Protokoll der Sitzung vom 27.01.2016

Aber ich warne gleichzeitig: Wenn Sie jetzt leichtfertig – da rüber wurde vorhin einiges gesagt – und vor allem auch aus populistischen Motiven jeder Schule die Wahlfreiheit zwi schen G 8 und G 9 einräumen wollen, dann werden Sie erle ben, dass es einen erheblichen Zustrom auf die Gymnasien geben wird, der ihnen erheblich zu schaffen machen wird. Gleichzeitig werden Sie den Realschulen, den Gemeinschafts schulen, aber in der Folge auch den beruflichen Schulen die Schülerinnen und Schüler wegnehmen, die diese dringend brauchen, um dort erfolgreich pädagogisch arbeiten zu kön nen.

Deswegen: Überlegen Sie sich gut, ob Sie eine Systematik wollen, in der das Gymnasium die eine Schulart ist und alle anderen quasi – so von Ihnen letztlich dann auch gewollt – der Rest sind. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das kann nicht die Zukunft des baden-württembergischen Bildungssystems sein.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Wenn wir jetzt zu der Frage der Bildungsausgaben kommen – Herr Kollege Schebesta, Sie haben sich ja sehr bemüht, dies gegeneinanderzulegen –, dann sage ich Ihnen eines: Wir alle wissen, wie die damalige Qualitätsoffensive Bildung unter Herrn Mappus als Ministerpräsident zustande kam. Herr Map pus hatte einen erheblichen Druck im Bildungsbereich ver spürt

(Abg. Sascha Binder SPD: Nicht nur da!)

und wollte offensichtlich mit extremer Großzügigkeit den Druck von sich nehmen. Deswegen wurden 3 547 Lehrerstel len geschaffen, die teilweise z. B. zur Senkung des Klassen teilers verwendet wurden. Aber, Herr Kollege Schebesta, zur historischen Wahrheit gehört auch, dass diese Mittel lediglich bis 2012 finanziert waren.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Erblast! Unseriös!)

Wie wollen Sie denn ernst zu nehmend eine Klassenteilersen kung nur befristet finanzieren? Was bedeutet das denn für ei nen Landeshaushalt? Das bedeutet schlicht und einfach, dass Ihnen nach Auslaufen der Finanzierung ein riesiges Loch auf geht. Sie hätten bereits 2013 diese 3 547 Lehrerstellen wieder streichen müssen, wenn Sie haushaltspolitisch solide agiert hätten, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Die weiteren Stellen, die Sie ansprechen, sind von Ihnen mit k.w.-Vermerken versehen worden. Die Zahl von 11 600

Lehrerstellen ist nämlich nicht vom Himmel gefallen. Diese Zahl war keine Idee dieser Landesregierung, sondern sie er gab sich durch eine schlichte Addition der Stellen, die Sie nur befristet finanziert hatten, und der Stellen, die Sie als k.w.Stellen im Haushalt fixiert hatten.

Ich darf einmal die Zahlen vorlesen: Nach 3 500 Stellen im Jahr 2013 hätten nach Ihrer Planung 1 993 Stellen im Jahr 2014, 1 854 Stellen im Jahr 2015 und 1 670 Stellen im Jahr 2016 gestrichen werden sollen. In Summe hätten Sie – Stand heute – bereits gut 7 000 Lehrerstellen gestrichen. Glauben Sie, dass das eine Ausstattung der baden-württembergischen Schul- und Bildungslandschaft ist, wie sie dringend benötigt wird? Ich bin mir sicher: Nein.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Zuruf der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Hören Sie auf, den Menschen da draußen Märchen zu erzäh len. Was das Thema Unterrichtsversorgung angeht, standen wir zu Beginn der Legislaturperiode bei einer Krankheitsver tretungsreserve von 1 266 Deputaten. Wir haben diese um 400 Deputate erhöht. Ich sage hier: Wir müssen da noch weitere Schritte gehen. Aber wir haben bundesweit die letzte Positi on in der vergleichbaren Versorgung bei der Krankheitsver tretung von Ihnen geerbt. Deswegen, liebe Kolleginnen, lie be Kollegen: Das Bild, das Sie hier malen, entsprach nicht der Realität von 2011. Deshalb sage ich: Bleiben Sie bitte bei der Wahrheit, wenn es um diese Fragen geht.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Eines sollte Ihnen eigentlich auch die Scham ins Gesicht trei ben. Ich habe hier eine Kurve über den Unterrichtsausfall an beruflichen Schulen mitgebracht.

(Der Redner hält ein Schaubild hoch.)

An den beruflichen Schulen waren unter Ihrer Regierungszeit lange Jahre Unterrichtsausfälle im Bereich von ca. 10 % zu verzeichnen. Gegen Ende Ihrer Regierungszeit hatte sich die ses Defizit relativ stabil bei etwa 4,5 % Unterrichtsaufall ein gependelt. Wir haben in den letzten drei Jahren Rekordein stellungen zur Stärkung der beruflichen Schulen vorgenom men, meine sehr geehrten Damen und Herren, was bedeutet, dass wir inzwischen bei einem Defizit von 1,8 % sind. Das stellt mich noch nicht zufrieden, solange ein Minus davor steht. Aber dass Sie jetzt behaupten, diese Landesregierung hätte ein Problem mit den beruflichen Schulen, das ist eine schlichte Lüge. Sie haben jahrzehntelang die Gelegenheit ge habt, aber haben die beruflichen Schulen nicht unterstützt, wie es notwendig gewesen wäre, liebe Kolleginnen und liebe Kol legen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Volker Schebesta CDU: Er hat „Lüge“ gesagt! Frau Präsi dentin, lassen Sie das stehen? – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Unglaublich!)

Zuletzt möchte ich darauf hinweisen, dass wir an den Gym nasien in Baden-Württemberg für eine deutliche Verbesserung der Unterrichtsversorgung gesorgt haben.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Hausaufgabenbe treuung gestrichen und vieles andere!)

Die Unterrichtsversorgung an den Gymnasien in Baden-Würt temberg – Herr Kollege Fulst-Blei hat die Erhebung des Phi lologenverbands genannt – kann nur ein Schlaglicht sein, weil der Philologenverband nur von einer kleinen Zahl von Gym nasien eine Rückmeldung bekommen hat. Aber gleichzeitig bin ich doch der Auffassung, dass der Philologenverband kei nen Grund hätte, etwas, was für uns günstig ist, in irgendei ner Weise zu beschönigen.

Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist es so, wie es die Grafik von Herrn Kollegen Fulst-Blei zeigt: Wir haben in den letzten vier Jahren bei der Unterrichtsversorgung dafür gesorgt, dass nur noch gut ein Drittel der Stunden aus fallen, die zu Ihrer Regierungszeit ausgefallen sind, und wir haben dafür gesorgt, dass die Überstundenbugwelle bei den Lehrerinnen und Lehrern sowohl an Gymnasien als auch an Berufsschulen, die von Ihnen jahrelang aufgebaut wurde, nicht weiter aufgebaut wurde, sondern jetzt schon das dritte Jahr in Folge abgebaut wird.

Das bedeutet, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, dass das, was Sie jahrelang als Bildungspolitik verursacht und verant wortet haben, letztlich auf dem Rücken der Lehrerinnen und Lehrer ausgeübt wurde. Deswegen, glaube ich, kann man überhaupt nicht davon sprechen, dass Sie in irgendeiner Form stolz darauf sein könnten, wie Sie mit den Lehrkräften in Ba den-Württemberg umgegangen sind. Wir hingegen wollen ge meinsam mit den Lehrkräften diese riesengroßen Herausfor derungen bewältigen.

Lassen Sie sich dessen versichert sein: Ich bekomme, wenn ich heute vor Ort bin, teilweise auch bei Personalversamm lungen mit mehreren Hundert Lehrkräften, die deutliche Rückmeldung, dass die Lehrerinnen und Lehrer Unterstützung brauchen, dass die Lehrerinnen und Lehrer aber bereit sind, diesen weiten und anstrengenden Weg gemeinsam mit uns zu gehen, weil sie eines in den Mittelpunkt stellen: das Wohl der Kinder und Jugendlichen in Baden-Württemberg.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Für die SPD-Fraktion er teile ich das Wort – –

(Abg. Volker Schebesta CDU: Hallo! Reihenfolge der Fraktionen!)

Entschuldigung.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: In der Aktuellen Debatte sind wir noch dran!)

Die Aktuelle Debatte ist doch von der SPD beantragt worden.

(Zurufe von der CDU – Gegenruf des Abg. Dr. Ste fan Fulst-Blei SPD: Ganz ruhig! Wir sind dran! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Sind die aufgeregt!)

Für den Schlusssatz erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. FulstBlei.

Vielen herzlichen Dank für die Gelegenheit zum Schlusssatz. – Frau Gurr-Hirsch, sehen Sie es mir nach: Eine Sache muss ich Ihnen doch noch mitge ben. Es ist mir gelungen, Herrn Röhm einmal daran festzuna

geln: „Wie sieht das denn jetzt eigentlich aus? Wie wollt ihr das finanzieren?“ Wissen Sie, was seine Antwort war? Das große F-Wort: Finanzierungsvorbehalt! Also: Tun Sie jetzt nicht so, als ob Sie hier jetzt die große Schatulle öffnen woll ten. Wir wissen genau: Sie werden im Grunde wieder da an fangen, wo Sie aufgehört haben, nämlich beim Raubbau am Kultusetat. Wir dagegen haben heute die beste Lehrer-Schü ler-Relation in ganz Deutschland – mit den Gymnasien an der Spitze. Darauf sind wir stolz.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Alexan der Salomon GRÜNE: Sehr gut!)

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Schebesta.

Frau Präsidentin, mit dem Wort „Lüge“ am Redepult ist in diesem Landtag vom Präsidenten stuhl aus schon anders umgegangen worden.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Hel mut Walter Rüeck CDU: So ist es!)

Herr Minister, Sie nehmen das Wort „Lüge“ zu einer politi schen Bewertung in den Mund. Sie sollten sich einfach ein mal überlegen, was Sie da sagen. Es ist eine politische Bewer tung, wenn ich sage: „Die Landesregierung hat für die beruf lichen Schulen nichts übrig.“ Das ist eine politische Bewer tung, die man teilen kann oder auch nicht. Was daran eine Lü ge sein soll, wenn man nicht Ihrer Meinung ist, ist mir schlei erhaft.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

„Lüge“ hat in einer politischen Debatte überhaupt nichts ver loren und bei einer politischen Bewertung schon gar nichts.

Jetzt kommen Sie mir wieder mit diesen Zahlen. Die stimmen. Alles prima?

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

(Zuruf von der SPD: Guter Mann! Alles prima!)

Nein, Sie wissen ganz genau, dass natürlich in Zeiten, in de nen es wirtschaftlich nicht läuft, in denen die beruflichen Bil dungsgänge im Vollzeitbereich deutlich stärker belegt sind, viel mehr Stunden und Deputate notwendig sind, als wenn Teilzeitbildungsgänge stärker ausgeprägt sind.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das ist die Pra xis! – Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter – –

Nein. Ich habe nicht mehr viel Zeit, und es ist viel gesagt worden. Ich bitte auch einfach um Verständnis: Ich setze mich jetzt mit dem Minister, der uns der Lüge bezichtigt hat, auseinander.