Protokoll der Sitzung vom 24.05.2012

Ich bin mit dem Innenminister völlig einer Meinung.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Weiß er das?)

Das weiß er.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Her ren! Die Landesregierung teilt das Anliegen, eine gleichge wichtige Beteiligung beider Geschlechter

(Abg. Volker Schebesta CDU: Er schüttelt den Kopf!)

über Sie wahrscheinlich – in den Kommunalparlamenten si cherzustellen. Daher sind wir entschlossen, einen verfassungs gemäßen Weg für eine verbindliche und praktikable Lösung bei den Kommunalwahlen zu suchen.

(Abg. Sabine Kurtz CDU: Verfassungsgemäß!)

Ja. Wir neigen nicht dazu, verfassungswidrige Gesetze zu machen.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: So ist es! – Abg. Alexander Throm CDU: Ich werde Sie dann mal zi tieren! – Weitere Zurufe – Unruhe)

Uns ist natürlich bewusst: Allein mit einer verbindlichen Re gelung und festen Quoten ist es nicht getan. Im politischen Alltag – das war heute schon Thema – ist die allerwichtigste Aufgabe, eine große Anzahl von Frauen für die Kandidatur für ein öffentliches politisches Amt zu gewinnen. Politische Ämter müssen für Frauen attraktiv sein.

(Abg. Günther-Martin Pauli CDU: Richtig!)

Nicht Frauen müssen für politische Ämter geeignet sein – und diese muss man suchen –, sondern politische Ämter müssen für Frauen attraktiv sein.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Günther-Martin Pauli CDU – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Um auch das einmal ganz deutlich zu sagen: Damit demokra tische Teilhabe eine legitime Basis hat, muss sich die Gesell schaft in ihrer Vielfalt in den Parlamenten wiederfinden. Ei ne Vertretung der Bürgerinnen und Bürger muss eben auch Bürgerinnen und Bürger vertreten. Zumindest sind wir ver pflichtet, das Unsere beizutragen, um dies zu ermöglichen.

(Zuruf von der CDU: Selbstverständlich!)

Vom Stand heute liegt da noch ein ganzes Stück Weg vor uns. Frauen sind in den gewählten Vertretungen deutlich unterre präsentiert. Das gilt sowohl für den Landtag als auch für die Kommunalparlamente. Die Zahlen sprechen für sich: Bei der Landtagswahl 2011 lag der Frauenanteil unter den Bewerbe rinnen und Bewerbern unter 18 %. Gerade einmal 26 weibli che Abgeordnete sind im Landtag vertreten; das entspricht 18,8 % aller Mandatsträgerinnen und Mandatsträger.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das wissen wir schon alles!)

Der Frauenanteil bei den Kandidaturen für die kommunalen Parlamente ist gleichfalls niedrig geblieben. Die Zahlen wur den schon genannt.

Meine Damen und Herren, ich möchte noch einen Punkt er gänzen: Nachholbedarf in Sachen Gleichberechtigung gibt es nicht nur bezüglich der Repräsentanz in Gremien, sondern auch in der Sache. Die neue Landesregierung steht neben vie lem anderen auch für eine neue Frauenpolitik im Land. Ein wichtiges Anliegen der Landesregierung ist dabei z. B. auch der Kampf gegen die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt. Wir haben eine entsprechende Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht.

Auch im öffentlichen Dienst wollen wir die Chancengleich heit von Frauen und Männern durchsetzen und das Chancen gleichheitsgesetz entsprechend verstärken. Die Rechte von Chancengleichheitsbeauftragten sollen gestärkt und der An teil weiblicher Führungskräfte soll erhöht werden.

Das eine hat mit dem anderen etwas zu tun. Denn nur in Gre mien, in denen die Geschlechter angemessen vertreten sind, werden auch die Anliegen angemessen vertreten und haben den nötigen Rückhalt.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Wir streben auch an, dass der derzeit noch unbefriedigende Anteil der Frauen in Gremien auf eine Beteiligung von Frau en und Männern zu gleichen Anteilen erhöht wird. Die Sitze von Aufsichtsräten und Verwaltungsräten von landeseigenen Unternehmen sollen unter Beachtung der Grundsätze von Eig nung, Leistung und Befähigung schrittweise paritätisch be setzt werden.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Land als Arbeitgeber und Anteilseigner geht dabei selbst mit gutem Beispiel voran. So kam als erste Maßnahme nach dem Regierungswechsel eine deutlich weiblichere Regierung ins Amt: fünf Ministerinnen, eine Staatssekretärin und eine Staatsrätin. Das sind 40 % der Mitglieder mit Kabinettsrang. Zahlreiche wichtige Positionen – –

(Abg. Tanja Gönner CDU: Gilt das Motto der Aktu ellen Debatte für die Landesregierung auch? Freie Rede? – Abg. Sabine Kurtz CDU: Wenig Begeiste rung!)

Ich habe, ehrlich gesagt, Frau Gönner, vorhin danach ge schaut: Die anderen haben auch Vorlagen benutzt. Da dachte ich, dann nehme ich meine auch.

(Vereinzelt Beifall – Abg. Tanja Gönner CDU: Aber diese Reden waren etwas freier gehalten als Ihre Re de! – Glocke des Präsidenten)

Das mag sein.

Jetzt möchte ich schon sagen, nach dem das gerade Anlass zu einer Debatte gibt: Für die Regie rung gilt natürlich dasselbe, was ich von den Damen und Her ren Abgeordneten erbitte.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Sehr gut!)

Es macht wenig Sinn, mit dem Verweis auf andere das eige ne Verhalten zu rechtfertigen. Es ist gut für die Debatte, wenn alle es schaffen, die Aussprache in freier Rede zu führen. Da rum bitte ich, meine Damen und Herren.

(Vereinzelt Beifall)

Ich nehme die Anregung gern an und hoffe dann auf eine Lücke in mei nem Terminkalender, in der ich mir die Rede entsprechend gut einprägen kann. Wir tun unser Bestes.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Diese Aus sage zeugt von höchstem Respekt gegenüber dem Parlament! – Zuruf von der CDU: Peinlich!)

Dann gestatte ich mir den Schlenker – wie gesagt, ich habe vorhin gesehen, dass auch der Innenminister ein Konzept hat te und seine Rede so vorgetragen hat –: Vielleicht ist es auch ein Teil des unterschiedlichen Umgangs mit den Geschlech tern, dass Sie die Debatte jetzt mit mir führen und sie nicht vorhin mit dem Innenminister geführt haben.

(Beifall bei den Grünen)

Zurück zum Thema: Wir, die Landesregierung, sind wie auch zumindest manche unserer Kolleginnen im Bund, z. B. mei ne Ministerinkollegin von der Leyen, der Auffassung, dass nur verbindliche Frauenquoten dazu führen, dass Frauen in Führungsetagen und in Gremien angemessen vertreten sind. Dafür gibt es noch viel zu tun.

Lassen Sie uns gemeinsam eine aktive Frauenpolitik in Ba den-Württemberg betreiben und damit Baden-Württemberg zu einem Land gleicher Chancen für Frauen und Männer ma chen. Wir sind sicher, dass die Vorschläge für eine paritätische Besetzung von Kommunalwahllisten den Weg in die richtige Richtung weisen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die FDP/DVP-Fraktion spricht Professor Dr. Goll.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Der Frauenbe auftragte der FDP/DVP!)

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Frau Sitzmann, Sie haben vorhin eine Grafik gezeigt. Diese Grafik spricht für sich; das ist völlig klar. Deswegen besteht auch große Einigkeit, dass wir dazu kom men müssen, den Frauenanteil in kommunalen Parlamenten zu erhöhen.

Es geht eigentlich um Folgendes: Alle kennen das alte Wort: Gut gemeint ist nicht immer gut. Der Vorschlag, den Sie ge bracht haben, ist sicher gut gemeint, aber es muss auch mög lich sein, darüber zu diskutieren, ob dieser Vorschlag wirklich gut ist.

(Zuruf des Abg. Dr. Dietrich Birk CDU)

Lieber Herr Schmiedel, Sie haben die FDP/DVP-Fraktion an gesprochen. Wir sind in diesem Zusammenhang in gewisser Weise durchaus gebrannte Kinder und sehen es auch so, dass wir besonders aufgerufen sind, uns da Gedanken zu machen.

Ich drücke es einmal so aus: Wir werden in der Tat weit über durchschnittlich von Männern gewählt. Was die Landtagswahl angeht, hatten wir natürlich auch Kandidatinnen, aber gewählt worden sind sie nicht, warum auch immer. Gerade nach dem neuen Wahlrecht, bei dem sich die Verteilung der Mandate nach Prozentpunkten richtet, kann man auch nicht mehr die alte Erklärung anführen, die auf die unterschiedliche Größe der Wahlkreise abhebt. Wir sind eben gewählt worden. Ver zeihung, aber wir können nichts dafür. Auf Parteiebene sieht es bei uns schon völlig anders aus. Das wissen Sie auch. Wir haben eine Landesvorsitzende und auch eine Generalsekretä rin.

Aber es gibt bestimmte Bedingungen des Wahlrechts. Die gibt es im Kommunalwahlrecht auch, und die können wir nicht einfach beiseiteschieben. Das gilt übrigens auch für die ver fassungsrechtlichen Bedingungen.

Jetzt haben Sie schon Vorschläge gemacht, wie man das Gan ze verfassungsfest machen kann. Ich bin auch kein Anhänger davon, immer gleich alles mit der verfassungsrechtlichen Ar gumentation zu erledigen. Das allein ist vielleicht zu wenig; darüber haben Sie sich auch Ihre Gedanken gemacht.

Aber gerade wenn jetzt der berühmte Ausweg kommt, dass jemand, der nicht genügend Frauen oder nicht genügend Män ner aufstellen kann, von der Regel befreit wird, dann muss ich sagen: Das ist die entscheidende Schwachstelle Ihres Kon zepts. Denn wer will so etwas kontrollieren? Wer fragt: Habt ihr nicht noch einen Mann, oder habt ihr nicht noch eine Frau? Aber ich komme noch einmal auf diesen Punkt zurück.