Protokoll der Sitzung vom 26.11.2015

(Zurufe von der CDU – Unruhe)

hallo! – mit der Kanzlerin vereinbart worden ist, ist Folgen des – um das noch einmal klarzustellen –: Bisher gab es nach einem abgelehnten Asylantrag eine Frist von vier Wochen, um Widerspruch einzulegen und den Rechtsweg zu beschreiten. Für Menschen aus sicheren Herkunftsländern ist diese Frist auf zwei Wochen verkürzt. Es ist das Ziel, die Verfahren selbst binnen zwei Wochen zum Abschluss zu bringen. Dafür stel len wir, der Landtag, mit dem Haushalt die notwendigen Mit tel bereit.

Lassen Sie mich zum Thema Gesundheitskarte kommen. Ich kann nur sagen: Die Stadt- und Landkreise, Herr Wolf, die bislang, wenn es um medizinische Probleme ging, für jeden einzelnen Menschen einen Behandlungsschein ausstellen müs sen, werden mit einer Gesundheitskarte verwaltungstechnisch massiv entlastet.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Sehr richtig! – Zu ruf des Abg. Winfried Mack CDU)

Deswegen sind sie auch dafür. Ich würde mir an Ihrer Stelle gut überlegen – Sie haben auch von Bürokratie gesprochen –, ob Sie diesem sinnvollen Vorschlag, eine Gesundheitskarte einzuführen, nicht doch beitreten wollen.

Um es noch einmal klarzustellen: Es geht um die medizini sche Grundversorgung auf dem bisherigen Niveau – es geht nicht um zusätzliche Leistungen –, und es geht um die Grup pe derjenigen, die nicht mehr in den Landeserstaufnahmeein richtungen sind, sondern auf der kommunalen Ebene.

Sie haben auch über das Rückkehrmanagement gesprochen. Dass es jetzt eine Stabsstelle im Innenministerium gibt, die Herr Berger leitet, der auch ein Konzept für das Rückkehrma nagement vorgelegt hat, zeigt, dass diese Regierung tatsäch lich handelt. Es ist richtig, dass wir den Schwerpunkt auf die Rückkehrberatung zur freiwilligen Rückkehr legen. Wenn man einen Menschen berät, z. B. bevor er überhaupt in das Asylverfahren eintritt, und ihm nahelegen kann, nicht in das Verfahren einzutreten, weil die Erfolgsaussichten minimal sind, dann ist das doch positiv. Ich weiß gar nicht, was Sie da ran zu kritisieren haben.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Sehr richtig!)

Wenn beim BAMF ohnehin 300 000 Anträge nicht bearbeitet sind, müssen wir doch schauen, dass die Menschen, deren An träge keine Chance haben, möglichst gar nicht in das Asylver fahren eintreten.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf der Abg. Nicole Ra zavi CDU)

Auch bei denjenigen, die bereits im Asylverfahren sind bzw. deren Antrag abschlägig beschieden wurde, ist es deutlich bes ser, wenn sie bereit sind, freiwillig in ihr Herkunftsland zu rückzukehren. Das ist humanitärer, das ist effektiver, das spart der Polizei Arbeit.

Deshalb spricht alles dafür, möglichst viel über eine freiwil lige Rückkehr zu erreichen und möglichst wenig auf eine zwangsweise Rückkehr setzen zu müssen. Aber klar ist auch, dass es bei denjenigen, die kein Bleiberecht bei uns bekom men haben und die auch nicht freiwillig ausreisen, trotzdem eine Rückführung geben wird.

(Abg. Matthias Pröfrock CDU: Aha!)

Ich verstehe Ihre Kritik überhaupt nicht.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das haben wir befürchtet!)

Das Innenministerium macht genau das, wenn der Rückfüh rung keine Hindernisse entgegenstehen. Das größte Hinder nis – das ist hier auch schon angesprochen worden – waren in der Vergangenheit häufig fehlende Pässe, fehlende Dokumen te. Deshalb fordert der Ministerpräsident seit einem Jahr, auf Bundesebene eine Clearingstelle einzurichten, die sich für Rückkehrabkommen mit den Herkunftsländern einsetzt, und eine Rückführung auch dann zu ermöglichen, wenn der Rei sepass fehlt. Das ist jetzt möglich. Sie haben auch in der Zei tung gelesen, dass letzte und diese Woche fast 100 Menschen zurückgeführt worden sind.

Ich appelliere dringend an Sie – angesichts der Resolution, die wir im Landtag gemeinsam verabschiedet und vereinbart haben –, mit der Flüchtlingsthematik sehr verantwortungsbe wusst umzugehen und sie nicht als Spielball im Wahlkampf zu missbrauchen. Kehren Sie zu dieser Linie zurück. Das wä re für die ganze Gesellschaft, das wäre für alle Beteiligten hilf reich.

Gehen Sie noch einmal in sich, und kehren Sie zu einer sach lichen Debatte zurück – zu einer Debatte, die die Menschen und ihre Sorgen ernst nimmt, die aber auch dafür sorgt, dass wir möglichst viele der Fragen, der Befürchtungen, die im Raum stehen, beantworten und ausräumen können und deut lich machen können, dass die Zuwanderung eine große Chan ce insbesondere für Baden-Württemberg ist. Da sind wir für die Unterstützung der Wirtschaft und die öffentlichen Bekun dungen der Unternehmerverbände sehr dankbar. Es kommen viele Menschen, die Potenzial haben, die hier etwas einbrin gen wollen, die schaffen wollen, die eine Perspektive haben wollen.

Deshalb: Bei allen Herausforderungen, vor denen wir stehen, sollten wir auch diese Chance nicht aus dem Auge verlieren und sie immer wieder betonen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Das Wort erhält Herr Fraktions vorsitzender Schmiedel.

Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Ich will einmal mit dem beginnen, wovon ich den Eindruck habe, dass wir uns einig sind.

Wir sind uns einig, dass die Ursache der Flüchtlingskrise un gelöste internationale Probleme sind und man deshalb eine Lösung dieser Probleme nur international erreichen kann. Deshalb sind wir froh, dass die Hauptakteure, was Syrien be trifft, in Wien zusammenkamen, dass in der UNO durch einen einstimmigen Beschluss des Weltsicherheitsrats Einverneh men besteht über die Verurteilung und die Bekämpfung des sogenannten Islamischen Staates. Wir sind froh, dass es unter dem Dach der UNO – unter der Führung Russlands und der Vereinigten Staaten – Verabredungen gibt, Anstrengungen zu unternehmen, um einen Waffenstillstand in Syrien zu errei chen. Dieser würde die Flüchtlingsbewegungen kräftig zu rückführen.

Das Zweite, worüber wir uns einig sind: In den Nachbarlän dern Syriens – Türkei, Libanon und Libyen – müssen alle An strengungen unternommen werden, damit die Menschen, die dorthin geflüchtet sind, menschenwürdig untergebracht wer den und auch für ihre Kinder eine Zukunftsperspektive haben. Deshalb ist z. B. Beschulung ein ganz wichtiges Thema. Es ist gut, dass auch dort Bewegung in die Sache gekommen ist. Das unterstützen wir.

Wir sind übrigens auch froh, dass wir über einen interfrakti onellen Antrag zum Nachtrag einen kleinen Baustein beschlie ßen werden, um die Beschulung von syrischen Kindern – be ginnend in Antakya, der Partnerstadt von Aalen – zu unter stützen.

(Abg. Winfried Mack CDU: Stimmt!)

Das wird ein Beispiel dafür sein, dass auch Länder und Kom munen in der Lage sind, Beiträge zu liefern, und wir in einer Partnerregion im Nordirak strukturelle, infrastrukturelle Hil fe schaffen, weil die Menschen dort – prozentual – mit der Be wältigung der Flüchtlinge noch deutlich stärker herausgefor dert sind als wir.

Damit fängt aber schon die Unsicherheit an, worüber wir re den. Ich greife einmal das Thema „Sicherung der Außengren zen der EU“ auf, Herr Kollege Rülke. Kein Mensch hat die Vorstellung, dass man durch irgendwelche bewaffneten Kräf te – doch, bei der CSU hatten einige einmal so eine Art Vor stellung –

(Zuruf des Abg. Alexander Salomon GRÜNE)

an der Außengrenze der EU den Zugang in die Europäische Union verhindern könnte.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Dann sagen Sie doch einmal, wie!)

Wer so etwas träumt, der hat gut geträumt. Es geht vielmehr darum, in den Ländern, die ich gerade genannt habe, dafür zu sorgen, dass dort weniger Anreize, weniger Notwendigkeiten entstehen, das Land zu verlassen, und damit weniger in den Bereich der EU kommen.

Aber das Zweite ist das Wichtige, nämlich diejenigen, die kommen, auch zu erfassen. Da passiert bisher kaum etwas.

Vielmehr werden sie auf die Reise geschickt. Sie werden durch alle Länder der Europäischen Union geschickt,

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Also Tran sitzonen an der Außengrenze!)

ohne erfasst zu werden, bis sie schließlich in Bayern „auf schlagen“. In Bayern wiederum werden sie zum großen Teil auch unerfasst weitergereicht.

Damit sind wir bei dem, was sich Herr Wolf wünscht, den Transitzonen. Er kann aber auch nicht genau beschreiben, was das ist. Wenn das so etwas sein soll, Herr Wolf, dass alle, die in Bayern „aufschlagen“, erst einmal in Bayern registriert wer den, bevor sie an andere Bundesländer weitergereicht werden: Ja, aber bitte schön, dann soll man das doch einrichten. Kein Mensch hätte etwas dagegen, wenn in Bayern – in München oder entlang der Grenze zu Österreich, wo auch immer – Auf nahmemöglichkeiten geschaffen werden und die bayerischen Behörden und die Bundespolizei dann alle registrieren, bevor sie nach Baden-Württemberg oder in andere Bundesländer weitergeschickt werden. Dagegen hat kein Mensch etwas. Dann soll man das doch machen.

Aber Sie haben damit wieder einen Begrenzungseffekt ver bunden. Sie haben in Ihre Rede mehrfach das Wort Begren zung einfließen lassen. Ich habe immer genau zugehört: Was folgt denn jetzt konkret? Dann kam z. B. die Transitzone. Sie hat aber überhaupt keinen Begrenzungseffekt. Vielmehr hat sie nur den Effekt, dass wir aus Bayern weniger nicht regist rierte Flüchtlinge bekommen.

(Zurufe von der CDU)

Das ist der einzige Effekt. Das würde uns entlasten. Deshalb, bitte sehr. Ich kann nur sagen: Wenn Herr Seehofer das ma chen will, soll er es doch machen. Im Übrigen: Dass dann al le dort registriert werden, ist natürlich auch ein Trugschluss.

(Abg. Matthias Pröfrock CDU: Sie haben es nicht verstanden, oder?)

Denn die Hälfte der Flüchtlinge kommen ja nicht über Öster reich an der bayerischen Grenze im Zug an, sondern die mel den sich bei den Landeserstaufnahmestellen in Baden-Würt temberg. Die sind irgendwie gekommen, aber nicht über die Balkanroute. Deshalb muss man diese Themen natürlich auch bei uns lösen.

Jetzt bin ich bei der Frage: Gibt es da Vorwürfe? Denn das war ja der eigentliche Kern. Herr Kollege Wolf, Sie haben ge sagt, Sie wollten Defizite des Handelns zur Sprache bringen. Da habe ich mich auch immer gefragt: Was kommt jetzt? Es kam ein konkretes Thema, über das Sie sich beide amüsiert haben, nämlich „14 Tage Asylverfahren“. Da haben Sie ge sagt, der Ministerpräsident habe keine Ahnung von diesen rechtlichen Verfahren,

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

und dies zeige das wieder. Das müssen Sie dann aber mindes tens genauso Herrn Seehofer, dem hessischen Ministerpräsi denten und allen anderen zuschreiben. Denn es ist ein gemein samer Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz, dass die se Verfahren nur noch 14 Tage dauern sollen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Jetzt ist es natürlich so: Wenn die hochwohlgeborenen Minis terpräsidenten aller Farben zusammensitzen, dann geben sie Richtungen vor. Die Richtung heißt: Asylverfahren straffen.

Jetzt liegt es natürlich an der Justizministerkonferenz, daraus ein handhabbares Konzept zu machen, wie man damit um geht. Es wurde beispielsweise nicht beschrieben, dass das ins besondere Asylverfahren für Menschen aus sicheren Her kunftsländern betrifft. Das wäre z. B. eine sinnvolle Eingren zung. Es wäre sinnvoll, gerichtliche Verfahren für Menschen aus sicheren Herkunftsländern vorzusehen, für die die Chan ce gegeben ist, in 14 Tagen fertig zu werden.

Es gilt aber die Unabhängigkeit der Justiz. Kein Verwaltungs richter wird sich durch irgendeine Vorschrift beeindrucken las sen, dass er in 14 Tagen ein bestimmtes Verfahren abzuschlie ßen hat. Das wird nicht so sein. Wir werden aber die notwen digen Kapazitäten bereitstellen.

Herr Kollege Wolf, Sie haben gefragt: „Was sind schon 16 Richter?“ Dann hat Edith Sitzmann gesagt, dass noch zehn Richter dazukommen. Daraufhin hat die halbe CDU gelacht.