Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist viel Richtiges gesagt wor den, dem man sich nur anschließen kann. Das kann man nur unterstreichen. Ich möchte das alles nicht wiederholen, aber ich möchte deutlich machen, dass wir Liberalen nur unterstüt zen können, was die Vorredner zur Bekämpfung des Rechts extremismus gesagt haben.
Hierbei handelt es sich um ein gemeinsames Anliegen. Das ist gar keine Frage. Dabei gibt es immer wieder neue Heraus forderungen, in diesem Fall durch das Internet. Diese Heraus forderung wird durch diesen Antrag thematisiert. Es findet ein Kampf gegen Rechtsextremismus in der konventionellen Ver breitung statt. Er muss aber auch in den neuen Formen der Verbreitung stattfinden. Das muss von uns allen unterstützt werden. Das kann man nicht oft genug unterstreichen und be tonen.
Gott sei Dank passiert auch etwas. Die Stellungnahme gibt die Auskunft, dass dem Rechtsextremismus in vielfältiger Weise entgegengewirkt wird. Kürzlich haben wir im Ständi gen Ausschuss den Bericht der Präsidentin des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg, Frau Bube, be handelt. Diesem Bericht und auch der vorliegenden Stellung nahme der Landesregierung konnten wir entnehmen, dass es Gott sei Dank äußerst erfolgreiche Aussteigerprojekte gibt. Es gibt eine effektive Beratung, mit der man versucht, die Ju gendlichen aus den Fingern der „Rattenfänger“ von der rech ten Seite durch eine gute Beratungsarbeit zu befreien. Außer dem gibt es die Beratungs- und Interventionsgruppe gegen Rechtsextremismus beim Landeskriminalamt, BIG Rex. Da rüber hinaus gibt es die Aufklärungsarbeit des Landesmedi enzentrums.
All diese Aktivitäten zeigen, dass man nicht schläft, sondern diesen Kampf gemeinsam führt. So weit, so klar.
Nun noch eine kleine Anmerkung – dies ist auch eine Antwort auf die Andeutung, die Sie vorhin bezogen auf linke Gruppen gemacht haben –: Das Einzige, was mich an diesem Antrag ein bisschen stört, ist, dass in der Überschrift nicht von der „Bekämpfung von Extremismus im Internet und in sozialen Netzwerken“ die Rede ist. So hätte ich es formuliert.
In letzter Zeit hat sich bei uns die Tendenz gezeigt, dass z. B. die Freunde von grün und links nur nach dem Rechtsextre
mismus fragen. Kürzlich haben die Freunde der CDU nach dem Linksextremismus gefragt, um das Spektrum wiederher zustellen. Meines Erachtens wäre es gut, wenn wir alle mitei nander nach allen Formen des Extremismus fragen würden.
Ich glaube, hier ist der richtige Ort, um bei aller Einigkeit hin sichtlich der Bekämpfung des Rechtsextremismus auch dar über zu reden, dass Sie beispielsweise in Ihrem Koalitions vertrag schreiben – ich zitiere –:
Die Bestrebungen der schwarz-gelben Bundesregierung, erfolgreich arbeitende Präventionsprogramme gegen Rechtsextremismus in allgemeine Programme gegen Ex tremismus umzuwidmen, sind falsch und gefährden deren Erfolg.
Ich frage: Warum eigentlich? Verzeihung, es gibt übrigens ein ganz prominentes Beispiel: Horst Mahler ist in seinem Leben von der äußersten Linken bis zur äußersten Rechten gewan dert. Dabei gibt es durchaus Vergleichbares.
Jegliche Form der Verharmlosung oder Gleichsetzung mit anderen Formen des Extremismus lehnen wir ab.
Das verstehe ich nicht ganz. Ich möchte daran erinnern, dass es noch immer doppelt so viele linke Gewalttaten wie rechte Gewalttaten im Land gibt, wie wir neulich erfahren haben. Um nicht mehr und nicht weniger geht es.
Ich fände es gut, wenn wir zu der Formel zurückkehren wür den, dass wir alle Formen des Extremismus gemeinsam be kämpfen, und zwar unabhängig davon, wie sie verbreitet wer den, ob im Internet oder nicht im Internet.
Herr Präsident, werte Kolle ginnen, werte Kollegen! Der Rechtsextremismus ist – das soll ten wir, glaube ich, bei all diesen Diskussionen auch immer wieder einmal betonen – nicht erst seit Bekanntwerden der Taten des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ im Novem ber des vergangenen Jahres ein überaus ernst zu nehmendes Thema und auch in Baden-Württemberg ein Riesenproblem. Deshalb hat die neu gewählte Landesregierung – Grün-Rot – in ihrem Koalitionsvertrag auch schon entsprechende Ausfüh rungen gemacht, indem sie als einen der Schwerpunkte der Sicherheitspolitik festgelegt hat, dass sie den Kampf gegen den Rechtsextremismus entschlossen betreibt. Dazu gehört neben einem konsequenten und repressiven Vorgehen gegen rechtsextremistische Gruppierungen natürlich auch, dass wir dem Rechtsextremismus durch präventive Maßnahmen den Nährboden zu entziehen versuchen.
Wir stellen fest – leider, muss ich sagen –, dass diese rechts extremistische Szene in der zurückliegenden Zeit auch neue Ansätze ihrer Propagandastrategie verfolgt, was wiederum neue Gegenstrategien unsererseits erfordert. Ein zentraler As pekt ist dabei die Nutzung des Internets. Da bin ich persön lich schon der Meinung – und nicht ganz einig mit einem der Vorredner –: Gerade das Internet bietet tatsächlich die Mög lichkeit, anders aufzutreten, als es beispielsweise in Fußgän gerzonen der Fall ist, nämlich vielfach anonym und ohne die Notwendigkeit, sich direkt zu stellen und sich einer Identifi zierung auszusetzen.
Kollege Mack, Sie haben es gesagt: Gegenwärtig sind im In ternet rund 1 000 Seiten abrufbar, die eindeutig rechtsextre mistischen Beobachtungsobjekten unseres Verfassungsschut zes zugeordnet werden können. Was man aus diesen Statisti ken, die wir durchaus auch haben, leider nicht ablesen kann – zumindest nicht konkret –, ist, wie viele strafbare Handlun gen über diese Internetaktivitäten begangen werden. Dennoch lässt sich als erschreckende Tendenz feststellen, dass diese In ternetseiten mit strafbaren Inhalten überwiegend anonymisiert und vielfach – das haben Sie angesprochen – über ausländi sche Provider bei uns ins Netz gelangen, damit die Betreiber so der Strafverfolgung entgehen können.
Um in diesen Fällen auch an die sogenannten IP-Adressen kommen zu können, muss im Wege des internationalen Rechtshilfeverkehrs mit ausländischen Behörden zusammen gearbeitet werden. Dazu will ich sagen: Das gestaltet sich ge rade in diesem Bereich nicht sehr leicht, manchmal sogar ex trem problematisch. Denn wenn die zugrunde liegende Straf tat nur nach unserem Recht verfolgt werden kann, aber nicht nach dem Recht im Ausland, nach deren Straftatbeständen, dann sind uns da relativ schnell die Hände gebunden. Dann erhalten wir nämlich die entsprechenden von uns gewünsch ten und erforderlichen Auskünfte nicht. Auch hieran scheitert, wie gesagt, manchmal ein Zugriff auf ausländische Serverda ten.
Ein weiteres Problem entsteht durch die zeitliche Abfolge der Vorgänge. Solche Rechtshilfeersuchen dauern nun einmal ei ne Zeit, und wenn ihnen stattgegeben wird, sind häufig keine Zugriffe auf die jeweiligen Urheber mehr möglich. Deshalb unterstreiche ich ausdrücklich: Wir brauchen auch hier die technischen und rechtlichen Mechanismen, um aktiv tätig werden zu können.
Meine Damen und Herren, es stellt sich aber nicht nur die Fra ge, wie diese strafbaren Inhalte sanktioniert werden können, sondern auch die Frage, wie wir überhaupt von der Existenz solcher Straftaten Kenntnis erhalten. Ein wichtiger Aspekt – auch dieser wurde von den Vorrednern schon genannt – ist in der Tat das Anzeigeverhalten der Internetnutzer, die auf sol che Internetseiten und auf solche strafbaren Handlungen sto ßen. Unsere Sicherheitsbehörden unternehmen zahlreiche Be mühungen, das Anzeigeverhalten zu verbessern. So weist un sere Landespolizei z. B. im Rahmen von Präventionsveran staltungen bei jeder sich bietenden Gelegenheit darauf hin – auch ich weise jetzt im Prinzip darauf hin –, dass verdächtige
Die Internetnutzer finden sich da relativ leicht zurecht: „poli zei-bw.de/internetwache“. Im Rahmen der Präventionsveran staltungen „kids-online“, die wir auch machen, wurde und wird frühzeitig auf die Gefahren des Internets hingewiesen, auf die Gefahren des sozialen Mediums Web 2.0. Auch die Strafverfolgung der Inhalte wird über „jugendschutz.net“ im Internet deutlich gemacht. Wir müssen aber zugegebenerma ßen zur Optimierung des Anzeigeverhaltens weitere Maßnah men im Präventionsbereich ergreifen. Das tun wir; sie sind in Planung. Den veränderten Gegebenheiten der Anbieter tragen wir damit Rechnung.
Ein Problem, meine Damen und Herren, ist, dass diese Rechts extremisten das Internet natürlich nicht „nur“ zum Begehen von Straftaten nutzen. Die rechtsextreme Szene nutzt das In ternet hauptsächlich zur Informationsverbreitung, zur Mobi lisierung, für Hinweise auf Konzerte, Veranstaltungen, De monstrationen, aber insgesamt natürlich auch für Propagan dazwecke. Facebook, Blogs, YouTube, Kurznachrichtendiens te wie Twitter und was es da sonst noch alles gibt bieten um fangreiche Möglichkeiten.
Außerdem wird das Internet inzwischen leider sehr intensiv auch zur individuellen Nutzung, zur individuellen Kommuni kation zwischen Anhängern, Sympathisanten, Interessenten der rechten Szene sowie als Plattform für gewerbliche Zwe cke aus diesem Bereich genutzt, z. B. im Bereich des Musik handels der rechten Szene. Um immer neue Anhänger zu ge winnen, wird dort mit Videoclips mit klaren Botschaften, mit emotionalisierender Musik, aber auch mit Identifikationsfigu ren, die es in der rechten Szene gibt, eine gezielte Ansprache unternommen. Die wahre Absicht aber, meine Damen und Herren, wird häufig verschleiert.
Um irgendwie den Anschein der Seriosität zu erwecken, wer den Internetseiten heute entsprechend – man kann fast sagen: intellektuell – aufgearbeitet; beispielsweise wird auf direkte NS-Symbolik verzichtet. Es ist, glaube ich, hinreichend be kannt, dass Jugendliche das Internet als vorrangige und zum Teil auch als ausschließliche Informationsquelle nutzen und deshalb häufig auch auf diesen Seiten landen, wobei selten kritisch reflektiert wird – wie in anderen Bereichen im Übri gen auch; dies gilt nicht nur für den Bereich des Rechtsextre mismus. Darüber, welche Gefahren hieraus entstehen, brau chen wir, glaube ich, hier nicht zu diskutieren; da sind wir uns weitestgehend einig.
Deshalb gilt in der Tat – Herr Kollege Mack und die Vorred ner haben es in ähnlicher Art und Weise dargestellt –, dass wir die präventiven Maßnahmen deutlich verstärken und intensi vieren. Hierzu gab es schon in der Vergangenheit Programme, die wir natürlich fortführen, die wir erweitern, bei denen wir nachsteuern, z. B. „Team meX. Mit Zivilcourage gegen Rechtsextremismus“, ein Projekt, das wirklich gut ist und das wir, wie gesagt, entsprechend fortentwickeln.
Wir leisten Aufklärungsarbeit, wir stellen den Schulen und an deren Bildungseinrichtungen entsprechende Konzepte zur Verfügung. Ich will einfach noch einmal die Zahlen in den Raum stellen, damit wirklich deutlich wird, dass man auf die sem Auge auch in der Vergangenheit nicht blind war: 300 Ver
anstaltungen dieser Art gab es in den Jahren 2009 und 2010. Ich finde, das ist eine richtig gute Zahl, die wir beibehalten und, wenn es irgend geht, noch steigern werden.
Meine Damen und Herren, das Landesmedienzentrum wird beginnend mit dem Jahr 2012 in Baden-Württemberg allen Schulen Workshops zum Thema Rechtsextremismus anbie ten.
Die Zielgruppe sind aber nicht nur Schülerinnen und Schüler, sondern auch Lehrer und – nicht zu vergessen – die Eltern; denn auch sie sollten wissen, was sich im Internet abspielt,
Hierzu stellen wir auf entsprechende Anfrage zertifizierte Re ferentinnen und Referenten zur Verfügung. Mit speziellen Bausteinen, die dieses Konzept beinhaltet, können dann die Zielgruppen Schüler, Lehrer, Eltern entsprechend aufgeklärt werden. Vor allem Jugendliche möchten wir damit natürlich befähigen, sich mit dem, was sie dort zur Kenntnis nehmen, kritisch auseinanderzusetzen.
Sie sehen also, meine Damen und Herren: Wir sind meines Erachtens, auch was diesen Bereich anbelangt, wach, wir sind aufmerksam,
wir sind als Staat, als Sicherheitsbehörden wehrhaft. Aber, meine Damen und Herren, auch das will ich zum Schluss sa gen: Eine wehrhafte Demokratie funktioniert nicht nur des halb, weil die Sicherheitsbehörden entsprechend agieren und reagieren. Eine wehrhafte Demokratie funktioniert dann rich tig gut, wenn möglichst viele hierbei mitmachen.
Wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung des Antrags. Es handelt sich um einen reinen Berichtsantrag, der für erledigt erklärt werden kann. – Sie stimmen dem zu.
Antrag der Fraktion GRÜNE und der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Ministeriums für Arbeit und So zialordnung, Familie, Frauen und Senioren – Armuts- und Reichtumsberichterstattung auch in Baden-Württemberg einführen – Drucksache 15/1070