Protokoll der Sitzung vom 27.01.2016

Ich sage es in aller Deutlichkeit, meine Damen und Herren: Es ist offensichtlich so, dass die FDP/DVP die einzige politi sche Kraft im Landtag von Baden-Württemberg ist, die nicht hinter der Flüchtlingspolitik dieser Bundeskanzlerin steht.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Denn diese Kanzlerin macht eine falsche Politik.

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Diese Selfie-Politik der Kanzlerin, die das Signal sendet, alle Flüchtlinge dieser Welt seien in Deutschland willkommen, ist falsch.

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Es ist auch falsch gewesen, dass diese Kanzlerin einseitig die Dublin-III-Verordnung aufgekündigt hat.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Mittlerweile sagen das auch führende Verfassungsrechtler, bei spielsweise Herr Papier oder Herr Di Fabio. Sie sagen, da hät te die Kanzlerin eine Entscheidung des Deutschen Bundes tags gebraucht. Diese Entscheidung des Deutschen Bundes tags hat sie nicht herbeigeführt, und deshalb war es ein Ver fassungsbruch, den die Kanzlerin hier begangen hat.

Ich sage daher in aller Deutlichkeit: Wir werden allein in Ba den-Württemberg das Problem nicht lösen; wir brauchen auf Bundesebene andere Entscheidungen. Wenn es nicht gelingt, mit den Partnerländern europäische Quoten durchzusetzen, müssen wir zum Dublin-III-Abkommen zurückkehren. Dann muss die Kanzlerin das wiederherstellen, was sie im Septem ber 2015 in eigener Machtvollkommenheit aufgekündigt hat.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Im Übrigen wundere ich mich schon sehr über den Verlauf der Debatte: Seit Wochen und Monaten höre ich, wir könnten die deutschen Grenzen nicht schützen. Es ist immer die Rede da von gewesen, man brauche dazu Stacheldraht und Schießbe fehl. Auch der Ministerpräsident hat das behauptet. Jetzt er fahren wir am Wochenende plötzlich von Herrn de Maizière, es würden täglich 100 bis 200 Flüchtlinge zurückgewiesen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Vielleicht gehen die zu rück zu anderen Grenzübergängen!)

In den ersten 14 Tagen des Jahres 2016 seien 2 000 Flüchtlin ge an den Grenzen zurückgewiesen worden. Meine Damen und Herren, kann mir vielleicht jemand erklären, wie es mög lich ist, dass auf der einen Seite behauptet wird, die Grenzen seien nicht zu schützen, und auf der anderen Seite täglich 100 bis 200 Flüchtlinge an der Grenze zurückgewiesen werden? Diese Erklärung würde mich einmal interessieren. Wenn es möglich ist, dies durchzusetzen, dann, meine Damen und Her ren, ist es auch möglich, an unserer Grenze das Dublin-IIIAbkommen wieder durchzusetzen. Das ist unsere Forderung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Richtig ist auch, dass im Land Baden-Württemberg die Re gistrierung besser funktionieren muss. Kollege Wolf hat Zah len genannt, und ich kann noch ergänzen: Es ist die Rede da von, dass 185 000 Flüchtlinge im Jahr 2015 eingereist seien; es gibt aber nur 98 000 Erstanträge. Offensichtlich ist es nicht möglich, zu einer vernünftigen Registrierung zu kommen. Sie

hätten Zeit genug gehabt, daran zu arbeiten, meine Damen und Herren.

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Das machen wir doch! Eine vorbildliche Regelung!)

Ja, Sie machen doch immer alles, Frau Kollegin Sitzmann. Kollege Schmiedel hat erklärt, wie das mit Ludwigsburg und Stuttgart so ist. Hin und wieder kommt auch ein SPD-Frakti onsvorsitzender von Ludwigsburg nach Stuttgart – meist mit dem Auto, auch wenn Feinstaubalarm ist. Da sagt er dann: „Es ist schön, man kommt gut durch.“

(Heiterkeit bei der CDU)

Wenn Sie dann noch falsch parken, Herr Kollege Schmiedel, sind Sie in Sekundenschnelle als Halter des Fahrzeugs zu er mitteln, und dann erfährt man das auch in Ludwigsburg. Aber bei der Registrierung der Flüchtlinge ist es nicht möglich – nach Monaten nicht.

(Zuruf von der SPD: Was? Unsinn!)

Das ist ein Politikversagen, ein Politikchaos, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Dasselbe gilt für die Abschiebung. Das Staatsministerium hat sich in der Auseinandersetzung mit dem Kollegen Wolf um Zahlen gerühmt: Baden-Württemberg hat über 2 000 Flücht linge abgeschoben, fast 2 500 im Jahr 2015, und Bayern 4 500. Meine Damen und Herren, selbst wenn Ihre eigenen Zahlen stimmen, stelle ich fest: Baden-Württemberg schiebt halb so viel ab wie Bayern, Baden-Württemberg ist aber nicht etwa nur halb so groß wie Bayern, sondern größer. Und deshalb ha ben Sie Nachholbedarf.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Was die sicheren Herkunftsländer anbelangt, kann ich nur wie derholen, was ich bereits am 1. Oktober 2015 im Landtag von Baden-Württemberg im Zusammenhang mit sicheren Her kunftsländern in Nordafrika gesagt habe. Ich zitiere:

Algerien 0,3 % Schutzquote, Marokko 1,0 %,... Tunesien 0,2 %... Es ist notwendig, auch hier zu handeln. Weisen Sie weitere sichere Herkunftsländer aus.

Das war am 1. Oktober 2015; passiert ist nichts.

(Zurufe der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE und Claus Schmiedel SPD)

Mittlerweile bewegt sich der Herr Ministerpräsident. Vergan gene Woche auf der Landespressekonferenz ein typischer Kretschmann: „Ich bin nicht dafür und nicht dagegen.“ Wir würden aber erwarten, Herr Ministerpräsident, dass Sie als Regierungschef dieses Landes in dieser Frage eine Haltung einnehmen.

Aber richtig ist natürlich auch, dass sich die Regierungskoa lition in Berlin einigen muss. Die müssen erst einmal einen Vorschlag machen, die müssen sich einigen, die Kanzlerin mit Herrn Gabriel. Dann kann man diesen Vorschlag machen, und dann erwarten wir, dass Grün-Rot in Baden-Württemberg im

Bundesrat zustimmt. Aber alle können sich nicht einigen; das ist das Problem.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege, ich bitte Sie, zum Ende zu kommen.

Sowohl im Bund als auch im Land haben wir Politikversagen auf der ganzen Ebene, und deshalb hat die Landesregierung, aber ebenso auch die Bundeskanzlerin Schuld daran, dass diese Situation eska liert – Politikversagen im Land wie im Bund.

Für die Landesregierung erteile ich das Wort Herrn Innenminister Gall.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Von dem haben wir gar nicht geredet!)

Herr Präsident, werte Kolle ginnen, werte Kollegen! Ich halte es in der Tat für angebracht, dass ich einmal die Antragsteller der heutigen Aktuellen De batte daran erinnere, dass wir – das heißt, Christdemokraten und Sozialdemokraten auf der Bundesebene – uns darüber ei nig gewesen sind – ich hoffe, immer noch sind –, eine gemein same Position festzulegen zum Vorgehen bei der Bewältigung der nun wirklich erheblich gestiegenen Zahl von Flüchtlingen und von Asylbewerbern. Die Zahlen kennen Sie – Sie haben sie mit dieser Großen Anfrage abgefragt –: Vom 1. Januar bis 23. September waren es rund 57 000 Asylbewerber, und vom 24. September bis 6. Dezember, dem Tag, an dem wir die Gro ße Anfrage beantwortet hatten, waren es dann zusätzlich 41 000.

Wir haben miteinander ein Maßnahmenpaket vereinbart. Die ses Maßnahmenpaket war Grundlage für die Besprechungs ergebnisse der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidentin nen und Ministerpräsidenten der Länder, und zwar aller Län der. Das war die Basis dafür, dass es ein Asylverfahrensbe schleunigungsgesetz gegeben hat, verabschiedet am 24. Ok tober, also vor gerade einmal drei Monaten. Drei Monate ist das her.

Was haben Sie gemacht? Sie haben gerade einmal einen Mo nat später eine Große Anfrage gestellt, mit der Sie versucht haben, deutlich zu machen: Was haben die denn innerhalb ei nes Monats gemacht oder nicht gemacht?

(Abg. Volker Schebesta CDU: Genau das wollten wir wissen! – Weitere Zurufe von der CDU, u. a.: Ur laub!)

Im Gegensatz zu Ihnen war ich im Sommer nicht im Urlaub; nur um das einmal deutlich zu machen. – Sie versuchen, je den Zipfel zu finden, wo innerhalb dieses Maßnahmenpakets etwas noch nicht umgesetzt worden ist.

Ich sage Ihnen mit allem Selbstbewusstsein: Sie werden kein anderes Bundesland finden – keines! –, dessen Regierung In halte dieses Maßnahmenpakets oder aus dem, was sich aus dem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz ergeben hat, so schnell und so zügig, so zielführend und so erfolgreich um gesetzt hat wie die Landesregierung von Baden-Württemberg.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Warum haben wir das gemacht? Herr Wolf, Sie haben Zitate – von wem auch immer, auch vom Ministerpräsidenten – u. a. auch aus dem Jahr 2014 gebracht.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Das ist noch nicht so lange her!)

Das mag so sein. Wir dürfen jedenfalls für uns in Anspruch nehmen – das machen wir auch –: Wir stellen uns der Reali tät.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Wir auch!)

Die Realität sieht nun einmal im September, Oktober, Novem ber, Dezember und heute anders aus als im Jahr 2014.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Ja, klar!)