Protokoll der Sitzung vom 18.04.2012

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Lachen bei der CDU und der FDP/DVP)

Ich weiß nicht, woher Sie Ihre Informationen beziehen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Wir haben schon längst Fortbildungsbausteine für die Lehre rinnen und Lehrer an den Gemeinschaftsschulen. Selbstver ständlich.

(Zuruf: Der Kollege wohnt in Tübingen und bekommt es nicht mit! – Glocke des Präsidenten)

Gestatten Sie eine weitere Nachfra ge des Kollegen Dr. Kern?

Natürlich. Ja.

Warum hat das Ministeri um das auf genau diese Anfrage dann nicht in seine Antwort geschrieben, wenn es so ist?

Im Übrigen, weil gerade von Tübingen die Rede war: Ich selbst war an der Geschwister-Scholl-Schule und habe dort mein Referendariat gemacht. Ich kenne diese Schule sehr gut.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Brigit te Lösch GRÜNE: Sehr gut!)

Die Antwort des Ministeriums bezieht sich auf die Fortbildungsbausteine zur Überarbeitung des Bil dungsplans.

(Zuruf des Abg. Andreas Stoch SPD)

Dieser Zusammenhang ist auch richtig. Wir müssen natürlich erst einmal mit der Überarbeitung des Bildungsplans weiter voranschreiten, bis wir die Fortbildungsbausteine anbieten können. Das ist notwendig. Aber für die Gemeinschaftsschu len gibt es bereits dieses Fortbildungsangebot und ein Coa ching-Angebot. Das gehört zum Etablierungsprozess dieser Schulen dazu.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Für die CDU-Fraktion spricht Kol lege Georg Wacker.

Frau Ministerin, Sie haben eben eine Milchmädchenrechnung aufgemacht. Ich muss sagen: Es ist schon beachtlich, dass Sie offensichtlich das Finanzie rungssystem unserer Schullandschaft überhaupt nicht durch schaut haben. Wenn Sie behaupten, dass aufgrund von immer mehr Gemeinschaftsschulen immer mehr Schüler diese Schul art besuchten, aber trotzdem die Kosten gleich blieben, muss ich Ihnen sagen, dass Sie einem klaren Irrtum unterliegen.

Denn was würde geschehen, wenn wir immer mehr Schüler in den Gemeinschaftsschulen hätten? Genau das, was Sie selbst in einem Teil Ihrer Rede beschrieben haben: Schulan meldungen erfolgen, es werden Eingangsklassen an den Ge meinschaftsschulen gebildet, natürlich werden dann an ande ren Schulen die Schülerzahlen sinken, doch die Zahl der Klas sen bleibt nahezu gleich. Das heißt, die Kosten bleiben beste hen: bei den Realschulen, bei den Werkrealschulen, bei den Gymnasien; bei den Grundschulen ohnehin.

Durch die Gemeinschaftsschulen entstehen zusätzliche Kos ten. Damit ist doch vorprogrammiert, dass es eine Umschich tung der Ressourcen zulasten der anderen weiterführenden Schulen und zugunsten der Gemeinschaftsschulen geben muss.

(Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE meldet sich.)

Herr Lehmann, nein, ich lasse jetzt keine Zwischenfrage zu.

(Unruhe)

Das nennen wir eine eklatante Benachteiligung des allgemein bildenden Schulwesens zugunsten der Gemeinschaftsschule.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, ich mache es an wenigen konkre ten Beispielen fest, und darauf müssen Sie sich noch intelli gente Antworten einfallen lassen; bisher haben Sie sie offen sichtlich noch nicht parat.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Das wird ihnen schwerfallen!)

Beim Thema Ganztagsschule waren Sie es, die damalige Op position, die noch in der letzten Plenarsitzung vor der Land tagswahl einen Gesetzentwurf zur Abstimmung gestellt hat ten, um die Ganztagsschulen im Schulgesetz zu verankern. Wir, die damaligen Regierungsfraktionen, hatten sogar zuge sagt, dies danach auch in Angriff nehmen zu wollen. Doch im Bildungsausschuss sagten Sie nun, dass mit einer Novellie rung des Schulgesetzes mit dem Ziel einer gesetzlichen Ver ankerung der Ganztagsschulen nicht vor dem übernächsten Doppelhaushalt zu rechnen sei. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Das heißt, in den nächsten Jahren tut sich gar nichts.

Das Einzige, was Sie, Frau Ministerin, machen, ist: Sie privi legieren die Gemeinschaftsschule, indem jeder Jahrgang zu sätzlich fünf Deputatsstunden für den Ausbau zu Ganztags schulen bekommt, während die anderen Schulen, die keinen Anspruch darauf haben, verbindliche Ganztagsschule zu wer den, nicht in diesen Genuss kommen. Das nennen wir eine klare Privilegierung der Gemeinschaftsschule.

Das kann man fortsetzen bei der individuellen Förderung und der Ausweisung von zusätzlichen Programmflächen beim Schulbau, die nur die Gemeinschaftsschulen in Anspruch neh men können. Die anderen Schulen, die hier offensichtlich ei nen Weiterentwicklungsbedarf haben, kommen nicht in den Genuss dieser zusätzlichen Mittel. Ferner ist die Senkung des Klassenteilers als ganz klares Paradebeispiel dafür zu nennen. Dort senken Sie den Klassenteiler auf 28, bei den anderen Schularten nicht.

Meine Damen und Herren, ich möchte noch auf einen ganz wichtigen Punkt zu sprechen kommen. Frau Ministerin, Sie haben eben auch etwas zur Bildungsforschung gesagt. Frau Boser, Sie haben noch einmal den Versuch unternommen, dar zulegen, dass wir in Baden-Württemberg beim Bildungswe sen nicht gut dastünden. Die besten Quellen zu diesem The ma sind Äußerungen der Landesregierung selbst. Deswegen will ich Ihnen jetzt einfach einmal aus einer Stellungnahme zu einem parlamentarischen Antrag unseres Kollegen Ulrich Müller zitieren – es geht um den Antrag Drucksache 15/1455. Gefragt wird darin nach Daten des IQB-Ländervergleichs aus dem Jahr 2009, mit dem das Leistungsvermögen und die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler deutschlandweit untersucht wurden; das war eine Untersuchung bezogen auf die Sekundarstufe I.

Ich zitiere aus der Stellungnahme der Landesregierung:

Die Leistungen der baden-württembergischen Schülerin nen und Schüler beim IQB-Ländervergleich sind nachfol gend bezüglich der getesteten Fächer und Kompetenzbe reiche mit ihren Platzierungen dargestellt:

Lesekompetenz Deutsch Platz 3,... mit Migrationshinter grund Platz 1.

Kompetenz Zuhören Deutsch Platz 2,... mit Migrations hintergrund Platz 1.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Hört, hört!)

Orthografische Kompetenz Platz 2,... mit Migrationshin tergrund Platz 3.

Lesekompetenz Englisch Platz 2,... mit Migrationshinter grund Platz 1.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Hört, hört!)

Hörverständnis Englisch Platz 2,... mit Migrationshin tergrund Platz 1.

Dies ist das Leistungsvermögen unseres Schulsystems, das natürlich maßgeblich auf das Engagement und die Qualität der Lehrkräfte zurückzuführen ist. Wenn Sie sagen, wir stün den nicht gut da, disqualifizieren Sie die Lehrkräfte an unse ren allgemeinbildenden Schulen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Sie loben nur die Lehrer an den Gemeinschaftsschulen – die innovativ sind; das möchte ich gar nicht bestreiten. Aber die überwiegende Anzahl der Lehrkräfte an den weiterführenden Schularten zeigt ebenfalls ein enormes Leistungsvermögen, und diese disqualifizieren Sie, indem Sie sagen, die Leistun gen seien nicht gut. Meine Damen und Herren, das müssen Sie einem erst einmal erklären.

Diese Stellungnahme haben Sie, Frau Ministerin, in Vertre tung durch Ihren Staatssekretär Dr. Mentrup,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Der versteht auch etwas davon!)

abgezeichnet und die darin wiedergegebene Leistungsbilanz wie folgt kommentiert – ich zitiere Ihr Haus und damit Sie selbst –:

Die erreichten Leistungen der Schülerinnen und Schüler

in Baden-Württemberg –

sind Ausdruck eines leistungs- und funktionsfähigen Bil dungs- und Bildungsunterstützungssystems in BadenWürttemberg, das in seinen Grundlagen gesamtgesell schaftlich und gesamtbildungspolitisch getragen wurde und wird.

Meine Damen und Herren, bekennen Sie sich dazu, und er zählen Sie hier nicht immer wieder das Gegenteil, indem Sie davon reden, dass unser Bildungssystem überkommen sei. Hier haben Sie selbst belegt, dass wir auch dank des Engage ments unserer Schulen exzellent dastehen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Meine Damen und Herren, nun zum dritten Punkt und damit auch zum Antrag der FDP/DVP. Was lassen Sie an Innovati on von unten nach oben tatsächlich zu?

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Basta-Po litik!)