Protokoll der Sitzung vom 28.06.2012

Wir führen darüber keine genaue Statistik. Wir fragen auch nicht die Mehrheiten bei den Kommunen ab. Aber man kennt ja einzelne Kommunen, Einzelfälle, auch Bürgermeis ter. Was auffällt, ist, dass in den Kommunen generell die Be reitschaft sehr viel größer geworden und gewachsen ist, Tem po 30 einzuführen. Jedenfalls landen bei mir selten Briefe mit dem Wunsch „Wir wollen es haben“, sondern meist Briefe, die geschickt werden, wenn dies nicht möglich ist, weil das Regierungspräsidium eine solche Maßnahme zurückgenom men hat.

Wir sind gerade dabei, auch durch Fortbildungsmaßnahmen dazu beizutragen, dass die zuständigen Behörden die Mög lichkeiten der Straßenverkehrs-Ordnung nicht nur einseitig im Sinne des fließenden Verkehrs deuten und nutzen, sondern auch im Interesse der konkret vor Ort betroffenen Menschen. Hauptsächlich betrifft dies Sicherheitsfragen, Lärmschutzfra gen, Fragen der Stadtqualität und -entwicklung und bisweilen auch Fragen der Luftreinhaltung.

Ich will noch dazusagen: In diesem Zusammenhang gibt es z. B. hier in Stuttgart den verstärkten Wunsch, Tempo 30 oder 40 flächendeckend einzuführen. Das können wir jedoch nicht ohne Weiteres z. B. mit Emissionsgründen rechtfertigen. Wenn wir aus Emissionsgründen ein Tempolimit anordnen, müssen wir vorher überprüfen, ob eine Temporeduktion tatsächlich die Emissionen senkt. Das kann man nicht einfach nach Ge fühl machen nach dem Motto „Das haben wir schon immer so gedacht“, sondern man muss den Effekt nachweisen und überprüfen.

Wir haben durch solche Überprüfungen inzwischen die doch etwas überraschende Information erhalten, dass es Einzelfäl le gibt, in denen es bei Tempo 40 weniger Emissionen gibt als bei Tempo 30. Das liegt einfach an der Art der Fahrzeuge und an deren Verbrauch. Es kann sogar sein, dass in eine Richtung mehr emittiert wird als in die andere Richtung, obwohl das gleiche Tempo gefahren wird.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Wenn es z. B. den Berg hinuntergeht!)

Ja, eben, aus solchen Gründen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Physik!)

Es hängt übrigens auch von der Windrichtung ab. Solche Fak toren spielen eine Rolle. Das alles muss man bedenken.

Es liegt eine weitere Zu satzfrage der Kollegin Razavi vor.

Das hört ja heute nicht auf.

Herr Minister, ich komme noch einmal auf das Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen zu rück. Ihre Ausführungen dazu, was das Thema Sicherheit an ging, habe ich nicht ganz verstanden. Klar ist: Eine Autobahn hat zwei Bahnen, damit man schneller darauf fahren kann. Aber auch in Österreich sind die Autobahnen zweibahnig, und trotz des Tempolimits in Österreich ist die Zahl der tödlich verunglückten Autofahrer in Österreich höher als in Deutsch land.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Die können halt nicht fahren!)

Wir vergleichen ja nicht Äpfel mit Birnen, sondern Autobahn mit Autobahn.

Nicht verstanden habe ich auch, dass Sie darauf Bezug ge nommen haben, dass Unfälle vor allem deshalb entstünden, weil Menschen Tempolimits nicht einhalten.

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Das ist uns allen klar. Aber gerade dieses Argument würde ja gegen ein Tempolimit sprechen, weil es im Zweifel nichts hilft, wenn die Menschen sich nicht an das Tempolimit hal ten.

(Unruhe – Zuruf: Pst!)

Das erklärt nicht Ihr Ziel des generellen Tempolimits auf Au tobahnen oder auf Ortsdurchfahrtsstraßen.

Jetzt zu meiner Frage.

(Unruhe – Zuruf: Pst!)

Große Aufregung.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Nein, Freu de!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie doch bitte die Kollegin Razavi letztend lich ihre Frage stellen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: „Letztend lich“!)

Das wäre nett. Vielen Dank.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Auf die Frage warten wir!)

Ich habe noch einmal nachgefragt, weil die Antwort unklar war und auch nicht gepasst hat. Sie war schlicht und ergrei fend unlogisch. Deswegen frage ich noch einmal nach.

Kollegin Razavi, ich möchte Ihnen stellvertretend für alle Zwischenfragerinnen und Zusatzfragerinnen

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Und Fra ger!)

sagen: Eine Zusatzfrage sollte eine kurze Frage ohne eine Feststellung sein.

(Unruhe)

Das ist auch keine Feststellung. Das gilt aber nur, wenn meine erste Frage auch richtig beant wortet wurde. Deswegen musste ich nachfragen.

Bitte schön. Stellen Sie einfach Ihre Zusatzfrage.

Zusatzfrage: Sollten Sie mit Ihrer Initiative im Bundesrat keinen Erfolg haben – es gibt ja nur zwei Bundesländer, die das mit unterstützen –, werden Sie dann für ein generelles Tempolimit auf den Autobahnen in Ba den-Württemberg eintreten und dies auch in Baden-Württem berg umsetzen?

(Abg. Jürgen Filius GRÜNE: Das hat er doch gesagt! Mehr kann er doch nicht sagen!)

Vielen Dank für diese Frage nach langem Anlauf. – Es bleibt dabei: Ein Bundesland – egal, wie es heißt und welcher Minister dort die Verantwortung trägt – kann kein generelles Tempolimit auf den Bundesautobahnen in dem jeweiligen Bundesland einführen.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Bremen macht es aber!)

Erstens: Mit Verlaub, Bremen ist nur wenig kleiner als Ba den-Württemberg.

(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Matthias Pröfrock CDU: Hängt das von der Größe des Landes ab? Das ist aber interessant! – Zuruf der Abg. Nicole Razavi CDU)

Es ist auch eher eine Stadt als ein Land, und die Autobahnen spielen dort eine begrenzte Rolle und sind eher Stadtautobah nen. Da kann man eher mit so etwas arbeiten. Aber selbst Bre men hat mit dem generellen Tempolimit ein rechtliches Pro blem. Das ist auch der Grund, weshalb viele andere da vor sichtig geworden sind. Übrigens gibt es auch CDU-geführte Länder, die auf ihren Autobahnen weitgehend Tempo 120 ha ben.

Jetzt zu der Argumentation „Wenn sich die Leute sowieso nicht an die Regeln halten, warum stellen wir überhaupt eine Regel auf?“: Wenn Sie nach dieser Logik handeln würden, wären Sie hier fehl am Platze.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Das war Ihre Logik!)

Das Wesen von Gesetzen ist, dass man eine allgemeine Regel fasst – egal wo, auf der Autobahn ein Tempolimit –, und man strebt an, dass die meisten Menschen sie einhalten.

(Abg. Nicole Razavi CDU: So ist es! Genau!)

Meist entwickelt man Sanktionsinstrumente und Überwa chungsformen, damit die Regel eingehalten wird.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Genau!)

Aber man dreht es nicht herum und sagt: „Weil die Regel auch gebrochen wird, machen wir schon gar keine Regel.“ Dann hätten wir Chaos.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Aber das war gar nicht das Thema heute!)

Das Problem auf Autobahnen und bei Tempolimits ist, dass wir jedenfalls auf Autobahnen zu wenig Überwachung der Einhaltung des Tempolimits und übrigens auch zu wenig Überwachung bei den Rasern haben. Das liegt nicht daran, dass die Polizei dies nicht machen wollte, sondern daran, dass die Polizei nicht das erforderliche Personal hat, das zu tun. Übrigens liegt die Zuständigkeit für die Überwachung der Ein haltung von Tempolimits bei den Kommunen, und für die ist es oft unattraktiv. Für die Polizei als solche ist es häufig zu teuer; sie hat nichts davon, weil sie die Einnahmen nicht be kommt.

Jetzt komme ich zum letzten Vergleich zwischen Österreich und Deutschland. Frau Razavi, es ist in der Welt so, dass die einfachen Kausalitäten meist nicht weiterhelfen; vielmehr gibt es komplexe Ursachen. Unfälle entstehen nicht nur aus Grün den der Geschwindigkeit, sondern entscheidend für die Un fallhäufigkeit ist neben dem Tempo auch, wie viele Autos fah ren, wie eng die Straßen sind, wie gefährlich sie gebaut sind usw. Das alles führt dazu, dass man letztlich eine Erklärung dafür hat, warum es unterschiedlich viele Unfalltote gibt.