Protokoll der Sitzung vom 19.04.2012

Zudem soll eine Übersicht einschlägiger Archivbestände u. a. in staatlichen, kommunalen und kirchlichen Archiven erstellt werden, um einen schnellen Zugang zu möglicherweise noch vorhandenen Akten zu gewähren.

Darüber hinaus ist vorgesehen, einen Beitrag zur historischen Einordnung der Heimerziehung in den staatlichen Heimen Ba den-Württembergs zu erarbeiten. Denn gerade die Geschich te der staatlichen Erziehungsheime in Baden-Württemberg wurde, im Gegensatz zur Geschichte kirchlicher Einrichtun gen in Baden-Württemberg (z. B. Forschungsarbeit der Diö zese Rottenburg-Stuttgart), bislang nicht aufgearbeitet.

Für den Bereich „Beratung“ stehen im Haushalt des Sozial ministeriums im Jahr 2012 insgesamt 41 500 € zur Verfügung, für die „historische Aufarbeitung zur Weiterentwicklung der Jugendhilfe“ 27 900 €. Insgesamt kann damit eine volle Pro jektstelle für einen wissenschaftlichen Archivar finanziert wer den.

Ich rufe Punkt 4 der Ta gesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Weiterentwicklung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT-Weiterentwicklungsgesetz – KIT- WG) – Drucksache 15/1495

Das Wort zur Begründung erteile ich Herrn Staatssekretär Walter.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Bundespräsident hat heute Morgen darauf hingewiesen, welch großen Ruf die Uni versitäten Baden-Württembergs in der Welt genießen. Wir bringen heute einen Gesetzentwurf ein, der dazu beiträgt, dass das weiterhin so sein wird. Da bin ich mir ganz sicher.

Wir schreiben mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung des Karlsruher Instituts für Technologie die Erfolgsgeschichte des KIT fort. Wir wollen mehr Autonomie für exzellente Lehre

und Forschung, bessere Beteiligungschancen für Beschäftig te und Studierende und eine weitere Harmonisierung der Uni versitätswelt mit der Großforschungswelt – so heißen die Leit motive unseres Entwurfs.

Die Weiterentwicklung des KIT ist ein weiterer Schritt auf ei nem forschungspolitischen Weg, der im Jahr 2009 mit der Ver einigung der Universität Karlsruhe und des Forschungszent rums Karlsruhe begann. Land und Bund haben sich damals zusammengetan und zwei herausragende Forschungseinrich tungen am Standort Karlsruhe unter einem Dach zusammen geführt. So entstand das KIT, die größte Forschungs- und Lehreinrichtung Deutschlands. Jährlich sorgen rund 735 Mil lionen € von Land, Bund und Drittmittelgebern dafür, dass das KIT die notwendige kritische Masse hat, um international herausragende Forschung und Lehre zu ermöglichen. Zusam men mit seinen vielfältigen Partnern aus der Wirtschaft stärkt das KIT gleichzeitig den Innovationsstandort Baden-Würt temberg.

Nun geht es darum, meine Damen und Herren, diesen Erfolg auch langfristig zu sichern; dazu dient das KIT-Weiterentwick lungsgesetz. Größere Selbstständigkeit und mehr Handlungs spielraum in Forschung und Lehre sind heute nach allgemei ner Auffassung das Erfolgsgeheimnis internationaler Spitzen universitäten und Spitzenforschungseinrichtungen. Dem tra gen wir Rechnung.

Wir verleihen dem KIT Arbeitgeber- und Dienstherreneigen schaft. Es bekommt damit die Möglichkeit, hoch qualifizier te Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit passgenau en Lösungen für sich zu gewinnen. Wir machen das KIT – je denfalls größtenteils – zum Eigentümer seines Vermögens. Wir geben dem KIT mehr finanziellen Spielraum; zukunftwei sende Investitionen kann es künftig auch mit Fremdkapital vornehmen. Wir stärken die Innovationskraft des KIT, indem wir die Regeln für Unternehmensgründungen und -beteiligun gen lockern. Auf diese Weise sorgen wir dafür, dass die Er gebnisse der Forschung des KIT auch am Standort BadenWürttemberg ökonomische Früchte tragen.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, wer will, dass zwei wissenschaftliche Einrichtungen zusammenwachsen, muss die Menschen, die dort arbeiten, forschen, lehren und studieren, mitnehmen. Die Landesregierung hat daher früh zeitig alle Gruppen am KIT in den Weiterentwicklungspro zess eingebunden. Um der Bedeutung des Gesetzes und der Bedeutung der besonderen Interessen der KIT-Angehörigen gerecht zu werden, haben wir den Anhörungszeitraum verlän gert. Wir haben gemeinsam mit dem BMBF eine Informa tions- und Diskussionsveranstaltung für Beschäftigte und Stu dierende des KIT geleitet und uns mit den vielen Fragen be schäftigt, die dort gestellt worden sind. Wir haben den Ein druck gewonnen und sind überzeugt davon, dass es auf diese Weise gelang, viele – verständliche – Bedenken zu zerstreu en. Dies ist Partizipation, wie sie die Landesregierung pflegt.

Wir haben die berechtigten Interessen der rund 9 000 Beschäf tigten ernst genommen und in Zusammenarbeit mit dem Per sonalrat ein abgestuftes System der Mitwirkung geschaffen, gerade auch auf der Ebene der einzelnen Institute. In einem besonderen Konvent werden die akademischen und wissen schaftlichen Mitarbeiter in Zukunft ihre Anliegen formulie ren und die Entwicklung des KIT mitgestalten können.

Die über 22 000 Studierenden am KIT erhalten ebenfalls mehr Einfluss. Sie bestimmen bei der Wahl des Vorstandsmitglieds für Lehre und akademische Angelegenheiten künftig mit.

Außerdem sorgen wir für mehr berufliche Sicherheit der KITBeschäftigten. Künftig gelten für sie die beamtenrechtlichen Vorschriften des Landes Baden-Württemberg bzw. die tarifli chen Regelungen der Länder. Hinzu kommt der tarifvertrag liche Ausschluss betrieblicher Kündigungen im Zuge des wei teren Fusionsprozesses. Wir gewährleisten damit, dass sich das KIT weiterentwickeln kann, ohne dass es für die Mitar beiterinnen und Mitarbeiter zu Beschwernissen kommt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Gründung des KIT ist seinerzeit von allen Fraktionen mitgetragen worden. Sie wur de in diesem Haus sogar einstimmig beschlossen. Lassen Sie uns in den anstehenden Beratungen an diesem sachorientier ten Stil festhalten. Lassen Sie uns der Erfolgsgeschichte des KIT gemeinsam ein neues Kapitel hinzufügen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Her ren, für die Aussprache in der Ersten Beratung hat das Präsi dium eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.

Für die Fraktion der CDU erteile ich Frau Abg. Schütz das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Karlsruher Ins titut für Technologie ist eine herausragende Einrichtung, wie sie so nirgendwo sonst im Land zu finden ist.

Das Ziel der damaligen Akteure war, hochrangige Forschung mit exzellenter Lehre zusammenzubringen. Für dieses Ziel haben Peter Frankenberg und Annette Schavan lange und be harrlich gearbeitet. Die beiden haben das Korn gesät; es trägt nun Früchte. Es ist gut und richtig, dass sich die jetzige Lan desregierung dieses Wertes bewusst ist und den eingeschlage nen Weg konsequent und verbindlich weitergeht.

(Abg. Felix Schreiner CDU: So ist es!)

Diese Verbindlichkeit ist für uns in der Wissenschaftsland schaft in Baden-Württemberg von entscheidender Bedeutung.

Der vorliegende Gesetzentwurf zur Novellierung des KIT-Ge setzes ist die konsequente Fortschreibung der geschilderten Zielsetzung in Richtung einer endgültigen Verschmelzung der Bestandteile des KIT zu einem Ganzen. Nun geht es also da rum, aus diesen einzelnen Teilen eine schlagkräftige Einheit zu formen, die ihren Platz an der Spitze der internationalen Forschung halten und ausbauen kann.

Dazu soll das KIT auf mehreren Ebenen mehr Autonomie er halten. Es erhält u. a., wie bereits vorhin mitgeteilt, die Dienst herren- und Arbeitgebereigenschaft. Es kann Berufungsver fahren zukünftig selbstständig durchführen, und es erhält die Bauherreneigenschaft, kann also selbstständig und flexibel auf einen veränderten Bedarf reagieren. Dies sind nur einige der Neuerungen, und sie alle wurden bereits in unserer damaligen Regierungszeit vorbereitet.

Allerdings finden sich in der vorliegenden Novelle auch eini ge Punkte, die im Hinblick auf ihre Weiterentwicklung von uns allen weiter beachtet werden müssen. Ein Beispiel ist die Besoldung der Mitarbeiter, die auch nach diesem Weiterent wicklungsgesetz weiterhin unterschiedlich sein wird: In dem Teil des KIT, der die frühere Universität umfasst, gelten wei terhin die Besoldungsregeln des Landes, während in dem Teil des früheren Forschungszentrums die Regeln des Bundes gel ten.

Konkret bedeutet das: In den verschiedenen Bereichen wer den verschiedene Tarife bezahlt. Das bedeutet auch, dass im Bereich der ehemaligen Universität Karlsruhe alle Mitarbei ter Leistungszulagen erhalten können. Im Bereich des ehema ligen Forschungszentrums können das jedoch nur die Mitar beiter in der Wissenschaft, hingegen nicht diejenigen in der Verwaltung.

Ähnlich konfus sieht es an der Spitze aus. Im Vorstand des KIT finden sich Führungspersonen, die Verträge mit dem Bund haben, und andere, die Verträge mit dem Land haben. An dieser Stelle erwarten wir, dass sich auch der Bund in die richtige Richtung bewegt.

Ein weiterer Aspekt sind die Verwaltungsvorschriften. Im Be reich der ehemaligen Universität werden Entscheidungen im Wege einer Satzung umgesetzt, im Bereich des ehemaligen Forschungszentrums mit Dienstherrenvereinbarung unter Be teiligung des Personalrats.

Diese Unterschiede sollen auch nach der jetzigen Novelle of fensichtlich weiter bestehen. Das kann im Hinblick auf eine gelungene Fusion langfristig so nicht bleiben, will man tat sächlich ein neues Ganzes schaffen – das ist ja das erklärte Ziel aller Beteiligten. Dann darf man auch nicht noch immer an den alten Strukturen und alten Aufteilungen festhalten. Man kann die Mitarbeiter ein und derselben Firma nicht un terschiedlich behandeln. Das funktioniert nicht in der Wirt schaft, und das tut auch einer Einrichtung wie dem KIT nicht gut.

Forschung braucht Freiheit, nicht Hürden und nicht bürokra tische Hemmnisse. Wir in Baden-Württemberg waren und sind immer vorbildlich. Das ist ein Schlüssel für unseren Erfolg in der Wissenschaft. Die Politik ist dafür verantwortlich, der For schung diese Freiheit und die guten Rahmenbedingungen zu bieten. Unsere Forderung ist es daher, die Einheit des KIT so bald wie möglich wirklich zu vollenden.

Deshalb kann das vorliegende Gesetz nur ein Einstieg für wei tere Schritte sein, die hin zu einer wirklichen Verschmelzung der Teile, die das KIT formen, führen. Auf dem Weg dorthin muss man stetig an diesem Ziel weiterarbeiten.

Wir schlagen daher vor, das heute zur Debatte stehende Ge setz in einem Jahr zu evaluieren und daraufhin zu überprüfen, was nötig ist, damit eine wirkliche Einheit des KIT gelingen kann. In guter Tradition zu der letztmaligen einheitlichen Ab stimmung werden wir diesem Gesetzentwurf auch zustimmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen, der SPD und der FDP/DVP)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Herrn Abg. Salomon das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsi dentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nicht nur wir Abge ordneten aus Karlsruhe, wie Frau Schütz und Herr Stober, be obachten genau, welchen Verlauf das aus der Exzellenziniti ative hervorgegangene Experiment „Karlsruher Institut für Technologie“ nimmt. Vielmehr ist das KIT eine wissenschafts politische Innovation, die bundesweit, ja international Beach tung findet.

Die Fragestellung lautet daher: Kann es gelingen, eine Uni versität des Landes mit einem Forschungszentrum des Bun des zu einer neuartigen Einrichtung zu fusionieren und im Weiteren vollkommen zu verschmelzen? Dabei sind natürlich noch weitere grundgesetzliche Hürden zu beachten. Und: Wie entsteht als Ergebnis dieses Fusionsprozesses ein Leuchtturm exzellenter Forschung und Lehre?

Mit dem nun vorliegenden Entwurf des KIT-Weiterentwick lungsgesetzes geht dieses Experiment in seine nächste Phase. Im Zentrum des Weiterentwicklungsgesetzes steht dabei die Selbstständigkeit dieser Hochschule neuen Typs. Die Autono mie der Hochschule ist für uns ein erstrebenswertes Ziel. Au tonomie bedeutet, dass Verantwortung abgegeben wird. Da mit dies gelingt, müssen zwei Dinge sichergestellt werden: Die Hochschule muss nach innen demokratisch verfasst sein, und sie muss nach außen ihrer gesellschaftlichen Verantwor tung gerecht werden. Öffentliche Hochschulen müssen der Gesellschaft gegenüber umfangreich Rechenschaft über ihr Tun ablegen.

Die Entlassung des KIT in die Selbstständigkeit hat das Ziel, Wissenschaft und Forschung zu entbürokratisieren, Prozesse effizienter zu gestalten und im Zusammenwachsen zweier un terschiedlicher Organisationskulturen exzellente Forschung und Lehre zu ermöglichen. Das ist der erste Maßstab, an dem der Erfolg des KIT-Weiterentwicklungsgesetzes gemessen werden kann.

Den zweiten Maßstab, den wir anlegen werden, habe ich eben beschrieben: die innere Verfasstheit und die Rechenschafts pflicht gegenüber der Gesellschaft, die die Entlassung in die Selbstständigkeit begleiten müssen. Insbesondere zu den in neren Strukturen des KIT gab es im Zuge des Anhörungsver fahrens intensive Debatten mit den verschiedenen Betroffe nen.

Ich möchte hier einige diesbezügliche Schwerpunkte aus dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf hervorheben, die bereits Herr Staatssekretär Walter genannt hatte.

Erstens: Chancengleichheit und Frauenförderung werden – das sehe ich gerade für eine technisch ausgerichtete Hoch schule wie das KIT als wichtig an – zu einer klar definierten Aufgabe. Hierfür enthält der Gesetzentwurf eine ganze Reihe neuer Instrumente.

Zweitens: Der Gesetzentwurf gibt den Studierenden am KIT faktisch ein Vetorecht bezüglich des für die Lehre zuständi gen Mitglieds des Hochschulvorstands. Ich glaube, das ist ei ne ganz wesentliche Neuerung, die letztlich auch in den Stel lungnahmen von beiden Seiten sehr umstritten war. Wir müs

sen in Zukunft schauen, wie wir das, auch im Hinblick auf et waige weitere Gesetze, ausgestalten. Dieser innovative Schritt trägt dazu bei, Studierenden in der Hochschule in ihren An gelegenheiten mehr Gewicht zu geben. Wir sorgen somit für Augenhöhe.

Mit dem akademischen Konvent wird ein Gremium der aka demischen und wissenschaftlichen Beschäftigten geschaffen. Auch das gehört zur Stärkung der inneren Verfasstheit in ei ner autonomer gewordenen Hochschule.

Es wird weiterhin einen einheitlichen Personalrat am KIT ge ben, und der Personalleiter erhält das Vorschlagsrecht für ein Mitglied des Aufsichtsrats. Das war auch eine wesentliche Forderung des Personalrats an uns. Damit stärken wir die In teressen aller Beschäftigten am KIT.

Meine Damen und Herren, bei allen Besonderheiten, die sich dadurch ergeben, dass beim KIT zwei Organisationen mit ganz unterschiedlichen Traditionen zusammenkommen, sehe ich das KIT auch als Prototypen für weitere Reformen. Auch deswegen ist das KIT-Weiterentwicklungsgesetz ein wichti ger Schritt für Baden-Württemberg.

Ich bin damit eingestiegen, das KIT als bundesweit, ja inter national beachtetes Experiment zu bezeichnen. Das Experi ment verläuft überaus positiv; das kann ich, glaube ich, an die ser Stelle noch einmal ganz klar sagen. Mit dem KIT-Weiter entwicklungsgesetz werden Ergebnisse aus der ersten Phase dieses Experiments gesetzlich festgeschrieben und Weichen für die Zukunft gestellt. Wir sind überzeugt davon, dass dies dazu dient, das KIT in bester Weise weiterzuentwickeln.