Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Schmiedel hat diesen Tagesordnungspunkt zum Punkt der Abrechnung er klärt.
Wenn es um den Haushalt des Ministerpräsidenten geht, ist es auch angemessen, sich mit dem Ministerpräsidenten als dem Regierungschef auseinanderzusetzen.
Ich will allerdings schon so viel zu Ihrer Rede sagen, Herr Kollege Schmiedel: Ich finde, es ist ein bemerkenswerter Bei trag zur sozialdemokratischen Dialektik, wenn man hier er klärt, die Staus auf den Straßen in Baden-Württemberg seien die Staus der damaligen Landesregierung,
während vorhin die Sozialministerin hier erklärt hat, die nied rige Arbeitslosigkeit sei auf die grün-rote Politik zurückzu führen.
Aber jetzt zum Ministerpräsidenten, der vor knapp einem Jahr seine Regierungserklärung abgegeben hat und seinem Amts vorgänger vorgeworfen hat, dieser habe damals eine Regie rungserklärung der wohlklingenden Allgemeinplätze abgege ben. Das haben auch Sie, Herr Kretschmann. Sie haben aller dings schon damals von den Mühen der Ebene gesprochen. Diese Mühen der Ebene werden mittlerweile in heftigster Wei se deutlich.
Sie haben dies, wie ein Zitat belegt, selbst einmal geschildert. Sie hatten vor der Landtagswahl versprochen, es werde im Fall, dass Sie die Regierung übernehmen, keine Landesmittel für Stuttgart 21 geben. Der „taz“ haben Sie am 23. Septem ber 2011 erklärt – ich zitiere –:
Das war das einzige Mal, dass ich das Maul... zu voll ge nommen habe. Deshalb habe ich hier auch ein Glaubwür digkeitsproblem.
Jetzt wollen wir einmal einen nüchternen Blick auf die Frage werfen, ob Sie nur an dieser Stelle den Mund zu voll genom men haben und ob Sie auch nur an dieser Stelle ein Glaub würdigkeitsproblem haben.
Nehmen wir das Thema Stuttgart 21. Beim Neujahrsempfang der Landesregierung hatten Sie ein Treffen mit einigen Pro jektgegnern, aus deren Reihen Sie mit Schuhen beworfen wur den. Anschließend haben Sie im Neuen Schloss erklärt, die jenigen, die sich einmischen, seien Ihnen lieber als diejeni gen, die überhaupt nichts tun. Das hat eine gewisse Logik. Denn wenn man an über 100 Montagen die Leute vor den Bahnhof treibt,
Als Sie noch in der Opposition waren, haben Sie einen Unter suchungsausschuss eingesetzt, der zum Ziel hatte, zu klären, ob es aus dem früheren Staatsministerium heraus Einfluss auf das Handeln der Polizei gegeben hat.
Später haben Sie selbst quasi unterstützend geschrieben – ich darf aus dem Schreiben Ihres Staatssekretärs vom 2. Februar dieses Jahres an Herrn Dr. Kefer zitieren –:
Die Polizei des Landes Baden-Württemberg plant die Ein satzmaßnahmen generell eigenverantwortlich und ohne Einflussnahme politischer Entscheidungsträger.
Doch einen Tag vorher gab es eine E-Mail des Ministerialdi rektors des Innenministeriums an die Bahn, in der steht – ich zitiere –:
Sofern in den... Eilverfahren vor dem VGH der Weg für den Beginn der Baumaßnahmen frei gemacht sein wird..., werden wir auch politisch grünes Licht bekommen und... Planungen für einen... Polizeieinsatz aufnehmen.
Angesichts dessen ist auch ohne Untersuchungsausschuss klar: Mit dem grünen Licht ist das Staatsministerium gemeint.
Genau das haben Sie vor. Sie haben vor, aus dem Staatsmi nisterium heraus die Polizeieinsätze zu planen.
Daraus, Herr Ministerpräsident, dass Sie vor und nach dem Volksentscheid vollmundig angekündigt haben: „Wir beugen uns dem Willen der Bevölkerung; das, was die Bevölkerung entschieden hat, setzen wir um“, dann aber hinten herum aus dem Staatsministerium auf die Polizei einwirken, wird deut lich, dass Sie auch hier den Mund zu voll genommen haben und dass Sie eben auch bei Stuttgart 21 ein Glaubwürdigkeits problem haben, Herr Ministerpräsident.
Nehmen wir den Haushalt – Kollege Hauk hat es schon ge schildert –: Es ist der aufgeblähteste Haushalt aller Zeiten. Er umfasst 38,9 Milliarden € und sieht Rekordausgaben vor.
(Abg. Volker Schebesta CDU: So ist es! – Abg. Win fried Mack CDU: Interessiert die Grünen die Debat te nicht?)
weil man es nämlich trotz gewaltiger Steuereinnahmen nicht schafft, den Haushalt strukturell in Ordnung zu bringen, nichts für den Schuldenabbau tut, wie es die CDU-Fraktion vorge schlagen hat, und nichts für die Pensionsrücklagen tut, wie wir es vorgeschlagen haben. Meine Damen und Herren, wir haben die höchsten Steuereinnahmen aller Zeiten: 26,7 Mil liarden € waren es in dem guten Jahr 2008, und 29 Milliar den € sind es im Jahr 2012 – netto, Länderfinanzausgleich usw. schon abgezogen –, und trotzdem müssen Sie noch den Grunderwerbsteuersatz erhöhen.
Wenn wir dann vorschlagen, Herr Ministerpräsident, das auf zugreifen, was Sie zu Oppositionszeiten immer gefordert ha ben – zu Oppositionszeiten haben Sie immer gefordert, die in der Landeshaushaltsordnung enthaltene Regelung zur Schul denbegrenzung müsse in die Verfassung, die Schuldenbrem se müsse in die Verfassung –, wenn wir dafür eintreten, das, was Sie zu Oppositionszeiten immer vorgeschlagen haben, dann in derart guten Zeiten wie jetzt im Interesse des Haus halts, der strukturellen Sanierung des Haushalts, umzusetzen, lehnen Sie es ab, meine Damen und Herren. Ist das glaubwür dig, oder haben Sie auch hier ein Glaubwürdigkeitsdefizit?
Dasselbe gilt für das Thema Länderfinanzausgleich. Da ha ben Sie erklärt – Kollege Hauk hat es angesprochen –, Sie führten da Kamingespräche in guter Atmosphäre, Sie würden uns demnächst über Ergebnisse informieren. Dann hören wir aber vom Berliner Finanzsenator Nußbaum, eine Änderung komme bis 2019 gar nicht infrage. Frau Kraft aus NordrheinWestfalen droht – es ist schon bemerkenswert, dass Frau Kraft droht; sie hat nichts zu drohen,
(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sie hat nicht einmal eine Mehrheit! – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Sie nimmt Geld auf, um Zinsen zu zahlen!)
aber sie droht trotzdem –, im Falle einer Klage gegen den Län derfinanzausgleich komme alles auf den Tisch. Dann erklären Sie, Herr Ministerpräsident: „Wir verschieben das um drei Jahre; in drei Jahren bekommen wir vielleicht Ergebnisse.“ Wahrscheinlich haben Sie diese Jahreszahl 2015, diese drei Jahre ab jetzt, in die Diskussion gebracht, weil Sie davon aus gehen, dass Ihre Regierung Baden-Württemberg bis dahin zum Nehmerland heruntergewirtschaftet hat. Dann braucht man nämlich diese Diskussion gar nicht mehr.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es!)
Dann wird immer erklärt, Baden-Württemberg habe jetzt ei ne Bürgerregierung. Insbesondere auf die ehemalige Minis terpräsidentenpartei CDU wird dann eingeprügelt. Da heißt es dann: „Anders als unter der CDU sind wir jetzt eine Bür gerregierung.“ Wenn man hinter die Kulissen blickt, dann ge ben selbst die grünen Parteigänger zu, dass sich das, was als Bürgerregierung begonnen habe, gar nicht von den unterstell ten Praktiken der vorherigen Landesregierung unterscheide.
Nehmen wir nur einmal die Frage der Versorgung von Partei gängern. Auf der einen Seite wird bei den Beamten, bei den Indianern gespart, damit bei den Häuptlingen draufgelegt wer den kann. Der ehemalige Kollege und heutige Stuttgarter Bür
germeister und verhinderte OB-Kandidat Wölfle teilt mit – zwar aus Versehen, aber trotzdem öffentlich; ich zitiere –:
Selbst dieser Franke wird im StaMi untergebracht. Ist mir das peinlich.... Kein Unterschied zu den Schwarzen. Gruß Werner.
Gleichzeitig wird bei den Beamten gespart. Herr Ministerprä sident, auch hier haben Sie ein Glaubwürdigkeitsdefizit. Auch hier haben Sie den Mund zu voll genommen.
Nehmen wir die Wirtschaftspolitik. Sie haben den wunderba ren Begriff „Innovationspeitsche“ erfunden. Die Wirtschaft werde gepeitscht. Der Wirtschaft werde gezeigt, wo es lang geht. Als Kritik entbrannte, haben Sie gemerkt, dass dieser Begriff vielleicht nicht ganz so günstig ist. Am 1. August 2011 erklärten Sie dann – ich zitiere –:
Herr Ministerpräsident, haben Sie wirklich nur bei einer Fra ge den Mund zu voll genommen, oder haben Sie auch bei an deren Fragen ein Glaubwürdigkeitsdefizit? Herr Ministerprä sident, Sie haben auch in der Wirtschaftspolitik ein Glaubwür digkeitsdefizit.
Wer dies anhand des Beispiels Innovationspeitsche noch nicht glaubt, der muss sich weitere Äußerungen anschauen – das spielte heute schon eine Rolle –: Weniger Autos seien natür lich besser als mehr Autos. Beim Automobiltag in Nürtingen haben Sie sich sogar zu der Aussage verstiegen – ich zitiere:
So viel zum Automobilstandort Baden-Württemberg. Das ist grüne Mobilitätsfeindschaft. Das ist grüne Mobilitätsfeind lichkeit, die Sie hier implementieren, Herr Ministerpräsident.