Das wäre, Herr Wirtschaftsminister, angewandte Wirtschafts politik in einer sozialen Marktwirtschaft. Doch diesen The men stellt sich die Landesregierung derzeit eigentlich gar nicht; jedenfalls ist davon nichts zu hören.
Seit Tagen wird im Internet über „Miet-Jobber“ – ich glaube, so nennt es der „Spiegel“ – bei IBM gesprochen. Seit Tagen wird darüber diskutiert, dass ein amerikanischer Großkonzern, der in Baden-Württemberg ansässig ist, ein ganz neues Job konzept einführen will, die moderne Art des Industrieproleta riats, indem einfach alle Arbeiten weitestgehend outgesourct werden, wobei das Thema Arbeitssicherheit überhaupt keine Rolle spielt und auch Fragen der sozialen Sicherheit keine Rolle mehr spielen. Was ist die Antwort der Landesregierung?
Hierzu gibt es überhaupt keine Antwort, weder von der Sozi alministerin noch vom Wirtschaftsminister, noch vom Minis terpräsidenten. Meine Damen und Herren, diese von den Ame rikanern mit angestoßene Entwicklung bedeutet eine neue Qualität der Veränderung unserer Arbeitswelt, die nur den ab soluten Wettbewerb, den gnadenlosen Wettbewerb, und die absolute Marktwirtschaft, aber nicht die soziale Marktwirt schaft kennt.
Deshalb sage ich ganz klar: Zu dem Thema „Neue Qualität von Werkverträgen“ hätten wir schon eine Antwort erwartet und hätten wir Initiativen erwartet.
Ich glaube, wir sind es unserem Gedankengut einer sozialen Marktwirtschaft schuldig, dass wir einerseits den Wettbewerb befördern, wo immer es geht, andererseits aber die Grenzen des Spielfelds der sozialen Marktwirtschaft, wo es den sozi alen Bereich betrifft, klar ziehen. Das ist der ganz entschei dende Punkt.
Zu dieser Frage hört man von Ihnen überhaupt nichts. Unse re Definition der sozialen Marktwirtschaft heißt noch immer: größtmöglicher Wohlstand für alle Bürgerinnen und Bürger bei bestmöglicher sozialer Absicherung. Wenn Selbstständi ge nur noch zu „Solojobbern mit Werkverträgen“ degradiert werden, dann hat das mit sozialer Absicherung nichts zu tun,
(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Sprecht doch einmal die Werkverträge und die Leiharbeit an! Da habt ihr nie etwas gemacht!)
dann widerspricht das auch unserem demokratischen Grund gefüge einer Solidarität in dieser Gesellschaft. Es darf nicht sein, dass bei Industriekonzernen die Chancen privatisiert und die Risiken auf den Staat abgeladen werden.
Da stelle ich fest: Zu den zentralen Fragen unserer Gesell schaft – es ist gut, dass wir uns vorhin über Rezepte gegen Langzeitarbeitslosigkeit unterhalten haben –
hätte ich mir Antworten von Ihnen erwartet, Herr Minister präsident. Schließlich frönen Sie auch dem Prinzip einer öko logischen sozialen Marktwirtschaft, wenn ich mich noch rich tig an frühere Aussagen erinnere.
(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Der Wirtschaftsmi nister ist doch anwesend! Ich weiß gar nicht, was Sie haben! – Gegenruf des Abg. Volker Schebesta CDU: Körperlich, Frau Sitzmann!)
Auf neue Herausforderungen der Globalisierung geben Sie keine Antworten. Sie machen nicht einmal Anstrengungen hierzu.
Stattdessen kapriziert sich der Wirtschaftsminister auf seine Residenz und führt erst einmal das Ministerium zusammen. Das Ministerium ist ihm wichtig. Über den Landtag wird gar nicht geredet, der hat wohl seines Erachtens gar nichts mehr zu melden.
(Lachen bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das hebt das Selbstwertgefühl!)
Der Souverän wird zunächst einmal ausgeblendet und soll sich dann dem fügen, was die Landesregierung am Ende will,
mit der Absicht, dass eine Art Nebenregierung neben der Vil la Reitzenstein noch ergänzend installiert wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte mich gern noch einem zweiten Hauptthema widmen, dem Thema des sogenannten Gehörtwerdens – ich würde einfach sagen: des Hörens. Herr Ministerpräsident, hören Sie doch einfach einmal zu. Hören Sie doch, was die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes am 27. November 2011 entschieden haben,
nämlich das Ja zum Bau von Stuttgart 21. Hören Sie doch ein fach. Ignorieren Sie nicht, und behindern Sie nicht. Blasen Sie keine Polizeieinsätze ab, wie sie bereits für den vergangenen Montag geplant waren. Das ist ganz einfach.
Ich kann Ihnen nur raten: Hören Sie einfach hin, behindern Sie nicht. Alles andere bleiben sonst die Sprechblasen eines Demokraten, als der Sie sich letztendlich immer gerieren. Wir wollen aber keine Sprechblasen. Wir wollen gerade bei die sem Projekt aktive Unterstützung. Denn das ist der Wille des Volkes.
Meine Damen und Herren, ich kann Sie auch bei einem wei teren Projekt, das Sie gerade beginnen, nur ermuntern: Hören Sie auf die Bürger, hören Sie auf die Kommunen, hören Sie auf die Landkreise in Fragen der Polizeireform.
Was dort in kleinen Direktionen in ländlichen Gebieten pas siert: Ein Viertel der Vollzugsbeamten gehen aus der Fläche heraus. Da kann man doch nicht von einer Stärkung der Flä che sprechen.