Kommen wir zum Bereich der Bildungspolitik. Künftig sollen 300 Pädagogische Assistenten fest angestellt werden. Daneben heben Sie die Ausgaben für die Krankheitsvertretungen an und verzichten komplett auf die demografische Rendite von 3 300 frei werdenden Lehrerstellen. Jetzt könnte man meinen, im In teresse der Qualitätssteigerung an unseren Schulen sei das in Ordnung – das muss man ja sagen. Ich persönlich meine, die Qualität ist in Ordnung, sie kann weiter gesteigert werden. Aber ein Stück weit werden Sie in den nächsten Jahren letztendlich auch den Personalbereich an den Schulen angehen müssen, da mit die demografische Rendite, die ja vorhanden ist, zumindest in Teilen zur Konsolidierung genutzt werden kann.
Bewährte Programme der unionsgeführten Regierung wie „Singen – Bewegen – Sprechen“ stellen Sie ein. Das führt vor Ort mittlerweile zu fassungslosem Entsetzen der Betroffenen. Vor allem den Kooperationsgedanken, der dahintersteckt, nämlich die Kooperation zwischen Vereinen, Musikschulen, Schulen und Kindergärten, zerschlagen Sie vollständig.
Meine Damen und Herren, die Bildungshäuser, die zu einer Verzahnung zwischen Schule und Kindergarten führen und damit auch als Ressourcen für die frühkindliche Bildung ge nutzt werden können – Ressourcen, die aus der demografi schen Rendite bei den Grundschulen frei werden –, führen Sie nicht weiter; sie werden ebenfalls der Zerschlagung preisge geben. Stattdessen gibt es neues Personal für die Kommunen im Bereich der Kindergärten,
was dann letztendlich auch, wenn Sie Orientierungspläne für verbindlich erklären – das ist ja Ihre Absicht –, zu strukturel len Mehrausgaben führen wird.
Zu den Privatschulen in Baden-Württemberg – Sie behandeln sie stiefmütterlich – haben Sie angekündigt – ich kann mich an die Veranstaltung in der Liederhalle noch gut erinnern –, die Zuschüsse auf 80 % der Kosten eines Schülers an einer staatlichen Schule anzuheben. Übrig geblieben ist noch nicht einmal ein Almosen. Meine Damen und Herren, wir werden mehr Privatschulen brauchen, denn dort, wo es Privatschulen gibt, werden die Eltern aus den öffentlichen Schulen flüchten,
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Genau! So ist es! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Auch die se Kirche wird im Dorf bleiben!)
In Wahrheit ist es doch so: Obwohl Sie die demografische Rendite in keiner Weise angreifen, war die Unterrichtsversor gung noch nie so schlecht, wie sie derzeit ist.
Hören Sie sich doch einmal an, wie derzeit die Arbeitsbelas tung der Lehrerinnen und Lehrer ist. Hören Sie diese an, und sprechen Sie nicht nur über sie, sondern sprechen Sie endlich mit den Betroffenen.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Helen Heberer SPD: Das haben Sie 50 Jahre lang nicht gemacht!)
Das ist ein Teil der Wahrheit, weil Sie dadurch ein paar Stel len für die Gemeinschaftsschule, für die Einheitsschule, für Gleichmacherei bunkern – konzept- und orientierungslos! Wo hat denn die Kultusministerin die Konzeption für die Gemein schaftsschulen? Warum stellen Sie sich, Frau Kultusministe rin, nicht einem öffentlichen Faktencheck? Sie machen we gen jedes Kinkerlitzchens – Rheinbrücke und dergleichen mehr – Faktenchecks vor Ort, aber nicht für eine der wich tigsten Baustellen Ihrer Regierung.
Auf einen entsprechenden Brief an den Ministerpräsidenten erging bis heute keine Antwort. Warum? Weil es keine Argu mente für diese Schule gibt, weil die Einheitsschule eben nicht die Argumente für sich hat, die Sie immer wieder ideologisch vor sich hertragen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Ankündigung und Wirklichkeit, Nachhaltigkeit: Bei der Familienhilfe wird um 17 Millionen € gekürzt. Das Landeserziehungsgeld wird um 14 Millionen € gekürzt. So sieht bei Ihnen soziale Gerechtig keit aus. Es sind nun wirklich nicht die Wohlhabenden im Land, die an diesen Mitteln partizipieren.
Für den Bereich der Infrastruktur ist außer ein paar Euro mehr für die Landeswohnraumförderung überhaupt nichts im Haus halt vorgesehen. So viel zum Thema Wirtschaftspolitik. An sonsten ist, was wirtschaftspolitische Maßnahmen angeht, Herr Finanz- und Wirtschaftsminister, absolut Fehlanzeige zu vermelden.
Wirtschaftspolitik besteht zum Teil aus Infrastruktur. Die SPD hatte in einer Aktion „Holterdiepolter“ groß angekündigt: „Wir werden die Investitionen im Straßenbau verstetigen.“ Der Ansatz im Urhaushalt lag in der Tat unter 100 Millionen €. Der Ansatz im Nachtragshaushalt, der noch unter der Regie rungskoalition von CDU und FDP/DVP im Februar dieses Jahres verabschiedet wurde, lag bei 105 Millionen €.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Tatsache ist, dass Sie nicht verstetigen, sondern faktisch kürzen. Denn das, was im Zuge des Konjunkturprogramms vorgesehen war, nämlich eine Rückzahlung, eine Rückführung, kompensieren Sie nicht. Damit steht tatsächlich weniger Geld für den Landesstraßen bau zur Verfügung als vorher.
Das nenne ich Ankündigung und Wirklichkeit. Wo bleiben Ih re wirtschaftspolitischen und infrastrukturellen Impulse?
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben im Nach tragshaushalt eine Investitionsrücklage gebildet, weil angeb lich alles so schwierig und so marode sei, weil man an den Gebäuden unbedingt etwas machen müsse,
(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Ja, so ist es! – Abg. Charlotte Schneidewind-Hartnagel GRÜNE: Rich tig!)
Schauen wir uns einmal an, was Sie gemacht haben. Im Haus halt 2012 wollen Sie aus der Sanierungsrücklage – so weit war der Finanzausschuss immerhin damit befasst; man muss sa gen: immerhin – 144 Millionen € entnehmen: für Maßnahmen zum Hochwasserschutz 15 Millionen €, für die Sanierung von landeseigenen Gebäuden 50 Millionen €, für die Erhaltung der Landesstraßen 50 Millionen € – abzüglich der 23 Millio nen € für die Refinanzierung – und für Sanierungsmaßnah men im Bereich Verkehr und Schiene 29 Millionen €. So viel dazu.
Für den Rest von 264 Millionen € bleibt die Sanierungsrück lage, wie Sie sie nennen, dem Zugriff des Landtags und des Haushaltsgesetzgebers entzogen.
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Stellen Sie doch Anträ ge! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Schat tenhaushalt!)
Meine Damen und Herren, ich erwarte von Ihnen, der Frakti on GRÜNE und der Fraktion der SPD, dass Sie auch einem Antrag von uns zustimmen,
dass diese Rücklage nicht am Landtag vorbei in irgendwelche grün-roten Projekte nach Gusto des Finanzministers investiert wird.
Meine Damen und Herren, ich will gar nicht davon reden, dass die Investitionsrücklage den Grundsätzen der Wirtschaftlich keit und der Sparsamkeit zuwiderläuft. Denn die Landeshaus haltsordnung sieht eindeutig vor, dass eine Wirtschaftlich keitsuntersuchung durchgeführt werden muss, durch die nach zuweisen ist, dass die Rücklage wirtschaftlicher ist als die Ver meidung einer Neuverschuldung oder die Rückführung be reits bestehender Schulden. Sie haben nicht nur dies versäumt, sondern haben auch schon heute mehr Zinsen auf Pump, wenn man so will, aufgenommen, als mit der Rücklage an Zinsen aufgelaufen ist.
Mit dem Haushaltsentwurf 2012 schaffen Sie zusätzliche struk turelle Belastungen in der Größenordnung von über 500 Mil lionen € – über 500 Millionen €, eine halbe Milliarde Euro mehr! Da sind die Einnahmen aus der Erhöhung des Grund erwerbsteuersatzes bereits abgezogen. Auch unter Berücksich tigung des Zugangs von Einnahmen verbleiben eine halbe Milliarde Euro an strukturellen Mehrausgaben. Die Einspa rungen, die Sie vorgestellt haben, gehen ausschließlich zulas ten der Beamtinnen und Beamten – von niemandem sonst –, die sich nicht wehren können.
Die Haushaltsrede des Finanzministers war also nicht der an gekündigte Dreiklang aus Konsolidieren, Investieren und Sa nieren, sondern der Vortrag eines Wunschzettels, auf dem von allem etwas steht. Tatsache war: Es wurde kein Weg zur Kon solidierung des Haushalts aufgezeigt. Noch nicht einmal im Blick auf das von Ihnen hinausgeschobene Ziel 2020 haben Sie irgendeinen Beitrag geleistet, der hätte zeigen können, wie auf dem Weg bis zum Jahr 2020 – nach dem Motto: nächste Legislaturperiode – überhaupt ein Fortschritt hinsichtlich der Konsolidierung erzielt werden soll.
Deshalb schieben Sie die Konsolidierung hinaus. Sie haben strukturelle Mehrausgaben beschlossen. Sie haben einen wei teren Schattenhaushalt angelegt. Von Handlungsfähigkeit und finanzpolitischem Weitblick war jedenfalls nur in der Presse mitteilung zu lesen. Ich kann nur zu dem Ergebnis kommen: Unser Land Baden-Württemberg befindet sich auf einer fi nanzpolitischen Schussfahrt in Richtung Abgrund.