Protokoll der Sitzung vom 25.05.2011

(Zuruf des Abg. Winfried Mack CDU)

Viele Menschen verbinden mit uns die Hoffnung auf einen neuen Politikstil. Die Zeit des Durchregierens von oben ist zu Ende.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Gute Politik wächst von unten. Echte Führungsstärke ent springt der Fähigkeit, zuzuhören.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Diese Regierung wird deswegen eine Politik des Gehörtwer dens praktizieren. Sie wird den Bürgerinnen und Bürgern im Dialog gegenübertreten, zuhören und dann entscheiden. Für mich ist die Einmischung der Bürgerinnen und Bürger keine Bedrohung oder Ausdruck einer „Dagegen-Haltung“, sondern eine Bereicherung.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Sie setzt im Übrigen eine Tradition aus dem 19. Jahrhundert fort: die Tradition des Vereinswesens, der Selbstorganisation der Bürgerinnen und Bürger, heute bereichert durch neue For men der Bürgerbeteiligung wie Bürgerinitiativen,

(Zuruf von der CDU)

freier und flexibler als früher, gestärkt durch neue Medien, vor allem durch das Internet.

In einer Demokratie gibt es auch einmal scharfe Konflikte. Man muss wissen, damit umzugehen. Die Fairness ist dabei die Bringschuld der Institutionen. Die Bringschuld der Bür gergesellschaft heißt „zivilisierter Streit“.

(Zurufe der Abg. Tanja Gönner und Winfried Mack CDU)

Kunst und Kultur können ebenfalls Einspruch sein, Provoka tion und Stachel für eine lebendige Demokratie, aber auch ei ne Schule des genauen Hinsehens und Hinhörens.

Demokratie braucht selbstbewusste Bürgerinnen und Bürger,

(Abg. Winfried Mack CDU: Ja!)

und Demokratie braucht eine selbstbewusste Kultur als Aus druck eines autonomen Bürgerbewusstseins.

(Zuruf des Abg. Winfried Mack CDU)

Auch unter den Vorzeichen der Haushaltskonsolidierung ge nießen Kunst und Kultur für uns deshalb einen hohen Stellen wert.

(Abg. Winfried Mack CDU: Keine Unkultur! – Zu ruf der Abg. Tanja Gönner CDU)

Meine Damen und Herren, die repräsentative Demokratie ist das Rückgrat unseres Gemeinwesens.

(Beifall bei allen Fraktionen – Abg. Tanja Gönner CDU: Hört, hört!)

Doch die zunehmende Distanz zwischen demokratischen In stitutionen und den Bürgerinnen und Bürgern können wir nicht länger ignorieren.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Genau darum geht es!)

Man spürt sie auch in Baden-Württemberg. Das besorgt mich und besorgt hoffentlich uns alle.

Unsere Demokratie ist stabil, gewiss. Aber Demokratie ver steht sich nie von selbst. Sie ist anstrengend und will gepflegt sein.

(Abg. Winfried Mack CDU: Oh ja!)

Ich hatte in den ersten Tagen meines Amtes zwei Termine, die mir eindrucksvoll vor Augen geführt haben, wie viele Men schen sich für unser Gemeinwesen, im Sozialbereich und für die Umwelt engagieren.

(Abg. Winfried Mack CDU: Ja!)

Beim Tag der deutschen Bürgerstiftungen und bei einem Ju biläum des Genossenschaftsverbands hat man gesehen, wel che Potenziale da in unserer Gesellschaft sind.

Es geht hier also um die eigenständige Gestaltungskraft der Zivilgesellschaft, um „Graswurzeldemokratie“, um Gemein sinn, um Subsidiarität und Solidarität. All das hat BadenWürttemberg immer ausgezeichnet.

Ich sage: Eine moderne, lebendige und starke Demokratie lebt vom Einspruch und von der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Peter Hauk CDU: Vielleicht auch vom Zuspruch!)

Nicht dort, wo sich Menschen einmischen, ist die Demokra tie bedroht, sondern dort, wo sie sich von den öffentlichen An gelegenheiten, von der Res publica, abwenden. Mehr Bürger beteiligung stärkt auch die parlamentarische Demokratie. Das ist jedenfalls meine feste Überzeugung.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Die Themen Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung sind da her für mich und für diese Landesregierung kein verzierendes Beiwerk.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Nicht für alle, wie man gehört hat!)

Sie sind eine zentrale Aufgabe für alle Ressorts. Dort werden transparente Verfahren und wegweisende Projekte für mehr Bürgerbeteiligung auf allen Ebenen entwickelt und durch die Staatsrätin in meinem Haus gebündelt. Wir machen Ernst mit diesem Querschnittsthema.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Wir wollen Strukturen so verändern, dass Bürgerinnen und Bürger Gehör finden – auch außerhalb der Wahltage.

Wir wollen neue Medien nutzen, um politische Teilhabe zu ermöglichen.

Wir werden auch denen neue Möglichkeiten geben, ihre Stim me zu erheben, die im politischen Konzert bislang viel zu lei se zu hören waren: z. B. Frauen, Migranten oder Jugendlichen.

Ebenso werden wir eine aktive Integrationspolitik betreiben. Baden-Württemberg ist ein buntes Land, das von seiner Viel falt lebt. Die Zuwanderer, ihre Kinder und Enkel leben mit ten unter uns und gehören dazu.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Das interkulturelle und interreligiöse Miteinander, die Parti zipation von Migrantinnen und Migranten in Wirtschaft und Gesellschaft sind Schlüssel für ein erfolgreiches und mensch liches Baden-Württemberg. Um diese politische Querschnitts aufgabe zu bewältigen, richten wir ein Integrationsministeri um ein. Es geht um neuen Schwung und neue Initiativen. Es geht hier darum, einiges nachzuholen, was von unseren Vor gängern doch nur mit halber Kraft angefasst und betrieben wurde.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Koalition wird von vielen inhaltlichen Übereinstimmungen, von gemeinsamen Zielen und Visionen für unser Land getragen. Doch Stutt gart 21 bleibt kontrovers. Wir haben uns jedoch auf ein ge meinsames Verfahren geeinigt. Beide Koalitionspartner wer den sich daran halten.

(Lachen des Abg. Manfred Groh CDU – Abg. Man fred Groh CDU: Auch der Finanzminister? – Abg. Tanja Gönner CDU: Akzeptieren Sie das Ergebnis der Schlichtung?)

Wir haben festgestellt: Die Schlichtung zum Projekt Stutt gart 21 taugt durchaus als Blaupause für eine Politik des Ge hörtwerdens. Sie hat auch gezeigt: Wir brauchen neue Forma te der Bürgerbeteiligung und des Dialogs. Vor allem bei Inf rastrukturmaßnahmen müssen die Bürger frühzeitig einbezo gen werden, indem Alternativen ernsthaft abgewogen und kei ne informellen Vorentscheidungen getroffen werden.

(Zuruf der Abg. Tanja Gönner CDU)

Das letzte Wort haben die gewählten Organe oder das Volk di rekt.

Wir werden aber die Bürgerinnen und Bürger anhören und in die Planungen einbeziehen,