Da reden wir über ganz andere Dimensionen, die an weniger Standorte gehen müssten, als heute angedacht ist.

Deswegen hat die Vorstellung, politisch entscheiden zu kön nen, wo das deutsche Harvard oder Stanford entstehen soll, nichts mit der historisch gewachsenen Universitätslandschaft in Deutschland zu tun und nichts mit der real vorhandenen Forschungsexzellenz, wie wir sie hier im Land haben.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Übrigens gibt es selbst in den USA nicht nur Harvard und Stanford. Es gibt eine ganze Ivy League von hervorragenden Universitäten.

(Abg. Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr GRÜNE: So ist es nämlich!)

Unsere universitäre Landschaft, unsere Hochschullandschaft ist dezentraler, kleinteiliger, und wir haben viele mittelgroße exzellente Universitäten. Bei dieser Stärke sollten wir anset zen, und diese sollten wir weiterentwickeln.

Wer jetzt anfängt, unsere Hochschullandschaft zentralistisch umzubauen, der gefährdet Exzellenz in unserer Spitzenliga in Deutschland zugunsten eines konstruierten deutschen Har vards, das wir in Deutschland derzeit aber nirgendwo finden können, auch dort nicht, wo man meint, man sei bereits ein gesetzter Standort.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Ich freue mich deswegen, dass der Präsident der Hochschul rektorenkonferenz, Horst Hippler, in besagtem Artikel in der WELT sehr klare Worte zu diesen Konzepten gefunden hat. Ich zitiere ihn:

Die starke Limitierung der Zahl von Spitzenzentren, wie sie die CDU vorschlägt,... wird der „verteilten Exzel lenz“, wie sie durch die bisherige Exzellenzinitiative an vielen Standorten in Deutschland gefördert wurde, kei nesfalls gerecht.

So Horst Hippler.

Ich möchte noch einmal betonen: Ich rede hier nicht der Gleich macherei das Wort. Ich rede von Spitzenforschung und Spit zenförderung, wie sie unserem Land und unserer Hochschul struktur angemessen sind und wie sie in unsere Landschaft passen.

Wir können das nachlesen. Wir können das messen. Wir ha ben inzwischen viele Möglichkeiten, wie wir identifizieren können, was die deutsche Spitzenliga in unserer universitären Landschaft ist. Wir können mehr oder weniger konstant eine Spitzengruppe von um die 15 Universitäten ausmachen, die sich in den letzten zehn Jahren immer stärker nach vorn gear beitet haben.

Lassen Sie uns z. B. schauen, wer im Rahmen der Exzellenz initiative mit einem Zukunftskonzept gewonnen hat, wer al so an der sogenannten dritten Säule erfolgreich teilgenommen hat. Dann kommen wir deutschlandweit auf 14 Universitäten – davon kommen fünf aus Baden-Württemberg.

(Abg. Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr GRÜNE: Ja! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das haben Sie doch er wartet, oder nicht?)

Das überrascht mich nicht. Es lohnt sich aber, dies zurzeit einmal zu erläutern. Es gibt nämlich Gegenden in Deutsch land, die das vergessen.

Nehmen Sie den DFG-Förderatlas, ein sehr gutes Werk, das nach verschiedenen Kriterien Forschungserfolge und Spitzen positionen abbildet.

(Die Rednerin hält ein Schaubild hoch.)

Auch wenn Sie Details nicht sehen können, habe ich mir er laubt, einen dicken Strich unter der Position 15 in dieser Ta belle, dem Ranking der Forschungsstärke in Deutschland, zu ziehen und nachzuzählen, wie viele unter den ersten 15 aus Baden-Württemberg kommen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Den dritten Balken sehe ich nicht genau!)

Es sind sechs aus Baden-Württemberg unter den ersten 15 ge rankt.

Wir können auch die ERC Grants nehmen, die europaweit ein geworben werden, und schauen, wer dabei am erfolgreichs ten ist.

(Die Rednerin hält ein Schaubild hoch.)

Auch hier kann man nach den ersten 15 einen Strich ziehen. Wir finden in der ersten Gruppe vier aus Baden-Württemberg.

Egal, wie Sie es messen, ob nach Zukunftskonzepten im Rah men der Exzellenzinitiative, ob nach DFG-Förderatlas, ob nach ERC Grants: Vorn mit dabei ist eine relativ konstante Gruppe mit einer sehr starken Beteiligung aus Baden-Würt temberg.

Wir könnten jetzt noch weiter in die Details einsteigen. Es lohnt sich übrigens wirklich, einmal genau hinzusehen. Schau en Sie einmal, wo sich diejenigen, die heute glauben, sie sei en bei dem Spitzenförderungskonzept bereits gesetzt – zwei Mal München, zwei Mal Berlin –, in den Rankings finden,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Mittelmaß!)

wenn man die gemessene Exzellenz zugrunde legt.

Deswegen ist es mir bei der Frage der Spitzenförderung wich tig, dass wir hier in Baden-Württemberg sehr genau hinsehen und sehr präzise argumentieren. Ich bin überzeugt davon, dass wir das Zeug dazu haben, unter den ersten 100 – nehmen wir die globalen Rankings – internationalen Universitäten mehr als vier Universitäten aus Deutschland nach vorn zu bringen. Das wäre für mich das Konzept und das Ziel einer Nachfolge initiative: mehr als vier deutsche Universitäten nach vorn zu bringen und international sichtbar zu machen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Wir dürfen die forschungsstärksten Universitäten nicht zu ex zellenten Verlierern der Nachfolgeinitiative machen. Ich hal te es für keinen Fortschritt, wenn aus unserer Spitzenliga ei ne zu kleine Zahl von Universitäten herausdestilliert und Or

te herausdefiniert würden, die ein neues Förderlabel bekom men. Das wäre keine Stärkung, das wäre eine eklatante Schwä chung unseres Wissenschaftssystems und – in Klammern – auch eine eklatante Schwächung unserer Exzellenz hier in Ba den-Württemberg.

Deswegen müssen wir uns sehr genau fragen, wie wir mit wel chem Förderformat Spitzenforschung in Zukunft unterstützen und welches wettbewerbliche Element einen Sinn macht. Ich möchte auch hinterfragen, ob wir mit dem Thema „Wettbe werbe und Anträge“ nicht vielleicht auch an unsere Grenzen stoßen, weil – wie Kollege Schmidt-Eisenlohr zu Recht sagt – die Förderzeiträume relativ kurz geraten sind.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Das ist auch falsch!)

Wir müssen über andere Zeiträume nachdenken. Wir müssen darüber nachdenken, ob es nicht Sinn macht, erwiesene For schungsstärke schlicht und einfach abzubilden, indem man denen in der Spitzenliga einen zusätzlichen Exzellenzbonus gibt,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Richtig!)

um ihnen neue Spielräume zu geben, neue Handlungsspiel räume, um sich strategisch weiterzuentwickeln, damit sie nicht immer von Antrag zu Antrag rennen und immer wieder neu unter Beweis stellen müssen, dass man etwas mit einem neu en Konzept noch schöner machen kann, obwohl man in den letzten zehn Jahren bereits bewiesen hat, dass man es kann.