Protokoll der Sitzung vom 13.10.2011

Damit dies auch in Zukunft so bleibt, brauchen wir starke Uni versitätsklinika, Klinika, die über Entscheidungsfreiheit und Handlungsfähigkeit verfügen, Klinika, die sich mit ihrer gan zen Kraft ihren Aufgaben in Forschung, Lehre und Kranken versorgung widmen. Was wir hingegen nicht brauchen, sind Klinika, die entscheidungsschwach sind, die verstrickt sind in

ein schwer zu durchschauendes Geflecht von Zuständigkeiten und Mitwirkungs- und Mitspracherechten von Gremien, die kontrolliert werden von zusätzlichen hybriden Gremien, die Exekutive und Legislative vermischen, die ausgebremst wer den durch eine überbordende Bürokratie.

Um die Leistungsfähigkeit unserer Universitätsklinika für die Zukunft zu sichern, gibt es für die Landesregierung somit nur einen einzigen Weg, nämlich das Gesetz zur Reform der Uni versitätsmedizin, das die vorherige Landesregierung noch im Februar dieses Jahres, also auf den letzten Drücker, verab schiedet hatte, wieder aufzuheben.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Universitätsmedizingesetz der vorherigen Landesregie rung sah vor, dass sich zum 1. Januar 2013 an jedem der vier Standorte das Universitätsklinikum und die Medizinische Fa kultät zu einer einheitlichen Körperschaft für Universitätsme dizin zusammenschließen und diese dann den Universitäten unterstellt wird. Dieses Integrations- und gleichzeitig Unter ordnungsmodell sowie die im Gesetz vorgesehene Einrich tung einer sogenannten Gewährträgerversammlung stießen bereits bei der Anhörung zum damaligen Gesetzentwurf auf massiven Widerstand. Ich bin mir sicher, alle, die damals im Landtag waren, können sich erinnern. So hatten beispielswei se der Verband Deutsche Hochschulmedizin und der Wissen schaftsrat, aber auch zahlreiche weitere Verbände und Exper ten die frühere Landesregierung eindringlich vor einer Verab schiedung dieses Gesetzes gewarnt. Kritisiert wurden vor al lem die Rückführung der Universitätsklinika in die Universi täten und eine enorme Bürokratisierung.

Der Verband der Universitätsklinika hatte darauf hingewie sen, dass nicht nur die Uniklinika, sondern auch die Medizi nischen Fakultäten ein Stück ihrer Eigenständigkeit verlieren würden, die ihnen als Universitätsklinika – im Jahr 1997 un ter Minister von Trotha als bundesweit vorbildlich eingeführt – wieder genommen würde.

Der Generalsekretär des Verbands der Universitätsklinika, Rü diger Strehl, erklärte, dass durch eine enorme Bürokratisie rung und die kurze Anbindung an Universitäten und Politik den Universitätsklinika in Baden-Württemberg enormer Scha den entstünde.

Der Präsident des Medizinischen Fakultätentags teilte in ei ner Pressemitteilung vom Juli dieses Jahres mit, dass das Uni versitätsmedizingesetz ein falsches Zeichen für die gesamte Hochschulmedizin in Deutschland setze.

Deshalb, meine Damen und Herren, war es, glaube ich, nicht zu Unrecht so, dass die baden-württembergischen Universi tätsklinika dieses Gesetz als eine generelle Misstrauenserklä rung gegenüber sämtlichen Universitätsklinika im Land be wertet haben.

Aus diesem Grund legt jetzt die Landesregierung einen Ge setzentwurf vor, der diese falsche Weichenstellung rückgän gig machen soll. Damit lösen wir ein Versprechen, eine Zusa ge ein, die wir schon im Wahlkampf gegeben und auch im Ko alitionsvertrag niedergelegt haben.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Zum Inhalt des Gesetzes: Wir wollen durch den Gesetzent wurf die wesentlichen Bestimmungen des Universitätsmedi zingesetzes wieder aufheben. Dies betrifft vor allem die Vor schriften zum Zusammenschluss der Universitätsklinika und der Medizinischen Fakultäten zu Körperschaften für Univer sitätsmedizin. Die Regelung über die Einrichtung einer Ge währträgerversammlung, der – so war es geplant – sowohl Re gierungsvertreter als auch Landtagsabgeordnete angehören sollten, wird ebenfalls aufgehoben.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Die Gewährträgerversammlung mit ihrer Verbindung von Ex ekutive und Legislative wäre einer Art Oberaufsichtsrat im Land gleichgekommen. Dies hätte zu einer Schwächung der Aufsichtsräte der Universitätsklinika geführt und gleichzeitig notwendige rasche Entscheidungen an den einzelnen Stand orten verzögert, ganz zu schweigen davon, dass diese Konst ruktion auch die parlamentarischen Beteiligungsrechte ge schwächt und nicht gestärkt hätte.

Die Rückabwicklung der wesentlichen Regelungen kann schnell und reibungslos erfolgen; denn bislang wurden noch keine Fakten geschaffen, das heißt insbesondere noch keine Körperschaften für Universitätsmedizin gebildet. Auch von der Einrichtung einer Gewährträgerversammlung wurde im Hinblick auf die bevorstehende Aufhebung der entsprechen den Bestimmung abgesehen.

Ziel des Gesetzes ist also die Wiederherstellung des früheren Rechtszustands in der Universitätsmedizin.

Mit dem Universitätsmedizingesetz vom Februar wurden auch an anderen Stellen Einzelregelungen getroffen, die nicht di rekt mit der Universitätsmedizinreform zusammenhängen. Diese Änderungen werden wir beibehalten. Sie betreffen u. a. das Hochschulzulassungsgesetz, das KIT-Errichtungsgesetz, die Regelungen zur Gleichstellung im Landeshochschulge setz und vorteilhafte Regelungen für die Beschäftigten.

Die Anhörung zu unserem Gesetzentwurf in den vergangenen Wochen hat noch einmal deutlich gezeigt, dass wir mit der Rückabwicklung den richtigen Weg eingeschlagen haben. Die eingegangenen Stellungnahmen – 15 Stellungnahmen sind es gewesen – waren durchweg sehr positiv. Dieses Lob betraf nicht nur die Aufhebung, sondern auch die Beibehaltung be stimmter Einzelregelungen, die wir vorsehen.

Lassen Sie mich deswegen an dieser Stelle nur noch zwei Punkte ausführen:

Erstens: Neu aufgenommen haben wir eine Übergangsbestim mung für schon bestellte Aufsichtsratsmitglieder, wodurch sich die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder übergangsweise er höhen kann.

Wir haben zweitens einen Vorschlag zur Regelung der Kre ditaufnahme bei den Universitätsklinika aufgenommen. Die ses Thema war in früheren Landtagsdebatten schon einmal Gegenstand der Diskussion. Lassen Sie mich deswegen an dieser Stelle ausführen: Mit den hier aufgenommenen Rege lungen zur Kreditaufnahme setzen wir einen sehr vernünfti

gen Rahmen für den verantwortlichen Umgang der Universi tätsklinika mit diesem Thema. Ich darf zitieren:

§ 6 Absatz 4

des Universitätsklinika-Gesetzes –

wird wie folgt gefasst:

„(4) Das Universitätsklinikum darf Kredite ausschließ lich in seiner Eigenschaft als rechtsfähige Anstalt aufneh men. Die Inanspruchnahme von Zuschüssen des Landes für den Schuldendienst ist ausgeschlossen. Vor Aufnahme des Kredits ist hierzu nachzuweisen, dass der Schulden dienst direkt aus der damit finanzierten Investition erwirt schaftet werden kann. Der Nachweis der Rentierlichkeit ist durch eine rechtsaufsichtlich geprüfte Investitionsrech nung zu führen.“

Es folgen noch ein paar weitere Bestimmungen dazu. Ich be lasse es in diesem Zusammenhang bei diesem Zitat. Ich mei ne, dass wir damit eine Regelung schaffen, die den verant wortlichen Umgang mit dem Thema Kreditaufnahme ermög licht.

Die Wiederherstellung des früheren Rechtszustands ist der erste Schritt zur Reform der Universitätsmedizin. In einem darauf folgenden zweiten Schritt wollen wir im engen und in tensiven Dialog mit den Beteiligten die gesetzlichen Grund lagen für die Universitätsklinika fortentwickeln. Dabei soll deren Eigenständigkeit und Handlungsfähigkeit in Koopera tion mit den Universitäten gestärkt werden.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Meine Damen und Her ren, für die Aussprache hat das Präsidium eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Röhm für die Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Die Fakten des Universitätsmedizin gesetzes, das Sie rückabwickeln, sehen anders aus, als Sie, Frau Bauer – ich darf Ihnen auch gern zugestehen, dass ich mit Ihnen gern zusammenarbeite –,

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist ganz neu: Schmeichelei am Anfang!)

dies soeben dargestellt haben. Lassen Sie mich das kurz an fünf Punkten darlegen:

Erstens: Das Gesetz sieht keine Regelungen zur Fachaufsicht vor. Die Aufsicht des MWK wird sogar verringert, da die Me dizinische Fakultät durch Zusammenschluss mit dem Univer sitätsklinikum zur Körperschaft für Universitätsmedizin nicht mehr der Fachaufsicht unterliegt.

Zweitens: Durch die Gewährträgerversammlung erfolgt kein Eingriff in das operative Geschäft der Körperschaft.

Drittens: Das Integrationsmodell macht sehr wohl Sinn, weil eine weitere Ablösung der Universitätsmedizin von der Ge samtuniversität starke negative Folgen für den Exzellenzsta

tus der – dann – „Restuniversität“ befürchten ließe. Entschei dungswege, Frau Bauer, werden nicht verkompliziert oder ver längert. Die Feststellung des Wirtschaftsplans – darin sehe ich einen Vorteil – erfolgt nicht mehr in sieben verschiedenen Gremien. Er wird ausschließlich im Aufsichtsrat beschlossen.

Viertens: Die Kompetenzen des Aufsichtsrats werden durch die Gewährträgerversammlung keinesfalls beschnitten.

Und fünftens: Die Möglichkeit der Übertragung der Bauher reneigenschaft macht die Körperschaft für Universitätsmedi zin als Partner für Dritte natürlich viel attraktiver, weil nur noch ein Verhandlungspartner am Tisch sitzt.

Fazit, meine Damen und Herren: Das Motto der Klinikvertre ter – für deren Sicht ich Verständnis habe – lautet: Landesgeld ja, Landeshaftung natürlich auch ja, Mitspracherecht der Lan desvertreter nein. Es ist für uns ein Missverhältnis, dass wir einerseits für die Verpflichtungen zuständig sind, andererseits aber jegliche Kontrollmöglichkeiten ausgeschlossen sind. Die sen Weg wollen wir nicht mitgehen. Aus diesem Grund wer den wir Ihr Rückabwicklungsgesetz nach der zweiten Lesung ablehnen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das Wort für die Frakti on GRÜNE erteile ich Frau Abg. Häffner.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Sie kennen es sicherlich alle: Manchmal ist es notwendig, einen Schritt zurückzugehen, um voranzukommen und nicht in eine Sackgasse zu gelangen.

Gegen Ende der letzten Legislaturperiode hat die damalige, schwarz-gelbe Landesregierung das sogenannte Universitäts medizingesetz verabschiedet. Universitätsklinika und Medi zinische Fakultäten der Universitäten sollten bis zum 1. Janu ar 2013 zu Körperschaften für Universitätsmedizin fusionie ren. Diese Körperschaften sollten als Teilkörperschaften der jeweiligen Universität wirtschaftlich agieren.

Zugleich sollte eine sogenannte Gewährträgerversammlung eingeführt werden, in der Landtag und Regierung Stimmen gleichheit gehabt hätten – eine scheinbare Pattsituation zwi schen Legislative und Exekutive, die faktisch aber darauf hi nauslief, dass die strategische Planung und die wirtschaftli che Aufsicht über die Körperschaften für Universitätsmedizin bei der Landesregierung liegen würden. Denn bei Stimmen gleichheit würde der Wissenschaftsminister entscheiden. Par lamentarische Kontrolle sieht anders aus.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Statt mehr Effizienz und Leistungsfähigkeit in Lehre, For schung und Klinikbetrieb zu ermöglichen, wäre mit dem Ge setz eine unnötige neue und über Gebühr aufgeblähte Univer sitätsmedizin-Bürokratie entstanden.

Die Wissenschaftsministerin zieht nun zu Recht die Notbrem se. Das Universitätsmedizingesetz wird weitgehend auf den vorherigen Status zurückgeführt – nicht, um dort stehen zu bleiben, sondern um den Weg dafür frei zu machen, unter en ger Einbeziehung der Klinika und der Universitäten, der So

zialverbände und der Gewerkschaften eine insgesamt akzep tierte Form zu finden, in der die überwiegend sehr gute ba den-württembergische Universitätsmedizin in Zukunft statt finden kann.

Der schwarz-gelbe Weg war eine Sackgasse. Das bestätigen auch die durchgehend sehr positiven Stellungnahmen, die nun im Anhörungsverfahren zum Rückabwicklungsgesetz abge geben wurden. Im Gegensatz dazu hat die schwarz-gelbe Re gierung die Einwände der Betroffenen zu ihrem Gesetzent wurf nicht ernst genommen.