Jetzt komme ich zum letzten Vergleich zwischen Österreich und Deutschland. Frau Razavi, es ist in der Welt so, dass die einfachen Kausalitäten meist nicht weiterhelfen; vielmehr gibt es komplexe Ursachen. Unfälle entstehen nicht nur aus Grün den der Geschwindigkeit, sondern entscheidend für die Un fallhäufigkeit ist neben dem Tempo auch, wie viele Autos fah ren, wie eng die Straßen sind, wie gefährlich sie gebaut sind usw. Das alles führt dazu, dass man letztlich eine Erklärung dafür hat, warum es unterschiedlich viele Unfalltote gibt.
Ich will auch nicht behaupten, dass man allein mit einem Tem polimit auf Autobahnen Unfälle verhindern könnte. Ich will nur sagen, man würde die Autobahnen sicherer, ruhiger und stressfreier machen, und am Ende wäre es auch umweltfreund licher, wenn wir es täten. Ich weiß aber wohl und stelle im mer wieder fest: In Deutschland ein Tempolimit einzuführen ist so schwierig, wie in den USA das Waffenrecht zu ändern.
Manchmal hat man jedenfalls den Eindruck, dass es für man che Leute extrem wichtig ist, dass man wenigstens Freiheit hat, im Prinzip schnell fahren zu können, auch wenn es meist doch nicht möglich ist.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Nicole Razavi CDU: Machen Sie doch eine Volksabstimmung zu diesem Thema!)
Herr Minister, die Aus führung, dass Sie Verkehrsexperten aus den Kommunen mit in Ihr Amt nehmen bzw. über das generelle Tempolimit infor mieren, ist interessant. Aber die Anfragen, die wir oft bekom men, stammen aus den Stadtplanungsämtern, die gerade Stra ßen und Plätze umbauen wollen. Ist vom Ministerium auch daran gedacht, diese Gruppe der Kommunalbeamtinnen und -beamten bzw. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schulen?
Denn ich glaube, dort gibt es einen großen Nachholbedarf. Wir werden auch immer in die Richtung nachgefragt: Was kann der Stadtplaner, die Stadtplanerin tun, um wieder lebens werte Straßen und Plätze zu bekommen, weil gerade die Auf enthaltsqualitäten wieder sehr stark in den Vordergrund ge rückt werden?
Wir haben in Baden-Württemberg eine Reihe von Mo dellversuchen, wie man durch ein Tempolimit auch neue Mög lichkeiten zur Erhöhung der Lebensqualität in der Stadt errei chen kann. Es gibt z. B. einen scheinbar sehr extremen Ver such vor dem Schloss in Schwetzingen. Da ist eine Durch gangsstraße nur im Schritttempo befahrbar. Das wird über wacht. Am Anfang haben viele gedacht, das kann gar nicht funktionieren. Und siehe da, es funktioniert und hat dort eine neue Qualität eröffnet. In Stuttgart wird demnächst in der Tü binger Straße das Projekt Shared Space gemacht.
So gibt es eine Reihe von Projekten, die mit verschiedenen Elementen arbeiten, um mehr Sicherheit und Lebensqualität in den Orten und in den Durchfahrten zu ermöglichen. Wir haben vor, das zu begleiten und die besten Beispiele auch als Weiterbildungsmaßnahme für die kommunal Verantwortli chen, die kommunalen Behörden zu kommunizieren.
Ich hoffe sehr, dass wir alsbald auch so weit sind, dass wir, et wa mithilfe neuer elektronischer Kommunikationsmedien, sprich über eine Homepage, Informationen einstellen, die dann auch problemlos abgerufen werden, damit etwa eine Be hörde vor Ort einfach nachschauen kann, was für Beispiele es gibt oder wie die Rechtslage ist, und gute Ideen sammeln kann. Ich wäre auch durchaus bereit, unsere Plattform dafür zur Verfügung zu stellen, dass Kommunen ihre Beispiele prä sentieren, sodass andere Kommunen diese anschauen können.
M ü n d l i c h e A n f r a g e d e r A b g. V i k t o r i a S c h m i d C D U – G e w a l t i n F u ß b a l l s t a d i e n
Vereine der ersten bis dritten Fußballligen im Land ein ge eignetes Instrument, um frühzeitig der zunehmenden Ge walt in den Fußballstadien entgegenzuwirken?
aus, die Gewalteskalation in den Fußballstadien von der ersten bis zur fünften Liga wirksam zu verhindern?
Frau Präsidentin, werte Kol leginnen und werte Kollegen! Frau Präsidentin, Sie überra schen mich im Prinzip ein bisschen. Ich habe fast damit ge rechnet, dass Sie die Frage unter Buchstabe a vom Staatsse kretär im Kultusministerium beantworten lassen würden. Aber wir sind allesamt gute Mannschaftsspieler, und ich traue mir die Beantwortung der Frage durchaus ebenfalls zu. Der Kol lege Dr. Mentrup könnte dann gegebenenfalls noch ergänzen.
Ich beantworte die Fragen namens der Landesregierung gern, halte es aber für wichtig, zuvor noch darauf hinzuweisen – da rüber sind wir uns, glaube ich, auch einig –, dass bei der Ent stehung von Gewalt im Umkreis des Fußballs außerordentlich vielschichtige Faktoren im Spiel sind, weshalb es zu ihrer Ein dämmung notwendig ist, tatsächlich auch zu unterschiedli chen Maßnahmen zu greifen. Die isolierte Ausweitung einer Maßnahme bzw. der bisherigen Maßnahmen – darunter fallen auch präventive Projekte wie Fanprojekte – ist für sich allein betrachtet noch nicht zielführend. Man muss natürlich auch sagen – das gehört halt dazu –: All diese Projekte kosten Geld und binden entsprechende Ressourcen finanzieller und perso neller Art, und zwar auf unterschiedlichen Ebenen.
Deshalb ist es, glaube ich, wirklich wichtig, dass wir sowohl die präventiven als auch die repressiven Maßnahmen beleuch ten. Vor Kurzem haben wir hierüber bereits im Rahmen einer Aktuellen Debatte diskutiert. Wir müssen zudem schauen, an welchen Stellen die Maßnahmen bestmöglich angesetzt wer den sollten, damit sie die gewünschte Wirkung erzielen.
Ich habe in dieser Aktuellen Debatte darauf hingewiesen, dass hierbei wirklich sowohl Gesprächsbedarf als auch Handlungs bedarf besteht. Für den 12. Juli dieses Jahres habe ich daher eine Konferenz einberufen, wie sie bereits im Jahr 2009 auch schon von meinem Vorgänger einberufen worden war, und zwar zur Frage der Sicherheit bei Fußballspielen in unserem Land. Dabei geht es nicht nur um Spiele in der ersten bis drit ten Liga, sondern bis hinunter zur fünften Liga. Denn die in Rede stehende Entwicklung müssen wir inzwischen leider auch schon im klassischen Amateurbereich zur Kenntnis neh men.
Was Fanprojekte und deren Einrichtung sowie die Auswei tung von bereits bestehenden Fanprojekten betrifft, will ich sagen, dass solche Projekte wirklich nur dann Sinn machen, wenn es hierfür einen gemeinsamen Willen gibt und wenn die Bereitschaft besteht, sich gemeinsam auch finanziell zu enga gieren, wenn also jeder, der von dieser Problematik betroffen ist – Kommunen, Sicherheitsbehörden, Verbände, Vereine –, bereit ist, sich hieran auch finanziell zu beteiligen.
Wir haben auch Beispiele dafür, dass Beteiligte, wie ich sie eben aufgezählt habe, dazu bislang nicht bereit gewesen sind. Aber diese Konferenz soll auch dazu dienen, dies einzufor dern – zuerst geht es vielleicht darum, zu bitten, zu animie ren; dann muss dies jedoch auch entsprechend eingefordert werden.
Bislang sieht die Finanzierungsstruktur bei diesen Projekten so aus, dass die kommunale Seite, der DFB, die DFL und die Landesseite beteiligt sind. Aber in Stuttgart beispielsweise – das muss ich hier einmal sagen – ist eines der Fanprojekte nicht zustande gekommen, weil die Stadt nicht bereit war, sich hieran finanziell zu beteiligen.
Wir haben natürlich auch völlig unterschiedliche Fanprojek te. Es gibt Fanprojekte, die wir unter dem Stichwort „Soziale Jugendarbeit“ laufen lassen können, weil die entsprechenden Zielgruppen Adressat dieser Fanprojekte sind, weil es dadurch möglich ist, szenennahe sozialpädagogische Ansätze zu fin den und gerade diese junge Gruppe davon abzuhalten, sich den Problemfans zugänglich zu fühlen.
Es gibt aber, gerade bei den Vorkommnissen, die wir bei den zurückliegenden Ligaspielen zur Kenntnis nehmen mussten, dieses Problem nicht nur bei Jugendlichen oder jungen Er wachsenen, sondern die Altersgruppe geht zum Teil deutlich darüber hinaus. Da gibt es Ansätze, die, wie ich finde, geeig net sind, auch von anderen Vereinen übernommen zu werden. Auch dazu soll diese Konferenz dienen, damit andere ihre po sitiven Erfahrungen auch einmal vorstellen können. Es gibt, wie gesagt, Fanprojekte in Karlsruhe und auch in Mannheim. Ein relativ neues Fanprojekt haben wir in Hoffenheim; ich glaube, davon habe ich schon erzählt. Es gibt ein Fanprojekt in Heidenheim – dognbone.tv – und Ähnliche.
Wir haben natürlich auch zur Kenntnis zu nehmen, dass be stehende Fanprojekte nicht immer die gewünschten Erfolge haben. Um es mit ein bisschen Zurückhaltung zu sagen: In Mannheim und in Karlsruhe sind die Projekte im Ergebnis nicht so erfolgreich, wie wir es uns wünschen würden. Da muss man ein bisschen tun; da kann man auch einmal evalu ieren und so herausfinden, wo es Verbesserungsbedarf gibt, wo man gelegentlich auch ein bisschen nachsteuern kann. In Hoffenheim können wir das noch nicht, weil das dortige Pro jekt, wie gesagt, erst 2011 auf den Weg gebracht wurde.
Deshalb ist der Ansatz völlig richtig, Frau Schmid: Wir dür fen in diesen Bemühungen keinesfalls nachlassen oder auch nur im Traum daran denken, sie einzustellen. Aber vielleicht können wir sie fortentwickeln, wie wir es in anderen Berei chen auch machen.
Zu b: Die Frage war sinngemäß: Was können wir darüber hi naus tun, um bei der Eindämmung von Gewalt in Fußballsta dien voranzukommen? Ich glaube schon, dass wir da insge samt gefordert sind, dass da viele Verfahrensbeteiligte gefor dert sind, nicht nur das Land. Gewaltexzesse können wir, den ke ich, nur in einem Miteinander eindämmen, mit den Netz werkpartnern, die es gibt. Dabei sollten wir auch überlegen: Können wir noch andere Netzwerkpartner einbinden? Verei ne und Verbände hatte ich genannt, Fanprojekte, Kommunen, natürlich die Polizei im Land, die dabei wirklich einen we sentlichen Anteil leistet, kurzum: alle Institutionen, die es da gibt, auch die örtlichen Ausschüsse für Sport und Sicherheit. Diese sind natürlich auch zu der Gesprächsrunde Mitte Juli eingeladen.
Wir werden dabei die etablierten Maßnahmen noch einmal in den Blick nehmen. Wir werden uns aber auch Konzepte über
legen, die dann Ihrer Intention entsprechen – so nehme ich es wahr –, und schauen: Wo können wir tatsächlich mehr tun?
Im Bereich der Polizei haben wir dies, wenn man so will, schon auf den Weg gebracht. Dazu sind wir auch gern bereit; das habe ich vor Kurzem in der Aktuellen Debatte schon ge sagt. Was aber nicht geht – das sage ich auch noch einmal ganz deutlich –, ist, dass man die Problematik ausschließlich der Polizei zuordnet und sagt: Die Polizei soll diese Probleme lö sen, mit mehr Personal, mit mehr Einsatz. Ich hatte Ihnen die Fallzahlen genannt, die enorm hoch sind und unsere Polizei, neben all den anderen Problematiken, massiv und über Ge bühr belasten. In diesem Bereich können wir nicht mehr tun.
Was wir aber tun können: Wir werden ein entsprechendes Handlungskonzept, Führungs- und Einsatzordnung genannt, allen Polizeieinheiten vor Ort, wenn man so will, vorschrei ben, es ihnen mit auf den Weg geben, und wir werden die Dienststellen verpflichten, nach diesen Einsatz- und Führungs konzepten zu verfahren. Das heißt im Klartext, wir wollen ih nen vom Innenministerium aus Rückendeckung bei ihrer Ar beit geben. Wir werden uns auch mit den vorhandenen Ein richtungen, die wir im Haus haben, den Ansprechpartnern vor Ort zur Verfügung stellen, um dort Beratung und Unterstüt zung zu leisten, wo immer dies möglich ist.
Darüber hinaus – das will ich an dieser Stelle auch nicht ver schweigen – fordern wir – das wird auch ein wesentlicher Teil dieser Besprechung am 12. Juli sein – einen konsequenten Umgang mit Maßnahmen, die wir vielfältig diskutiert haben. Ich hatte bei der Diskussion vor wenigen Wochen den Ein druck, wir denken da alle – weitestgehend jedenfalls – in die selbe Richtung.
Das Stichwort Stadionverbote haben wir dort eingebracht. Ich will es einfach noch einmal in Erinnerung rufen: Wenn von rund 14 000 beantragten Stadionverboten – bundesweite Zah len wohlgemerkt – nur etwa 1 000 tatsächlich umgesetzt wer den, ist dies einfach zu wenig, weil die Vereine offensichtlich Probleme haben, mit ihren eigenen „Fans“ entsprechend um zugehen.
Deshalb, denke ich, lohnt es sich, in diesem Bereich darüber nachzudenken, ob es eine zentrale Stelle geben sollte, die Sta dionverbote ausspricht, z. B. angelehnt – dies nur als Denk vorschlag – an die Sportgerichtsbarkeit. In bestimmten Ligen wird das nämlich auch gemacht, nämlich in den Amateurli gen in unserem Bundesland Baden-Württemberg. Für diese sind nämlich die Verbände als Sportgerichtsbarkeit zuständig. Warum sollte man das nicht auch auf Bundesebene entspre chend formulieren?
Das ist aber nur ein Denkanstoß. Das Ergebnis kenne ich noch nicht. Aber zumindest lohnt es sich, darüber zu diskutieren.
Natürlich werden wir auch ein großes Augenmerk darauf len ken, dass wir möglichst eine einheitliche Regelung hinbekom men, was die Qualifizierung z. B. von Ordnern anbelangt, was die erforderliche Personenzahl von Ordnern anbelangt. All diese Maßnahmen werden, wie gesagt, von uns jetzt auf die Diskussionsebene gebracht. Es gibt gute Beispiele, wo es funktioniert hat. Nach den Vorkommnissen in den Jahren 2008 und 2009 hatten wir eine Verbesserung. Jetzt hat sich das wie der dramatisch verschlechtert. Deshalb ist der Handlungsbe
darf in Ihrem Sinn – so habe ich Ihre Anfrage verstanden – durchaus gegeben. Ich habe versucht, deutlich zu machen: Wir handeln.