Protokoll der Sitzung vom 16.12.2015

Es ist schön, dass Sie das Thema Integration für sich entdeckt haben. Es ist schön, dass Sie teilweise auch brauchbare Vor schläge machen. Aber allein mit erhobenem Zeigefinger und mit Wortakrobatik wird das Ganze nicht funktionieren.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Professor Held aus Tübingen hat in der letzten Woche die Eva luation des Programms „Vielfalt gefällt! 60 Orte der Integra tion“ vorgelegt, ein Programm, das die Baden-Württemberg Stiftung zusammen mit meinem Haus in den vergangenen drei Jahren durchgeführt hat. Die Evaluation durch die Tübinger Forschungsgruppe zeigt, dass Projekte, denen ein von Kont rolle und Anpassung geprägter Integrationsbegriff zugrunde liegt, nicht erfolgreich sind. Erfolgreich sind vielmehr die Pro jekte, bei denen Partizipation und soziale Interaktion im Vor dergrund stehen, Projekte, die auf Dialog und auf Zusammen arbeit setzen. Genau diesen Weg müssen wir weiterverfolgen, denn nur so können wir die Menschen von unserer Lebens weise, von unserer Rechts- und Gesellschaftsordnung über zeugen. Ich hoffe, Sie ziehen alle mit.

Ich habe aber noch eine Bitte bzw. noch eine Richtigstellung im Interesse der Landesregierung. Sie stellen in Bezug auf das Asylrecht manchmal Behauptungen auf, die so nicht stimmen. Ich möchte das hier kurz vortragen.

Sie haben z. B. gesagt: „Wenn die Bundesregierung in Berlin das Asylrecht verschärft, zieht Baden-Württemberg nicht mit.“ Das stimmt nicht ganz; denn ich habe, glaube ich, schon vor einem Jahr viel weiter gehende Forderungen gestellt.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ist wahr?)

Außerdem haben Sie gesagt: „Wenn die Bundesregierung von Geld- auf Sachleistungen umstellt, zieht Baden-Württemberg nicht mit.“ Auch das stimmt nicht, weil wir dazu bereits einen Kabinettsbeschluss haben. Den müssten Sie eigentlich auch mitbekommen haben.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Aber nicht umgesetzt!)

Sie haben ferner gesagt: „Wenn die Bundesregierung Abschie bungen erleichtert, wird in Stuttgart blockiert.“ Ich würde doch schon fragen: Wo haben wir blockiert? Können Sie uns das einmal beweisen? Wenn Sie das nicht beweisen können, dann hören Sie bitte auf, solche Dinge zu behaupten. Das hilft Ihnen nichts, und es macht Ihre Aussagen nicht glaubwürdi ger.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

In der zweiten Runde erteile ich Herrn Kollegen Dr. Lasotta für die CDU-Fraktion das Wort.

Lieber Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Unabhängig davon, Frau Öney, dass Sie sich manchmal widersprechen – ich erinnere noch einmal an die Aussagen von Ihnen in der letzten Woche, als Sie ja der Bundeskanzlerin vorgeworfen haben, im Sep tember falsche Signale ausgesendet zu haben –, will ich ein mal auf die tatsächlichen Fakten zu sprechen kommen, wie Integration in Baden-Württemberg stattfindet.

Integration findet in den Kommunen statt. Sie haben einen ho hen Anspruch an Ihr eigenes Regierungshandeln formuliert. Die Wirklichkeit im Vergleich mit anderen Bundesländern sieht aber anders aus.

Herr Ministerpräsident, Sie haben den Kommunen verspro chen, ihnen eine Spitzabrechnung der ihnen entstandenen Kosten zu gewähren. Jetzt fragen wir mit einem Antrag nach, welche Kosten tatsächlich geltend gemacht werden können, doch Ihre eigene Landesregierung kann das nicht beantwor ten.

Die Kommunen müssen doch jetzt für Integration investieren. Die Kommunen müssen wissen, wie viele Sozialarbeiter sie einstellen können. Die Kommunen müssen wissen, welche Kosten für den Wohnraum sie geltend machen können. Die Kommunen müssen jetzt wissen, welche Integrationsmaßnah men vor Ort ergriffen werden. Sowohl die FDP/DVP als auch wir bekommen jedoch die lapidare Antwort: „Wir können nicht sagen, was die Kommunen geltend machen können.“ Entschuldigung, jetzt finden die Haushaltsplanberatungen in den Kommunen statt, jetzt muss investiert werden, damit die Integration der Flüchtlinge in Baden-Württemberg gelingen kann.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Da nützt es uns überhaupt nichts, wenn Sie hier Integrations- und Partizipationsgesetze beschließen,

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Genau!)

von denen Teile sicherlich richtig sind, aber andere Teile un möglich sind. Sie müssen den Menschen vor Ort konkret sa gen, was Sie machen. Sie müssen das den Kommunen und den ehrenamtlich Tätigen sagen.

Sie haben unsere Anträge zum Thema Ehrenamtsförderung bei den Haushaltsplanberatungen komplett abgelehnt. Sie ha ben in der heutigen Debatte kein einziges Wort dazu gesagt, mit welcher Begründung Sie die eigentlich abgelehnt haben.

Schauen Sie einmal in andere Bundesländer. Bayern, über das Sie immer schimpfen, nimmt 500 Millionen € für das Thema Integration in die Hand. Bayern schafft viel mehr Lehrerstel len für Sprachförderung.

(Abg. Peter Hauk CDU: 5 000!)

Bayern hat einen entsprechenden Ausbildungspakt mit der Wirtschaft geschlossen: bis Ende nächsten Jahres 20 000 Plät

ze im Praktikums-, Ausbildungs- und Arbeitsplatzbereich, in den nächsten zwei Jahren 60 000 Plätze.

Was ist hier in Baden-Württemberg passiert? Wo ist der Pakt mit der Wirtschaft? Wo werden Sie da aktiv? Integration muss in den Kommunen gelingen. Sprachförderung, Ausbildungs vermittlung, Arbeitsplatzangebote! Dann gelingt Integration in Baden-Württemberg.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Was machen Sie im Bereich des Wohnungsbaus? Wo kom men die Signale in die Kommunen? Die Städte und Gemein den warten händeringend darauf, dass ihnen gesagt wird: Wer den jetzt die Bundesmittel, die 2 Milliarden €, die in diesem Jahr zur Verfügung gestellt werden, und die 4 Milliarden €, die im nächsten Jahr zur Verfügung gestellt werden, an die Kommunen durchgereicht, oder bleibt Geld an den klebrigen Händen des Finanzministers hängen?

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das hat die CDU ge macht, aber nicht wir! – Zuruf des Ministers Rein hold Gall)

Für die Anschlussunterbringung muss Wohnraum geschaffen werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Herr Schmiedel, Entschuldigung, die Geldmittel werden jetzt zur Verfügung gestellt, und die Kommunen wollen jetzt wis sen, ob sie das Geld bekommen oder nicht.

Was machen Sie im Bereich der Förderung? Wo öffnen Sie die Linien für die Städtebauprogramme und das Entwick lungsprogramm Ländlicher Raum, damit die Kommunen vor Ort entscheiden können?

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Sie machen nichts.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Unsinn!)

Sie verweisen auf hehre Forderungen, aber Sie machen keine konkreten Angebote an die Kommunen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Sie haben den Haushalt abgelehnt!)

Deswegen ist eines deutlich: Wenn Sie sich mit den anderen reichen Bundesländern messen lassen wollen – mit Bayern, mit Hessen, die unglaublich viel in der Integrationsarbeit ma chen –, dann legen Sie endlich los, und senden Sie die richti gen Signale in unser Land. Nur dann kann Integration in Ba den-Württemberg gelingen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich dem Kollegen Lede Abal das Wort.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kol legen! Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich unterstützen, was Kollege Rülke zum Einwanderungsgesetz gesagt hat: Wir brauchen eines, wir brauchen es bald, und wir freuen uns na türlich, dass es endlich Signale aus der CDU gibt, dass man sich dort bewegt.

(Abg. Peter Hauk CDU: Sie müssen sich mal lang sam bewegen!)

Ich möchte auch noch kurz auf den Kollegen Rülke eingehen, was einen anderen Punkt betrifft. Ich bin sogar froh, dass die alte Formulierung im Handbuch korrigiert wurde, weil die Formulierung in der neuen Version korrekter ist. Ob sie jetzt anders ist, ist eine andere Frage. Aber die Formulierung ist korrekter, weil nämlich das Kirchenasyl nicht vom Arbeits kreis gewährt wird, sondern von den Kirchengemeinden, die in Abstimmung vor Ort darüber entscheiden. Insofern ist das, glaube ich, eine wesentlich bessere Formulierung. Wenigstens an diesem Punkt sind wir uns einig.

Herr Wolf, Sie haben vorhin noch ein anderes Thema aufge macht, nämlich das Thema Integrationsführerschein. Ich fin de es schade, dass Sie nicht noch einmal sprechen; denn ich hätte von Ihnen gern ein bisschen mehr dazu gehört. Denn auch da stellt sich mir die Frage, was Sie damit bezwecken wollen, wenn Sie gerade jetzt auf Ihrem Bundesparteitag in Karlsruhe Beschlüsse zu einer verpflichtenden Integrations vereinbarung gefasst haben. Was wollen Sie dann noch mit einem Integrationsführerschein auf Landesebene? Wollen Sie Doppelstrukturen schaffen, oder haben Sie so wenig Vertrau en in Ihre eigenen Parteitagsbeschlüsse, dass Sie glauben, dass die nicht umgesetzt werden?

An dieser Stelle möchte ich auch noch einmal sagen: Diese Integrationsvereinbarungen sind eine Bundesangelegenheit, und wenn Sie bedauern, dass es die noch nicht gibt, sage ich: Wir hatten auch hier im Land Baden-Württemberg Modell versuche, beispielsweise in Freiburg. Es gibt Erkenntnisse da rüber, es gibt auch Kritik daran. Es gab auch eine Auseinan dersetzung darüber, was sie bezweckt haben, ob sie sinnvoll sind. Aber da gibt es auch in der Bewertung unterschiedliche Ergebnisse. Das räume ich gern ein. Aber das ist natürlich auch eines der vielen Versäumnisse des Bundesinnenminis ters, dass er diese Sache einfach über Jahre hinweg hat liegen lassen.

Es ist auch eine Nebelkerze, wenn Sie jetzt hier die Forderung nach Einführung eines Integrationsführerscheins aufwerfen und sagen, das Land oder die Kommunen könnten das regeln. Ich sehe das ganz entschieden anders.

Die Integrationsvereinbarungen sind im Aufenthaltsgesetz des Bundes geregelt, und zwar über das Beratungsangebot, das dort festgeschrieben ist. Die Migrationsberatung für Erwach sene bzw. die Jugendmigrationsdienste des Bundesamts be auftragen die Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege. Das BAMF erstellt die Konzeption und begleitet die Beratung. Im Rahmen dieser Migrationsberatung kann eine Integrati onsvereinbarung geschlossen werden. Deshalb wäre es auch konsequent, wenn das Bundesamt entsprechende Beratungs kapazitäten zur Verfügung stellen würde, wenn das Bundes amt diese Arbeit dann auch übernehmen würde und sie mit ei

nem anderen Bundesamt abstimmen würde, nämlich der Agen tur für Arbeit. So viel dazu.

Kollege Lasotta hat noch einige Punkte angesprochen, zum einen die Spitzabrechnung. Die Spitzabrechnung gibt es, und sie lässt sich im Vorhinein – –

(Abg. Peter Hauk CDU: Bitte wo?)

Sie ist nachlaufend, wie das bei der Spitzabrechnung natür lich logisch ist.