Allerdings finde ich es gut, Herr Minister – auch das darf ich sagen –, dass Sie sich vor Ort erkundigt haben. Das finde ich hervorragend. Jetzt wäre eigentlich die Koalition gefordert, die Maßnahmen zu ergreifen, die nötig wären, um den vielen
Landwirten in Baden-Württemberg – vor allem denjenigen, die in der Veredelung tätig sind – zu helfen und ihnen Mög lichkeiten aufzuzeigen, wie sie ihre Existenz erhalten können. Das wäre als Thema für eine Aktuelle Debatte in diesem Haus geeignet gewesen, wenn man schon über das Thema Agrar politik – Gott sei Dank steht es einmal an einem Vormittag auf der Tagesordnung – sprechen will.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch das ist richtig: Wir haben am 21. Oktober 2009 eine Anhörung gehabt; da wurden die meisten Punkte, die hier heute vorgetragen wur den – alle im Protokoll nachlesbar –, behandelt. Deshalb möchte ich mich auch auf einige grundsätzliche Aussagen be schränken.
Meine Damen und Herren, wenn ich gerade von der SPD hö re, wie toll sie beim Thema Gentechnik sei, darf ich mit Er laubnis des Präsidenten aus der „Märkischen Oderzeitung“ – Brandenburg – vom 20. September 2011 zitieren:
Die SPD-Fraktion im Landtag will den Weg für Gen-Ex perimente in der brandenburgischen Landwirtschaft eb nen. Ein gemeinsamer Antrag mit der Linken spricht sich gegen die Behinderung von Forschungsarbeiten aus. Auch Freilandversuche sollen möglich sein.
Ich kann nur eines sagen: Da hat die SPD recht, denn man muss in einem Land der freien Forschung auch die entspre chenden Möglichkeiten einräumen. Allerdings ist eines ganz klar: Dies geht nur mit den entsprechenden Sicherheiten, die man dazu braucht.
Meine Damen und Herren, da muss ich sagen – das habe ich auch bei der Diskussion im letzten Jahr gesagt –: Wenn eine Freisetzung erfolgt, dann muss man diese Freisetzung so vor nehmen, dass sie wirklich ungefährlich ist. Da kann ich nicht mit 100, 175 oder 300 m Abstand argumentieren. Das ist na türlich eine falsche Herangehensweise. Die Bienen hören nicht nach 150 m auf zu fliegen; sie mögen den Mais gar nicht, aber wenn sie hungrig sind, dann fliegen sie 3 km und mehr.
Die Forschung auf diesem Gebiet muss man bündeln. Ich bin der Auffassung, in Deutschland muss geforscht werden, muss experimentiert werden, aber nicht jede Universität, nicht jede Fachhochschule und nicht jeder Fachhochschulprofessor müs sen in ihrem Krautgärtle auch noch einen Versuch machen, meine Damen und Herren. Das ist nicht erforderlich.
Ja, bitte, Herr Kol lege. Das geht nach der alten Geschäftsordnung allerdings auf Kosten meiner Redezeit. Beeil dich bitte.
Sie haben sehr präzise beschrie ben, dass Sie die Forschung wollen. Wie konkret sieht die For schung für grüne Gentechnik für Sie in Baden-Württemberg aus? Können Sie sich das vorstellen? Sie haben eben sehr tref fend beschrieben, wie Sie das mit dem Bienenflug einschät zen. Daher hätte ich gern eine konkrete Stellungnahme für oder gegen Forschung für grüne Gentechnik in unserem Land.
Herr Kollege, ich darf Ihnen sagen – ich habe eine gute Fantasie und bin Fach mann –: Ich kann es mir vorstellen. Das ist zunächst meine Antwort. Alles andere ginge von meiner Redezeit weg; das können wir einmal bilateral unter Fachleuten machen.
Meine Damen und Herren, wer gegen Gentechnik ist, muss klar sagen, gegen welche Gentechnik er ist. Das heißt: Gen technik ist ein Segen. Gegen rote, weiße, gelbe und auch die graue wie die blaue Gentechnik – jeder in diesem Haus weiß, was damit gemeint ist – haben wir nichts.
Jetzt geht es um die grüne Gentechnik. Da muss ich klipp und klar sagen: Auch hier wird der Markt entscheiden. Ich würde als Betriebsleiter in Baden-Württemberg – ich rede jetzt nicht von anderen Ländern, wo es vielleicht um Kälteresistenz, um Salzresistenz oder um Trockenresistenz geht, wobei man die Welternährung mit Gentechnik allein mit Sicherheit auch nicht sicherstellen kann – auf sie verzichten, weil der Markt sie nicht will, weil sie nicht nachgefragt wird, weil die rechtli chen Sicherheiten nicht vorhanden sind. Genau das tun unse re Bauern.
Wichtig sind hier vor allem die Kennzeichnungen. Hier sage ich als Verbraucherschützer: Es muss klar, deutlich und ver lässlich gekennzeichnet werden, und zwar so, dass der Ver braucher entscheiden kann: Will ich dieses Produkt, oder will ich es nicht? Auf die Kennzeichnung muss er sich verlassen können. Deshalb müssen wir im Rechtsbereich noch viel bes ser werden.
Das Thema Koexistenz ist ebenfalls angesprochen worden. Meine Damen und Herren, man muss sich vielleicht einmal kundig machen, wie es in der EU mit dem Bundesrecht aus schaut. Da ist es eben so – das habe ich am 27. Februar 2009 im „Staatsanzeiger“ deutlich gesagt –: Die Koexistenz ist ein Grundsatz der Gentechnik-Rechtsvorschriften der EU, und zwar beschlossen in der Zeit unter der rot-grünen Bundesre gierung. Damals hat diese rot-grüne Bundesregierung das in Brüssel nicht verhindert. So ist die Rechtslage. Deshalb soll ten wir, meine Damen und Herren, nicht so tun, als könnten wir alles anders machen.
Was die Erträge betrifft: Auch von den Erträgen her brauchen wir die Gentechnik in Baden-Württemberg nicht. Man hat heute Erträge, die beim Zwei- bis Dreifachen dessen liegen, was wir vor 30 Jahren hatten, und das ist ohne Gentechnik gelungen, nämlich mithilfe einer hervorragenden Züchtung durch unsere mittelständischen Züchter.
Meine Damen und Herren, ich darf zum Schluss kommen: Die unabhängige Forschung mit der grünen Gentechnik ist not wendig. Ein Zeuge, den ich sehr schätze, Dr. Clemens Dir scherl – er ist immerhin EKD-Agrarbeauftragter und unver dächtig, ein Gentechnikfan zu sein –, sagte ganz klar: Wir brauchen diese Gentechnik als Forschung, und wir brauchen auch die andere Gentechnik, die im nicht grünen Bereich.
Deshalb sollten wir sehr genau differenzieren und nicht aus dem Bauch heraus, aus Lust und Laune oder nach dem Ge
fühl, sondern naturwissenschaftlich argumentieren. Denn dann hat das, glaube ich, Sinn. Physik und Chemie können Sie mit Gesetzen nicht politisch ändern.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Da men und Herren! Fast 90 % unserer Bevölkerung wollen kei ne Lebensmittel kaufen, die gentechnisch verändert sind oder gentechnisch veränderte Zutaten beinhalten. Es gibt gute Grün de, dass unsere Bevölkerung dies so einschätzt. Wir teilen die se Einschätzung.
Von gentechnisch veränderten Organismen können Risiken ausgehen, die bis heute nicht erforscht sind. Die gentechnisch veränderten Lebens- und Futtermittel können Risiken für Mensch und Tier bergen. Die Auskreuzung auf Wildpflanzen kann nicht abschätzbare Wirkungen zeigen. Bisher ist auch das Aufkommen von Pflanzenschutzmitteln durch herbizidto lerante GVO-Pflanzen gesteigert worden. Das heißt, durch die Gentechnik wurde der Einsatzbedarf von Chemie erhöht. Im Übrigen wurde der Welthunger durch gentechnisch veränder te Lebensmittel nicht gesenkt, sondern im Gegenteil: Gentech nik ist eine Technologie für die Multis, für die Großkonzerne und behindert eine Landwirtschaft, die weltweit von kleinen und mittelständischen Landwirtinnen und Landwirten geprägt ist.
Die Verbraucherinnen und Verbraucher haben das Nachsehen, wenn beispielsweise beim Schweinefleisch nicht gekennzeich net wird, dass dies von Schweinen kommt, die mit gentech nisch verändertem Soja gefüttert worden sind. Somit ist eine der zentralen Aufgaben für uns, Transparenz für die Verbrau cherinnen und Verbraucher herzustellen.
Die Gesetzgebungskompetenz gerade bei den Regelungen zur Transparenz liegt beim Bund und bei der EU. Das ist genau der Punkt, weshalb diese Debatte außerhalb des Landtags brandaktuell ist: In Brüssel befinden wir uns mitten in der Dis kussion über die Gesetzeslage.
Unser Problem in Deutschland liegt beim Bund: Die Bundes regierung drückt sich seit Jahren, von der EU eine klare Re gelung zu fordern. Wenn wir uns hier im Haus einig sind, bin ich froh. Was wir im Bund erleben, hat der damalige Bundes landwirtschaftsminister Seehofer von der CSU im Jahr 2008 sehr treffend formuliert. Er hat gesagt:
In Bayern... bin ich gegen Gentechnik. In Brandenburg aber... muss man die Frage anders beantworten.
Hier in Baden-Württemberg tun wir, was wir können, damit die Produktion von Lebensmitteln gentechnikfrei bleibt. Das ist eine klare Ansage im Koalitionsvertrag und eine klare Po sition der grün-roten Landesregierung.
Weil die meisten Verbraucherinnen und Verbraucher keine gentechnisch veränderten Lebensmittel wollen, ist eine garan tiert gentechnikfreie Produktion ein Vorteil unserer Landwir te. Dies ist eine Chance für unsere eher kleinen und mittel ständisch geprägten bäuerlichen Betriebe.
Um was geht es jetzt konkret? Was haben wir im Land bereits eingeleitet? Wir haben die gute Situation, dass in Baden-Würt temberg derzeit keine gentechnisch veränderten Organismen angebaut werden. Aber beim Thema Futtermittel und anderen Themen ist ein genaues Hinschauen nötig. Das Land beteiligt sich vor allem hinsichtlich des Maissaatguts an den bundes weit jährlich durchgeführten Saatgutmonitorings, was einen Blick auf gentechnisch veränderte Organismen lenkt. Auch in diesem Jahr haben wir in Baden-Württemberg rund ein Drit tel aller in Deutschland gezogenen Maissaatproben untersucht. Unternehmen aus Baden-Württemberg, in deren Saatgut ent sprechende Spuren vorgefunden werden, müssen ihr Produkt vom Markt nehmen.
Wir haben auch die Lebensmittel im Blick. Die Lebensmittel überwachung untersucht regelmäßig Rohstoffe und Produkte auf gentechnisch veränderte Organismen. Auch hier gilt: Die Produkte, in denen GVO enthalten sind, werden aus den Re galen in Baden-Württemberg entfernt.
Kurz zu dem, was wir in diesem Jahr vorhaben: Wir wollen dem europäischen Netzwerk gentechnikfreier Regionen, also der Charta von Florenz, beitreten. Mit diesem Beitritt wollen wir uns verpflichten, die Landwirtschaft möglichst wirksam vor der Verwendung von GVO-Saatgut zu schützen und auf die EU und die Bundesregierung einzuwirken, damit die gel tenden Verordnungen und Gesetze im Sinne einer gentechnik freien Landwirtschaft überarbeitet werden. Auch ein EU-wei tes Sanktionssystem nach dem Verursacherprinzip muss aus meiner Sicht dazu gelten.
Was wir in Baden-Württemberg angestoßen haben, ist: Wir wollen sicherstellen, dass die Menschen am Produkt erken nen können, wo sie, wenn sie ein gentechnikfreies Produkt wollen, zugreifen können. Es gibt beim Einkauf das Logo „Ohne Gentechnik“, das viele Unternehmen in Baden-Würt temberg bereits aktiv einsetzen, und das sehr erfolgreich. Als Beispiele will ich Firmen nennen, die ich in letzter Zeit be sucht habe: im Nudelbereich ALB-GOLD auf der Schwäbi schen Alb, die Schwäbisch-Hällische Bäuerliche Erzeugerge meinschaft beim Fleisch oder auch die ZG Raiffeisen mit ih rem Raiffeisen Kraftfutterwerk Kehl. Das alles sind erfolgrei che baden-württembergische Betriebe, die deutlich machen: Es gibt einen Markt für zertifizierte Produkte ohne Gentech nik.
Dazu kommt, dass Bioprodukte der gängigen Anbauverbän de ebenfalls garantiert und zertifiziert ohne Gentechnik pro duziert werden.
Wir wollen jedoch dabei nicht stehen bleiben. Wir wollen mit einer Weiterentwicklung des baden-württembergischen Qua
litätszeichens QZBW einen weiteren Schritt einleiten und auch hier das Element „Ohne Gentechnik“ einbeziehen. Das heißt, Erzeuger und Verbraucher sollen wissen, dass Quali tätsproduktion in Baden-Württemberg das Thema „Ohne Gen technik“ mit beinhaltet und dass das Teil des Qualitätsan spruchs in unserem Land ist.
Aus der bisher geltenden Sollvorschrift werden wir eine ver bindliche Regelung machen. Wir wollen GVO in Futtermit teln im Qualitätszeichen ausschließen. Wir sind darüber in in tensiven Gesprächen mit den Nutzern des Qualitätszeichens, um sie mitzunehmen und in den notwendigen Umstellungs prozessen zu stützen.
Weil wir vonseiten des Landes eine Vorbildfunktion haben, werden wir auch in den Landesanstalten auf GVO-freies Fut ter umstellen, weil klar ist, dass wir, das Land, den Qualitäts anspruch auch in den eigenen Einrichtungen umsetzen wol len und müssen.