Protokoll der Sitzung vom 15.02.2012

Herr Schwarz wollte mehr Geld für den Straßenbau. Herr Bay er sagte: „Eine Senkung des Klassenteilers ist derzeit nicht fi nanzierbar.“ Künftig ist sie also wohl möglich. Die Frau Kul tusministerin verkündete zahlreiche kostspielige bildungspo litische Projekte. Herr Staatssekretär Walter wollte mehr Geld für die Kunst. Herr Sckerl wollte mehr Geld für die Polizei. Herr Haller wollte mehr Investitionen in den Straßenbau. Frau Altpeter sagte, nach einer Aufbauarbeit im Jahr 2012 komme in den nächsten Jahren eine Phase des Ausbaus und der Ver tiefung – künftig also auch mehr Geld. Herr Renkonen woll te mehr für den öffentlichen Nahverkehr und damit für den Busverkehr im ländlichen Raum.

Alle Redner der Regierungsfraktionen haben mehr Geld ver sprochen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Nicht ein mal Ihre eigenen Reihen sind begeistert!)

Ich könnte die Liste jetzt beliebig fortsetzen. Nur: All die von Ihnen gewünschten zusätzlichen Punkte sind in der mittelfris tigen Finanzplanung nicht enthalten. Das finanzielle Risiko, vor dem wir bei der Polizeireform stehen, die in Bayern in ähnlicher Form 100 Millionen € gekostet hat,

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Falsch!)

ist darin auch nicht enthalten.

Ein Blick in die mittelfristige Finanzplanung zeigt deutlich: Wir haben steigende Einnahmen. Aber Sie haben schon im

nächsten Jahr einen sogenannten haushaltswirtschaftlichen Handlungsbedarf in Höhe von 2,5 Milliarden €, und das dann in jedem Jahr, meine Damen und Herren. Sie haben jetzt struk turelle Maßnahmen getroffen, die den Haushaltsausgleich und die Nullneuverschuldung in künftigen Jahren fast unmöglich machen.

Sie haben in der mittelfristigen Finanzplanung eine Personal kostensteigerung – linear und strukturell – von 1,8 % einge plant. Die Gewerkschaften fordern 6 % mehr Lohn für den öf fentlichen Dienst. Das wird in diesem Umfang sicherlich nicht kommen. Aber ein Prozentpunkt mehr, als Sie geplant haben, würde schon 160 Millionen € an Mehrausgaben bedeuten.

Zum Lehrerbereich steht in der mittelfristigen Finanzplanung, dass die k.w.-Vermerke, also die künftig wegfallenden Stel len, 2014 und 2015 vollzogen werden.

Wenn Sie das nicht tun, fallen im Jahr 2014 45 Millionen € mehr und im Jahr 2015 150 Millionen € mehr an.

In der vergangenen Woche hat die Kultusministerin jedoch das Gegenteil verkündet. Was gilt denn jetzt? Gilt das, was die Kultusministerin hier gesagt hat, oder gelten die Zahlen der mittelfristigen Finanzplanung, die außerordentlich große Lücken aufweist? Das ist eine unseriöse mittelfristige Finanz planung, die Sie hier vorgelegt haben.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Wenn man das alles berücksichtigt, ist klar, warum Sie unse ren Antrag, Schulden in diesem Jahr zurückzuzahlen, ableh nen. Sie brauchen das Geld, um Wünsche zu erfüllen. Sie brauchen die Lizenz, Kredite bis zu einer Größenordnung von 1,5 Milliarden € aus Einnahmeresten der Vorjahre aufzuneh men. Sie wollen mögliche Mehreinnahmen, die aufgrund der Steuerschätzung von Mai und November dieses Jahres für 2012 kommen könnten, nicht zur Rückzahlung von Schulden verwenden. Sie brauchen das Geld, um Ihre übertriebenen und finanzpolitisch unrealistischen Wahlversprechen zu erfüllen. Das ist Ihnen wichtiger als eine solide, nachhaltige und an der Zukunft orientierte Finanzpolitik.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Über den Länderfinanzausgleich haben wir schon in der ver gangenen Woche ausführlich debattiert. Wir hoffen, dass wir eine Änderung des Finanzausgleichs hin zu einem gerechte ren System erreichen. Plötzlich schlägt der Ministerpräsident sogar vor, den Länderfinanzausgleich ganz abzuschaffen. Dass das für das Land Baden-Württemberg zu einer gerechteren Verteilung führen würde, bezweifeln wir.

Ich kann Sie nur auffordern: Verhandeln Sie, und klagen Sie gegebenenfalls, wenn Verhandlungen nicht zum Erfolg füh ren, damit das Geld, das hier im Land erwirtschaftet wird, auch hier im Land bleiben kann.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, es ist dringend notwendig, dass wir jetzt die Chance ergreifen, eine Schuldenbremse in der Landesverfassung festzuschreiben. Sie sprachen von Versäum

nissen in der Vergangenheit. Es gibt ein Versäumnis unserer Regierung, das ich gern eingestehen möchte, nämlich das Ver säumnis, dass wir die Schuldenbremse nicht sofort nach Ab schluss der Föderalismuskommission II in die Landesverfas sung übernommen haben. Das wäre notwendig gewesen.

In Zeiten guter Steuereinnahmen aber, in einer Zeit, in der, wie im Jahr 2011, keine neuen Schulden aufgenommen wor den sind, in einer Zeit, in der, wie im Jahr 2012, keine neuen Ermächtigungen zur Schuldenaufnahme eingegangen werden, ist es richtig und geboten, die Landesverfassung um eine Schuldenbremse zu ergänzen. Denn das Grundgesetz ver pflichtet die Bundesländer ab dem 1. Januar 2011, also seit nunmehr einem Jahr, ihre Haushalte so aufzustellen, dass 2020 die Vorgabe erfüllt wird, im Haushalt grundsätzlich keine Kre dite vorzusehen.

Meine Damen und Herren, zum vorliegenden Entschließungs antrag aller Fraktionen und zu unserem Ergänzungsantrag wird Frau Kollegin Razavi nachher noch Stellung nehmen.

Zusammenfassend kann man zu diesem Haushalt sagen: Die neue Regierung hat den langfristigen Konsolidierungspfad verlassen, den wir eingeschlagen haben.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Oh!)

Der erste sichtbare Erfolg war, dass in den Jahren 2008 und 2009, also vor der Krise, keine neuen Schulden aufgenommen wurden. Sie haben Lasten in die Zukunft verschoben. Sie ha ben 2 Milliarden € Steuereinnahmen netto mehr als im letz ten Jahr und 4 Milliarden € mehr im Vergleich zur vorherigen mittelfristigen Finanzplanung. Sie haben die Mehreinnahmen für alle möglichen Dinge genutzt. Sie haben Sonderopfer der Beamten eingefordert, und Sie haben gleichzeitig die Chance nicht genutzt, Schulden in Höhe von einer Viertelmilliarde Euro zurückzuzahlen.

Sie wollen eine Haushaltsstrukturkommission einsetzen, nach dem Sie im Haushalt 2012 die Grundlage für Mehrausgaben in der Zukunft gelegt haben. Wir sind gespannt, was diese dem Landtag vorlegen wird. Es ist die Aufgabe der Regierung, die im Grundgesetz normierte haushaltspolitische Solidität in Ba den-Württemberg zu wahren.

Meine Damen und Herren, Ihre Aussagen zum Haushalt kann man zusammenfassen mit der Bemerkung: Was gut ist, ist nicht neu. Was Sie uns als neu verkaufen wollen, ist nicht gut.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Haushalte werden – so sagt man gemeinhin – in guten Zeiten ruiniert. Der Haushaltsplan für 2012 legt dazu die Grundlage.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Leider!)

Die mittelfristige Finanzplanung macht dies deutlich; ich ha be es an Fakten dargelegt. Deshalb gilt für uns der Dreiklang: 2012 werden Sie konsolidieren und sanieren. Ab 2013 wer den Sie ruinieren.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU – Wider spruch bei der SPD)

Wir können deshalb diesem Haushalt nicht zustimmen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Für die Fraktion GRÜNE spricht Frau Kollegin Aras.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Lieber Herr Herrmann, eigentlich dach te ich, dass die Zeit der Märchen vorbei ist. Aber heute habe ich begriffen, dass diese Zeit bei Ihnen noch nicht vergangen ist.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Karl Zimmermann CDU: Kollegin, Kollegin! – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Sie sind aus Tausend undeiner Nacht! – Zuruf: Vorbildlich!)

In einem Punkt haben Sie recht, Herr Kollege Herrmann: Ih re Anträge mussten von uns leider fast komplett abgelehnt werden. Ich sage Ihnen auch, warum. Ich hätte mir gern eine andere Vorgehensweise gewünscht.

(Lachen des Abg. Paul Locherer CDU)

Zum ersten Antrag: Sie sagen, Sie seien gegen unsere Maß nahmen, gegen einen Beitrag der Beamten. Gleichzeitig for dern Sie die Einführung des Lebensarbeitszeitkontos mit ei nem Einsparvolumen von 50 Millionen € allein für das Jahr 2012.

Zweiter Antrag: Schuldentilgung. Sie fordern eine Schulden tilgung in Höhe von 250 Millionen €. Sie wollen dafür – das ist die einzige Auskunft von Ihnen dazu – die Auflösung der Sanierungsrücklage. Sie haben noch immer nicht begriffen, dass Vermögenserhalt ebenfalls Schuldenabbau bedeutet. So viel zu diesen Anträgen.

Ein dritter und letzter Grund, weshalb wir Ihre Anträge abge lehnt haben: Sie haben Anträge zur Verbesserung der Finan zierung der Schulen in freier Trägerschaft gestellt. Dabei mussten Sie selbst feststellen, dass die Anträge inhaltlich falsch waren, und mussten die Anträge zurückziehen.

Wir haben einen anderen Stil versprochen, aber wir haben nicht versprochen, dass wir fehlerhaften Anträgen zustimmen. So viel zur Klarheit.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Jetzt komme ich zum eigentlichen Teil meiner Rede: Wir be schließen heute mit der dritten Lesung den ersten grün-roten Haushaltsplan für Baden-Württemberg, den Staatshaushalts plan für 2012, den ich für einen positiven Markstein in der Geschichte dieses Landtags halte

(Abg. Peter Hauk CDU: Aber nur Sie! – Abg. Klaus Herrmann und Abg. Karl Zimmermann CDU: Oje!)

Sie werden mir noch zustimmen –, weil der Stil und die Um setzung sich verändert haben und dieser Haushaltsplan für Wahrheit und Klarheit in der Haushalts- und Finanzpolitik steht.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Besonders durch die Sanierungsrücklage!)

Der neue Kurs der Haushaltspolitik der grün-roten Landesre gierung wird besonders in der Bildungspolitik, in der Ener giepolitik und in der Verkehrspolitik deutlich. Aber auch die

veränderte Grundhaltung dieser Landesregierung beim The ma Finanzföderalismus zeigt einen anderen Weg auf. Es ist ein Weg des politischen Realismus statt einer Politik der gro ßen Sprüche, wie wir sie bei der CDU und der FDP/DVP er lebt haben.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Dr. Diet rich Birk CDU: Und Ihre Sprüche? – Abg. Peter Hauk CDU: Schwacher Beifall!)