Protokoll der Sitzung vom 27.01.2016

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zurufe)

Meine Damen und Herren, was Sie hier heute als Antrag vor legen, ist ebenfalls Augenwischerei. Der Ministerpräsident hat immer gesagt: Wenn die Bundesregierung – die hierbei die Zuständigkeit hat – Vorschläge für weitere sichere Herkunfts länder vorlegt, dann wird das von unserer Seite sorgfältig ge prüft.

(Zurufe von der CDU)

Wie der Begriff „sichere Herkunftsländer“ schon sagt, muss man prüfen, ob die entsprechenden Länder tatsächlich sicher sind.

(Zuruf von der CDU: Und wie lange braucht man da für?)

Es ist Aufgabe der Bundesregierung, Herr Kollege, einen Vorschlag vorzulegen. Das hat sie aber bislang nicht getan. Stattdessen stellen wir fest: Sie irrlichtern zwischen Julia Klöckner und Horst Seehofer, Herr Wolf,

(Oh-Rufe von der CDU – Heiterkeit bei Abgeordne ten der Grünen)

und tun alles, um einen großen Bogen um die Bundeskanzle rin zu machen.

(Beifall der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Das ist der falsche Weg. Wir finden, dass Bundeskanzlerin An gela Merkel in der Flüchtlingspolitik nach wie vor den rich tigen Kurs fährt. Bekennen Sie sich endlich dazu, wo Sie ei gentlich stehen.

(Anhaltender Beifall bei den Grünen und der SPD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Fraktionsvorsitzendem Schmiedel das Wort.

Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen!

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Wenn ein Land vor großen Herausforderungen steht – die eu ropäische Flüchtlingskrise ist eine solche große Herausforde rung –, dann erwarten die Bürgerinnen und Bürger, dass die jenigen, die regieren, geschlossen und entschlossen handeln.

(Zuruf von der CDU: Genau!)

Herr Kollege Wolf, die CDU ist in diesem Fall Regierungs partei; denn in Berlin wird entschieden,

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es!)

wie mit der Flüchtlingskrise umgegangen wird.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Wir erleben, dass der Bundestagsabgeordnete von Stetten ge meinsam mit 44 anderen Abgeordneten einen Brief an die Bundeskanzlerin schreibt, in dem gefordert wird, dass alles ganz anders gemacht werden müsse. Daraufhin schreibt der CDU-Kreisverband Schwäbisch Hall einen Brief, in dem sich dieser von Herrn von Stetten distanziert. Nun schreibt Herr Seehofer, er wolle sich als Teil der Koalition selbst verklagen, wenn nicht alles ganz anders werde. Und Sie springen auf je de Eintagsfliege von Herrn Seehofer oder von Frau Klöckner – ein Durcheinander, dass es die Haut anregt.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Deshalb stelle ich zunächst einmal fest: Sie sind nicht Teil der Lösung, Sie sind Teil des Problems.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Lachen des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Wir hatten mit dem ersten Asylpaket einen guten gemeinsa men Einstieg, eine gemeinsame Verantwortung der Länderre gierungen und der Bundesregierung, verbunden mit der kla ren Ansage, dass wir auf eine europäische Lösung dieses Pro blems abzielen. Europäische Lösung heißt, dass Europa den Ländern unter die Arme greift, die heute einen Großteil der Flüchtlinge aus Syrien unterbringen. Europäische Lösung heißt, dass es Hotspots an der Außengrenze der EU gibt. Eu ropäische Lösung heißt natürlich auch – das wurde in dem Kompromiss verabredet –, dass jedes Land schaut, dass man mit den angekommenen und den künftig noch ankommenden Flüchtlingen so umgeht, dass sie gut integriert werden.

An diesen drei Punkten halten wir fest; denn es gibt keine Al ternative dazu. Die Alternative, die Sie formulieren, indem Sie Herrn Seehofer bzw. Frau Klöckner beispringen, heißt doch, dass wir versuchen sollen, an den bundesdeutschen Grenzen den Flüchtlingszustrom durch Zonen, durch Zentren, durch Tageskontingente oder durch was auch immer zu regu lieren. Damit würde man jedoch die Axt an einer gemeinsa men politischen Lösung auf europäischer Ebene ansetzen.

Wenn Sie das wollen, dann sollten Sie das klipp und klar sa gen. Wenn Sie das jedoch nicht wollen, dann sollten Sie die Bundesregierung bzw. konkret die Bundeskanzlerin und den Bundesaußenminister unterstützen, die alles daransetzen, die selbstverständlich notwendige Reduzierung der Flüchtlings ströme durch dieses europäische Paket hinzubekommen. Da mit wird nämlich die Ursache des Problems angegangen. Die Strategie muss sein, die Flüchtlinge dort zu unterstützen, wo sie angekommen sind, die Fluchtursachen in Syrien zu besei tigen und die Menschen in Europa zu verteilen und anständig zu integrieren.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Sie sind – das haben Sie gezeigt – momentan etwas im An griffsmodus. Sie bringen aber die Dinge etwas durcheinander.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Lachen bei der CDU)

Die Aufhebung der Residenzpflicht, wie es sie früher gab, be deutet nicht, dass jemand, der sich in der Erstaufnahme oder in der vorläufigen Unterbringung befindet, keinen festen, zu gewiesenen Wohnsitz hat. Er ist nicht frei, seinen Wohnsitz zu wählen. Wenn er jedoch seine Unterkunft in Ludwigsburg hatte, dann konnte er nicht in die Landeshauptstadt Stuttgart, weil er dann die Kreisgrenze überschritten hätte.

(Zurufe von der CDU)

Wo ist denn eigentlich das Problem? Wo ist denn Ihr Problem, wenn jemand mit der S-Bahn von Ludwigsburg nach Stutt gart und wieder zurück fährt?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Worüber wir reden, hat mit der Residenzpflicht gar nichts zu tun. Die Bundesregierung wird dies auch einführen, und dem stimmen wir natürlich zu. Es geht darum, für diejenigen, die ihre Verfahren durchlaufen haben und die dann in die An schlussunterbringung kommen – die haben auch keine Resi denzpflicht gehabt –, eine Wohnsitzauflage zu schaffen, damit wir eine möglichst gleichmäßige Verteilung in unserem Land hinbekommen, um zu vermeiden, dass große Städte überfor dert sind, weil alles in die Ballungsräume strömt. Das ist et was völlig anderes.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Aber selbst dann, wenn jemand eine Wohnsitzauflage hat, kann er natürlich mit der S-Bahn nach Stuttgart und wieder zurück fahren.

Darüber hinaus haben Sie gesagt, Sie würden in der Erstauf nahme ab sofort kein Geld mehr auszahlen. Sie kennen aber doch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Wir sind hier

doch gar nicht frei. Es geht darum, ein Taschengeld auszube zahlen, um die eigenen kulturellen Bedürfnisse zu befriedi gen. Wollen Sie einfach ratzfatz ignorieren, was uns das Bun desverfassungsgericht vorgibt? Das ist doch keine seriöse Po litik. Das ist doch Stammtisch.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Außerdem haben Sie wieder einmal die Stärken der Polizei ins Spiel gebracht. Jetzt will ich Ihnen zum Schluss einmal vorhalten, wie das bei Ihnen war und wie es bei uns ist.

(Der Redner hält ein Schriftstück hoch.)

Das sind die Polizeieinstellungen unter Schwarz-Gelb.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD zu CDU und FDP/ DVP: Hingucken! Lernen!)

Die Kurve verläuft flach. Unter Grün-Rot sehen Sie eine auf steigende Kurve. Außerdem zeigt sich eine steil aufsteigende Kurve bei der Polizeistärke insgesamt von 2011 bis heute. Das heißt, Sie haben Beamte entlassen, wir hingegen haben neue Beamte eingestellt und dadurch die Stärke der Polizei erhöht; und so setzen wir das fort. Das heißt, wir stellen uns der Auf gabe, Sie aber reden nur.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Karl Zimmermann CDU: Sie verwechseln Ur sache und Wirkung!)

Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich Herrn Fraktionsvorsitzendem Dr. Rülke das Wort.

Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Wolf, zunächst darf ich sagen: Meine Fraktion ist dankbar, dass Sie dieses Thema auf die Tagesordnung gesetzt haben. Denn es ist not wendig, das Organisationschaos anzusprechen, das in der Flüchtlingskrise ausgebrochen ist. Für dieses Organisations chaos im Land Baden-Württemberg ist hauptsächlich die grün-rote Landesregierung verantwortlich.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Aber, meine Damen und Herren, es ist auch notwendig, an dieser Stelle über die Verantwortung der Bundesregierung zu sprechen. Ich bin dankbar dafür, dass in dieser Debatte deut lich geworden ist, wie die Parteien im baden-württembergi schen Landtag zur Flüchtlingspolitik der Kanzlerin stehen. Frau Sitzmann hat verdeutlicht, die Landes-CDU steht hinter Frau Merkel – Sie haben es zumindest laut Herrn Strobl ver kündet. Sie selbst haben erklärt, auch die Grünen stehen hin ter Frau Merkel. Der Ministerpräsident lässt keine Gelegen heit aus, die Kanzlerin zu loben, und der Kollege Schmiedel hat erklärt: „Jawohl, wir müssen uns hinter die Kanzlerin stel len, wir als Koalitionspartner SPD tun das.“

Ich sage es in aller Deutlichkeit, meine Damen und Herren: Es ist offensichtlich so, dass die FDP/DVP die einzige politi sche Kraft im Landtag von Baden-Württemberg ist, die nicht hinter der Flüchtlingspolitik dieser Bundeskanzlerin steht.