Herr Minister, ich möchte vorausschicken: Ich bin für die Energiewende, und ich bin für den Energiemix.
Jetzt habe ich eine Frage an Sie. Die „Ethik-Kommission Si chere Energieversorgung“ hat in ihrer Studie mit dem Titel „Deutschlands Energiewende – Ein Gemeinschaftswerk für die Zukunft“ auf Seite 21 – von 48 Seiten – geschrieben:
Um die Sicherheit der Energieversorgung zu gewährleis ten, muss die gesicherte Leistung die Nachfrage deutlich überschreiten; und zwar bei der höchsten „Last“...
An die Kollegen von Rot und Grün ist also nochmals zu sa gen: Gesicherte Energie ist nicht mit Wirkungsgrad zu ver wechseln. Da waren Sie auf dem absolut falschen Pfad. Stim men Sie darin mit mir überein?
Wenn Sie einen Anteil von 10 % Windenergie in Baden-Würt temberg als langfristiges Ziel erreichen wollten, bräuchten Sie – 4- bis 5-MW-Anlagen sind der neueste Stand; da gebe ich Ihnen recht; aber die stehen in Niedersachsen, in Hamburg und offshore; in Baden-Württemberg sind nur 1,5-, maximal
2-MW-Anlagen effizient; zur Verdeutlichung: die sind 172 m hoch, also höher als das Ulmer Münster –, weil die Leistung, die bereitgestellt werden muss, im Tagesverlauf zwischen 6 500 MW und 10 500 MW schwankt, nicht 1 000, sondern mindestens 5 000 Windräder in Baden-Württemberg.
Stimmt es, dass Sie diese Zahl an Windrädern bräuchten, um eine gesicherte Leistung von 10 % zu erreichen? Stimmt diese Rechnung?
Jetzt will ich das einmal ausführen. Ihre ganze Rechnung ba siert darauf, dass Sie so tun, als würden wir nur auf Windener gie setzen. Das ist doch völliger Quark. In Zukunft geht es da rum, die verschiedenen erneuerbaren Energien in Baden-Würt temberg so miteinander zu kombinieren – möglichst auch mit den fossilen Energien, die wir noch haben, und mit den Gas kraftwerken, die wir hoffentlich in den nächsten Jahren noch bekommen –, dass wir auch in Zukunft eine gesicherte Leis tung haben werden.
Das ist doch das Kunststück, das wir künftig vollbringen müs sen: das Kunststück, die fluktuierende Einspeisung so zu ge stalten, dass rund um die Uhr Versorgungssicherheit gewähr leistet ist.
Das bedeutet unter dem Strich, dass wir von einer Herange hensweise, wie Sie sie noch gelernt haben – wir haben Grund last, Mittellast, Spitzenlast, und dann stehen irgendwo große Kraftwerke herum, und es gibt Netze, die den Strom vertei len –, wegkommen müssen. Wir werden künftig Tausende, Hunderttausende von Anlagen haben. Im Netz der EnBW gibt es heute 108 000 Anlagen für erneuerbare Energien. 108 000 Anlagen! Die Netze sind nicht mehr nur da, um den Strom von Kraftwerken zu den Verbrauchern zu bringen, sondern auch umgekehrt. Daher bringen Sie hier einiges durcheinan der. Es geht darum, dass wir die erneuerbaren Energien ins gesamt so miteinander kombinieren, dass Versorgungssicher heit gewährleistet ist. Dazu zählt auch 10 % Bruttostromer zeugung durch Windenergie.
Herr Minister, wir haben jetzt nur über den Strom geredet. Wir wissen, Energie politik beinhaltet auch Wärmepolitik und Mobilität und um fasst ein viel breiteres Spektrum.
Jetzt sind wir beim Energiemix. Hierzu frage ich: Was geden ken Sie zu tun, um vor allem bei den regenerativen Energie trägern schneller vorwärtszukommen, und zwar dezentral, aber auch nicht dezentral, vor allem auch hinsichtlich der Energiespeicherung? Die Speicherung ist meines Erachtens der Schlüssel, um regenerativen Energien den Durchbruch zu ermöglichen, den wir brauchen. Dazu habe ich die Frage: Wie wollen Sie vor allem auch die Speicherung der Windkraft – ob es sich um die Methanisierung oder Sonstiges handelt – voranbringen? Was tun Sie in diesem Bereich? Wie können wir in diesem Bereich dezentrale Inseln fördern?
Zweiter Punkt: Sind Sie nicht auch der Auffassung, dass man bei der nächsten Novellierung des Energieeinspeisegesetzes – ich fordere Sie auf, dies über den Bundesrat anzumahnen – einen Bonus für diejenigen Verfahren der regenerativen Ener giegewinnung einführen sollte, bei denen die Speicherung im Konzept berücksichtigt wird? Denn ich bin der Auffassung, dass derjenige, der eine Energiespeicherung vornimmt, genau das anstrebt, was wir brauchen. Dieser soll auch einen Bonus gemäß dem EEG haben, wenn er die Speicherung koppelt. Das heißt, dass Windkraft mit Speicherung gekoppelt sein muss, egal, welcher Art. Das gilt auch für Fotovoltaik.
Dritter Punkt: Heute haben wir bereits von einer Goldgräber stimmung gehört. Die Energiegenossenschaften bieten eine urliberale Wirtschaftsmöglichkeit. Wollen und können Sie hier sagen, was die Landesregierung tut, um hier vor allem die Energiegenossenschaften stärker nach vorn zu bringen?
Ich fange mit dem Thema „Speicherungsbonus im EEG“ an. Herr Abg. Dr. Bullinger, uns wäre schon viel ge holfen, wenn die jetzige Bundesregierung und die beiden Fraktionen, die diese tragen, nämlich FDP und CDU/CSU, bei der jetzigen Novelle des EEG nicht durch eine Umlage die Speicherung noch zusätzlich belastet hätten. Da wäre uns schon viel geholfen.
Ich schließe nicht aus, dass man bei zukünftigen Novellen – – Man muss das von der weiteren Strompreisentwicklung an der Strombörse in Leipzig abhängig machen, die tendenziell eher nach unten geht statt nach oben. Damit werden solche Tech nologien eher uninteressanter. Es kann gut sein, dass wir bei weiteren Novellen des EEG über so etwas nachdenken müs sen. Da bin ich durchaus mit Ihnen einer Meinung.
Zweitens zum Thema „Dezentral und Speichern“. Mein Ziel ist ein möglichst hoher Ausbau in Baden-Württemberg. Aber – da hat Herr Kollege Nemeth recht – das wird nicht ausrei chen, um den Wegfall der Kapazitäten im Bereich der Kern energie in Baden-Württemberg vollständig zu ersetzen. Das ist meines Erachtens aber auch nicht tragisch. Denn wir wer den, wie bekannt ist, in den kommenden Jahren einen Off shoreausbau vornehmen. Das ist ein Ziel der Bundesregie rung. Ich unterstütze dieses Ziel. Aber ich finde, alles, was wir hier in Baden-Württemberg tun können, spart uns Transport kapazitäten von Nord nach Süd. Daher sage ich meinem
Freund Stephan Kohler von der Deutschen Energie-Agentur immer: Ob es 4 500 km sind, hängt davon ab, was uns in Ba den-Württemberg und was Bayern gelingt. Dann sieht man letztendlich weiter.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Und so lange macht man nichts?)
Noch eine Bemerkung zur Speicherung: Wir brauchen auch in Baden-Württemberg einen Ausbau von Speicherkapazitä ten. Davon bin ich fest überzeugt.
Ich möchte Ihnen sagen, warum – dabei handelt es sich um ein Argument, das bislang etwas untergeht –: Wenn wir im Jahr 2019 Philippsburg 2 und im Jahr 2022 Neckarwestheim II abschalten, fallen plus/minus 3 000 MW gesicherte Leistung weg. Dann ist natürlich ein Projekt wie das im Südschwarz wald mit einer Speicherkapazität von 1 400 MW eine Mög lichkeit, um die Leistung in dieser Phase wieder sicherzustel len. Dann kommen wir nicht wieder in eine Phase wie in die sem Sommer hinein, als ich mich mit der Bundesnetzagentur in mehreren Runden über die Frage auseinandersetzen muss te: „Atomare Kaltreserve – ja oder nein?“
Es muss einem wirklich klar sein, dass wir zum genannten Zeitpunkt in eine solche Situation laufen würden. Dazu sage ich ganz offen: Ein Projekt, das jetzt angefangen würde und im Jahr 2019 fertiggestellt werden würde, ob in Atdorf oder an einem anderen Standort, ist für uns in dieser Situation in Baden-Württemberg energiewirtschaftlich eine Hilfe. Dies si chert die Energieversorgung an diesem Standort.
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Die Frage nach den Energiegenossenschaften hat er nicht beantwortet!)
Herr Minister, Sie sprachen vorhin vom positiven Wettbewerb zwischen den Kommunen und den Regionalverbänden. Meine Fragen lauten:
Erstens: Für wie realistisch halten Sie es, dass die Kommu nen bis zum 1. September 2012 tatsächlich ihre Flächennut zungspläne fertiggestellt haben?
Zweitens: Wenn sich das Verfahren nach § 35 des Baugesetz buchs richtet, inwieweit kann die dann entstehende Konflikt situation durch den Windenergieerlass gelöst werden?
Drittens: Für welchen Zeitpunkt rechnen Sie mit dem Inkraft treten des Windenergieerlasses oder mit dessen Einbringung hier im Parlament?
Fangen wir mit dem Punkt „Kommunen und Zeitrahmen“ an. Zugegebenermaßen ist der Zeitrahmen na türlich ambitioniert. Aber die Kommunen können selbstver ständlich – dazu haben wir sie schon im Sommer aufgefordert – bereits jetzt mit Aufstellungsbeschlüssen für einen Flächen
nutzungsplan anfangen. Das können sie jetzt machen. Trotz dem ist der Zeitrahmen – das ist mir durchaus bekannt, denn ich bin von meiner Ausbildung her Landschaftsplaner – am bitioniert.