Protokoll der Sitzung vom 18.04.2012

Herr Grimm, kommen Sie bitte allmählich zum Schluss.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Das wäre wirklich wich tig!)

Das tue ich. – Deshalb soll te es Ihre Aufgabe sein, bei der Ausbildung und Forschung für die Mobilität der Zukunft die Wirtschaft nach deren Bedarf zu begleiten und zu unterstützen, damit sie ihre Marktführer schaft beibehalten kann.

Herr Kollege Schmiedel, das ist Realo.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Ist das auch FDP?)

Das ist FDP. Sie müssen nach dem Markt gehen. Sie müs sen schauen, wohin die Entwicklungen gehen. Die Entwick lungen gehen heute nicht in Richtung Elektroauto, auf das Sie

setzen, sondern sie gehen in andere Bereiche. Da müssen wir die Industrie unterstützen. Das tun Sie momentan nicht.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Alfred Winkler SPD: Der letzte Teil war nicht Realo, sondern Parodie!)

Für die Landesregie rung erteile ich Herrn Staatssekretär Rust das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Ich war eigentlich schon ver sucht, eine große Einigkeit in dieser Debatte festzustellen. Denn von SPD, Grünen und CDU gab es die große Einigkeit, dass wir die E-Mobilität weiter voranbringen müssen, dass der Beginn, der unter der Vorgängerregierung gemacht wur de, richtig war und wir diesen Weg konsequent fortsetzen müssen. Das tun wir, wie es Herr Kollege Klein richtigerwei se auch betont hat.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD sowie des Abg. Dieter Hillebrand CDU – Abg. Claus Schmiedel SPD: Sehr gut!)

Aber jetzt kamen leider doch wieder die Bedenkenträger der FDP/DVP zum Zuge. Ich muss Ihnen als Ingenieur, der ich bin, sagen: Hätten Sie damals Bertha Benz die Bedenken vor getragen, die Sie jetzt in Richtung E-Mobilität vorgetragen haben, dann würde heute noch kein Auto fahren. Hätten Sie damals schon das Sagen gehabt und hätten Sie so etwas ver hindern können, würde heute kein einziges Auto fahren.

In einem Punkt möchte ich Ihnen widersprechen, Herr Klein: Wir brauchen Wünsche, und wir brauchen Träume. Das braucht jeder Erfinder, das braucht jeder Ingenieur, der eine neue Technologie entwickelt.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Aber nicht zu viele!)

Er braucht eine Vision. Dabei gebe ich Ihnen wieder recht: Der Weg wird steinig. Der Weg, bis wir so weit sind, dass Elektromobilität in verschiedenen Technologien – Elektromo bilität ist ja nicht eine einzige Technologie, sondern es kön nen mehrere Technologien sein – marktfähig und bezahlbar ist, ist weit. Am Anfang ist der Weg steinig und bedarf der Un terstützung. Die leisten wir.

Selbstverständlich erfindet, konstruiert, produziert die Politik keine Fahrzeuge. Das tut weder die Bundesregierung noch die Landesregierung. Aber wir können die richtigen Impulse set zen. Wir können Anreize setzen. Wir können unterstützen,

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Die FDP ist technik feindlich!)

um diese Technologie in ihren Anfängen zu befördern.

Im Übrigen: Hätten wir in den letzten Jahrzehnten nie Kern kraftwerke gehabt, hätte die Politik diese Technologie nicht am Anfang mit Subventionen unterstützt. Hätten wir nie an dere zentrale Energieformen als die Kohle gehabt,

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

hätte es am Anfang keine staatliche Unterstützung gegeben, um diesen Bereich zu subventionieren. Deswegen ist es rich tig, dass die Politik nicht über ihre Kompetenz hinausgeht und meint, sozusagen selbst die Technologien bestimmen zu kön nen. Aber sie kann die richtigen Impulse setzen, damit Tech nologie in unserem Land vorangetrieben werden kann.

Deswegen brauchen wir Träume. Deswegen brauchen wir auch da Visionen, brauchen dies unsere Entwickler und Inge nieure, wenn es darum geht, eine Elektromobilität der Zukunft zu denken.

Die Alternative, die Sie gerade genannt haben, lässt mich als Ingenieur fassungslos zurück. Sie haben gesagt, wir sollten doch lieber auf Wasserstoff setzen. Wissen Sie eigentlich, wie Wasserstoff produziert wird, lieber Kollege? Er wird mit Strom, also wieder mit „Elektro“ produziert. Das heißt, auch ein Wasserstoffantrieb ist im Endeffekt Elektromobilität, weil die Elektrolyse nur mit Strom funktioniert und Sie nur so Was serstoff erhalten.

(Abg. Alfred Winkler SPD: 65 % Verlust! – Zuruf des Abg. Leopold Grimm FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich aber noch ein paar inhaltliche Punkte zu diesem Thema anführen. Aktuell erwirt schaftet die Automobilindustrie in Baden-Württemberg Re kordgewinne und blickt zuversichtlich in die Zukunft.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Das stimmt uns froh. Es ist aber kein Grund, uns entspannt zurückzulehnen. Die gesamte Branche steht vor großen Her ausforderungen, vor dem steinigen Weg, den Kollege Klein auch erwähnt hat. Die Energieeffizienz beim Betrieb von Fahr zeugen, aber auch bei der Herstellung wird dabei immer wich tiger. Es entsteht momentan ein intensiver Wettbewerb um die zukünftige Technologie- und Produktionskompetenz sowie um die Markt- und Wertschöpfungsanteile weltweit, aber auch bei uns, innerhalb Deutschlands.

Dem klassischen Verbrennungsmotor – das wurde schon er wähnt, und das bestreitet auch niemand – wird noch bis 2020 eine große Bedeutung beigemessen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Bis 2050!)

Deswegen müssen wir auch da mehr in die Entwicklung res sourcensparender Motoren investieren. Das machen unsere Hersteller aber auch in ganz hervorragender Weise.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Weltweit spitze!)

Für Baden-Württemberg ist in diesem Bereich ein Anstieg des Marktvolumens um etwa 240 Millionen € zu erwarten, was beim klassischen Verbrennungsmotor allerdings nur noch ei nem jährlichen Zuwachs um gut 0,5 % entspricht.

Ein deutliches Plus von nahezu 1,4 Milliarden € im Jahr 2020 werden die Effizienztechnologien im Fahrzeug auf sich ver einen können. Komponenten, die durch Elektrifizierung des Antriebsstrangs Anwendung finden – etwa der elektrische Mo tor, aber auch die sonstige Elektronik oder die Batteriesyste me, die auch schon angesprochen wurden –, können von den prognostizierten Entwicklungen profitieren und ein hohes Wachstum auch bei uns in Baden-Württemberg generieren.

Aspekte wie der sehr große Wertanteil dieser Komponenten, aber auch eine möglichst hohe Automatisierung bei Ferti gungs- und Montageprozessen sind gute Voraussetzungen für eine Herstellung bei uns in Baden-Württemberg; denn da ha ben auch unsere Mittelständler ihre Kompetenz.

Die Themen der Elektromobilität eröffnen Baden-Württem berg ein Potenzial von ungefähr 10 000 neuen Arbeitsplätzen bis 2020. Die Elektromobilität bietet außerdem große Chan cen für die Forschungslandschaft in Baden-Württemberg – so wohl für die universitäre Forschung als auch für die außeruni versitäre Forschung, die wirtschaftsnahen Forschungseinrich tungen.

Das Land nimmt in einigen Themenfeldern der Elektromobi lität bereits eine führende Rolle in der Forschung ein. Mit der Einführung von elektromobilen Antriebskonzepten und revo lutionären Leichtbauwerkstoffen werden Wertschöpfungsan teile neu verteilt.

Kollege Hofelich hat – das finde ich sehr interessant – darauf hingewiesen, dass auch die alte, traditionelle Industrie in Ba den-Württemberg – z. B. die Textilindustrie, aber auch die Textilforschung – da wieder neue Betätigungsfelder findet. Nachdem sie einen sehr schwierigen Strukturwandel hinter sich hat, kann die Textilindustrie gerade beim Thema Leicht bau wieder neue Märkte erschließen.

Neue Geschäftsmodelle und ein anderes Nutzerverhalten, die Anbindung der individuellen Automobilität an den öffentli chen Personennahverkehr – Frau Kollegin Lindlohr hat es an gesprochen – und die Möglichkeiten moderner Informations- und Kommunikationstechnik eröffnen der Mobilitätsbranche neue Chancen.

Der Technologiewandel hin zur Elektromobilität ist bereits in vollem Gang. Mit der Landesinitiative Elektromobilität I wur den mit annähernd 30 Millionen € vorbereitende Struktur- und Projektmaßnahmen gefördert. Eine bedeutende Maßnahme dieser Initiative ist der Aufbau einer Fraunhofer-Projektgrup pe für neue Antriebstechnologie in Karlsruhe. Das Land hat damit die Chance, erstmals seit 1981 wieder ein neues Fraun hofer-Institut nach Baden-Württemberg zu holen.

Darüber hinaus wurde die gute Ausgangslage im Bereich der Batterieforschung durch gezielte Investitionen in Infrastruk turmaßnahmen gefördert. Die exzellente Position BadenWürttembergs im Umfeld der Batterieforschung wird durch mein Ministerium gemeinsam mit dem Bund durch den Auf bau einer Pilotanlage zur Erforschung und Optimierung der Lithium-Ionen-Zellenfertigung am Zentrum für Sonnenener gie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg in Ulm – das ZSW, das viele Kollegen auch kennen – weiter gestärkt. Die Bundesregierung hat Mittel in Höhe von ungefähr 50 Mil lionen € für Geräte- und Anlageninvestitionen sowie zur Pro jektförderung in Aussicht gestellt. Die zur Umsetzung erfor derlichen Gebäudeerweiterungen und Infrastrukturmaßnah men am eLaB des ZSW in Ulm werden durch die Landesre gierung realisiert und finanziert.

Um die Vielzahl an Aktivitäten im Bereich der Elektromobi lität in Baden-Württemberg besser zu bündeln, wurde die Lan desagentur für Elektromobilität und Brennstoffzellentechno logie, die e-mobil BW, eingerichtet. Sie wurde schon mehr fach erwähnt. Die Agentur arbeitet hier eng verzahnt mit den

bereits bestehenden Netzwerken automotive-bw und Brenn stoffzellen- und Batterie-Allianz Baden-Württemberg zusam men.

Mit der im Dezember 2011 verabschiedeten Landesinitiative Elektromobilität II machen wir klar, dass E-Mobilität einen wesentlichen Bestandteil der Landesstrategie darstellt. Diese sieht eine Förderung mit rund 50 Millionen € in den kommen den vier Jahren vor.

Wesentliche Elemente dieser zweiten Initiative sind die Struk turwandelberatung von kleinen und mittleren Unternehmen – dagegen kann nicht einmal die FDP sein –, die Forschungs- und Transferförderung, der Ausbau der Wasserstoffinfrastruk tur sowie Demonstrationsprojekte im ländlichen Raum. Das sind wesentliche Bestandteile der Strategie der Landesregie rung.

Ein weiterer wesentlicher Standortfaktor des Autolands Ba den-Württemberg ist das bestehende Angebot an Aus- und Weiterbildung. Dazu steht bei diesem Punkt auch ein Antrag auf der Tagesordnung. Auch wenn die Kollegen bisher nicht näher darauf eingegangen sind, möchte ich dazu ein paar Punkte sagen. Denn die Aus- und Weiterbildung in diesem Be reich ist, glaube ich, sehr wichtig.

Die Sicherung der Nachwuchskräfte, die Absicherung des Fachkräftebedarfs und die kontinuierliche Weiterbildung von Beschäftigten, was ihre Kompetenzen in den neuen Techno logiefeldern der Elektromobilität angeht, sind entscheidende Faktoren für die weltweite Innovationsführerschaft unseres Standorts. Denn wir leben nicht von unseren natürlichen Res sourcen, sondern von der Kompetenz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Land.

Bildungsinitiativen sind in der akademischen Ausbildung, im gewerblichen Bereich, z. B. in Werkstätten und Servicebetrie ben, aber auch im kaufmännischen Bereich notwendig.

Die e-mobil BW ist in enger Zusammenarbeit mit den betrof fenen Industrieunternehmen eine Anlaufstelle für den Fach kräftenachwuchs.

Speziell an den Bedarf der Unternehmen angepasste Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen werden in Abstimmung mit den Industrie- und Handelskammern sowie den Handwerkskam mern des Landes diskutiert und entwickelt. Deren Umsetzung wird vorbereitet bzw. in einzelnen Kursprogrammen schon jetzt realisiert.

Mein Ministerium hat deshalb im Rahmen der ESF-Fachkurs förderung eine Programmlinie mit dem Schwerpunkt Elekt romobilität aufgelegt. Gefördert werden hierbei 50 % der ein schlägigen Kursgebühren.

Darüber hinaus fördert das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft das dreijährige Modellprojekt „Fachkraft für Inf rastruktur und Systeme der Elektromobilität für Beschäftigte in kleinen und mittleren Unternehmen mit dem Schwerpunkt Elektro- und Informationstechnik“. Das heißt, auch dort neh men wir Geld in die Hand, um die Beschäftigten weiterzubil den.