Es gibt bei uns die Gewaltenteilung. Da gibt es die Legislati ve, und es gibt die Exekutive. Der Gesetzentwurf – um das noch einmal klarzustellen – der Exekutive war besser. Den wollen wir gern wieder haben. Die Legislative in ihrer Mehr heit hat einen geänderten Entwurf verabschiedet.
(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Ein Teil! – Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Eine Teilmehr heit!)
Jetzt ereifern Sie sich hierüber in einer Aktuellen Debatte. Ich habe in den elf Jahren, in denen ich dem Landtag angehöre, viele Debatten erleben dürfen, die mal weniger, mal mehr von Bedeutung waren. Aber weder hinsichtlich der Aktualität die ses Themas – denn wir wissen alle, dass der Bundesrat die Korrekturen vornehmen möchte – noch hinsichtlich des Ti tels, noch aufgrund der Kritikpunkte, die Sie uns vorwerfen, gehört die Debatte in dieses Haus. Die Kritik können Sie bei Parteitagen oder sonst irgendwo verkünden,
(Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Daran werde ich Sie bei jeder Debatte erinnern, die von der CDU kommt!)
aber wir hier im Haus sind uns einig, wohin die Reise gehen soll. Wir werden auch künftig, Herr Klingbeil, den Daten schutz in unserem Land aufrechterhalten und stärken. Aber wir, der Landtag von Baden-Württemberg, sollten uns mit den Themen beschäftigen, die wir als Landesparlament, als Lan deslegislative zu begleiten haben.
Wir hätten da genügend Stoff, den wir aufarbeiten könnten. Wir müssen nicht Debatten künstlich hier einbauen. Dann las sen wir lieber einmal einen Plenartag ausfallen und sind dann draußen bei den Bürgerinnen und Bürgern.
Im Übrigen sollten wir, wenn wir jetzt auch alles bei den Kol legen des Deutschen Bundestags kritisieren können, vielleicht am Schluss doch auch dankbar sein, dass nach dieser Debat te und den Skurrilitäten bei diesem Verfahren um das Melde gesetz jetzt wenigstens die Sensibilität, was Datenschutz an belangt, durch diese Debatten – egal, wo sie geführt werden – wieder ins Bewusstsein der Bürgerschaft rückt.
Ich möchte auch darauf hinweisen, dass die Menschen bei uns im Land keine Angst haben müssen, dass die Daten, die bei der öffentlichen Verwaltung vorliegen, missbraucht werden können. Sie sollten sich jedoch auch dessen bewusst werden, dass die größeren Gefahren durch die Datenkraken gegeben sind, die um uns herumschlingern und die auch im privaten Umfeld – bei Gewinnspielen, bei Facebook und bei vielen an deren Möglichkeiten – Daten sammeln, woraus sich die Ge fahr eines Datenmissbrauchs ergibt, der wesentlich gefährli
cher ist. Darauf müssen wir bei jeder Gelegenheit hinweisen. Deshalb möchte ich das auch hier noch einmal erwähnen.
Wir könnten auch als Landesgesetzgeber noch verstärkt dar auf hinweisen und uns auch überlegen, wie wir vor allem auch junge Menschen noch etwas sorgfältiger in dieser Welt beglei ten könnten, in der der Datenmissbrauch nicht nur ein zuneh mendes Ärgernis ist, sondern auch gefährliche Dimensionen annehmen kann.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Pauli, ich glaube, es war ganz gut, dass das Thema für die Ak tuelle Debatte bereits spätestens am Montag festgelegt wer den musste und es vor einer halben Stunde oder Stunde kei ne Möglichkeit mehr gab, das Thema zu wechseln. Insofern ist es sicherlich auch in Ihrem Interesse, dass wir jetzt über das Melderecht sprechen und nicht über Hausdurchsuchun gen, die parallel zu dieser Sitzung stattfinden, meine Damen und Herren.
Wenn Sie sagen, diese Debatte zum Melderecht gehöre nicht in den Landtag, weise ich darauf hin: Wenn der Bundestag sein Geschäft getan hätte, wären jetzt nicht alle Hoffnungen der Bundesregierung und der Abgeordneten des Deutschen Bundestags auf den Bundesrat gerichtet und würden nicht al le hoffen, dass der Bundesrat eine Änderung vornimmt. So mit ist es mittlerweile Ländersache, und damit gehört es in den Landtag von Baden-Württemberg, meine Damen und Her ren.
Die SPD-Bundestagsfraktion – Herr Kollege Pauli, da gebe ich Ihnen recht – hat den ersten Entwurf der Legislative
Entschuldigung, der Exekutive – ausdrücklich begrüßt, und zwar in der Sitzung des Innenausschusses des Bundestags am 26. April. Dabei blieb es aber nicht. Kollege Uhl und die an deren Kollegen von CDU/CSU und FDP im Deutschen Bun destag haben durch ihren bahnbrechenden Änderungsantrag den Datenschutz auf den Kopf gestellt. Auf Seite 24 der elek tronischen Vorabfassung der Bundestagsdrucksache 17/10158 steht – das möchte ich mit Erlaubnis der Präsidentin gern zi tieren –, dass die Koalitionsfraktionen von einem „zukunft weisenden“ Änderungsantrag sprechen, der „neue Maßstäbe hinsichtlich des Datenschutzes“ setze.
Es ist ein zukunftweisender Änderungsantrag, aber nicht im Sinne der Bürgerinnen und Bürger, sondern im Sinne der Wer bewirtschaft und der Adresshändler, meine Damen und Her ren.
Dann ist ja viel von dieser Geistersitzung die Rede. Ich glau be, da haben alle Parteien nicht unbedingt Grund, aufeinan der zu schimpfen. Das passiert auch hier allenthalben einmal, dass der Plenarsaal nicht voll ist. Bei einem Halbfinalspiel der deutschen Nationalmannschaft kann man ein gewisses Ver ständnis aufbringen. Wenn man sich aber die Reden anschaut, die dort zu Protokoll gegeben worden sind, stellt man fest, dass es für manchen Kollegen im Deutschen Bundestag viel leicht besser ist, dass er sie nur zu Protokoll gegeben hat und sie nicht halten musste. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Helmut Brandt weist in der Rede, die er zu Protokoll gegeben hat, darauf hin, im Zuge des parlamentarischen Verfahrens sei der Schutz des Einzelnen gestärkt worden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade das Gegenteil war der Fall.
Was ist drei Wochen nach der Beschlussfassung über das Ge setz passiert? Niemand wusste, dass es das Gesetz überhaupt gab, die Verbraucherschutzministerin Aigner sagt sogar – Zi tat –: „Dieses Gesetz ging an uns vorbei.“ Ein Gesetz, dessen Gegenstand der Verbraucherschutz ist, geht also einfach so am Verbraucherschutzministerium vorbei. Liebe Kolleginnen und Kollegen, so kann man mit Verbraucherschutz nicht um gehen.
Um noch einmal auf das Verhältnis Exekutive/Legislative zu rückzukommen: Die Legislative war in diesem Fall gar nicht in der Lage, selbst einen Änderungsantrag zu formulieren. Kollege Uhl aus dem Bundestag weist darauf hin, dass die Formulierungshilfe von der Exekutive kam. Das heißt, eine Trennung von Exekutive und Legislative in der Gesetzgebung zu behaupten ist nicht sachgerecht. Herr Kollege Pauli, ich glaube, wir sind uns einig, dass beides nicht so streng vonei nander zu trennen ist. Wenn jetzt mit Schützenhilfe des Mi nisteriums, das den ursprünglichen Vorschlag eingereicht hat, ein Änderungsantrag formuliert wird, kann ich, liebe Kolle ginnen und Kollegen, bezogen auf diese Bundesregierung und die Koalition im Bund nur sagen: Sie wissen nicht, was sie tun.
Ich glaube, dass der ganze Vorgang nicht dazu angetan ist, mehr Vertrauen in die Politik zu gewinnen. Ich meine aber, dass dieser Vorgang auch für uns hier im Landtag zwar nicht unbedingt eine Lehre ist, uns aber doch veranlasst, innezuhal ten und darauf zu achten, dass Gesetzgebung nicht zum Ta gesgeschäft werden darf. Bei jedem Gesetz muss, auch wenn hier viele Gesetze verabschiedet werden, immer auch genau nachgeschaut werden und genau überlegt werden, was darin steht. Ich glaube, das kann für uns alle, die hier an der Gesetz gebung beteiligt sind, eine Lehre sein, dass man noch einmal genau nachschaut.
In diesem Sinn bin ich jetzt davon überzeugt, dass die Lan desregierung, die dankenswerterweise durch Minister Fried
rich sehr früh gesagt hat, dass sie dagegen ist, das Gesetz im Bundesrat stoppen wird. Dann, glaube ich, werden wir ge meinsam – die Verantwortlichen im Landtag und auch im Bundestag und in der Bundesregierung – einen guten Daten schutz in Deutschland erreichen.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Natürlich kann und sollte man immer und überall über den Datenschutz diskutieren, wenn es zu irgendeinem Fortschritt führt. Aber eines fällt natürlich an der generellen Debatte zu diesem Komplex schon auf. Diese Debatte – ich meine nicht die jetzige Debatte hier, sondern die generelle Debatte zu diesem Gesetz – enthält sehr viel Schein heiligkeit.
Zweitens leistet diese Debatte auch einer Politik dergestalt Vorschub, dass man am Morgen das eine behauptet, am Nach mittag das andere und am dritten Tag wieder etwas anderes. Deswegen rate ich, bei den Fakten anzufangen. Da, lieber Herr Salomon, wollen wir die Leute nicht nur mitnehmen – das würde uns, der Fraktion der FDP/DVP, nicht reichen –, son dern wir wollen sie selbst laufen lassen und auch selbst den ken lassen.
Schauen wir uns einmal den gegenwärtigen Rechtszustand an. Wenn Sie das tun, werden Sie feststellen, dass wir gegenwär tig einen Rechtszustand haben, der von allen, die in dieser De batte mitdiskutieren, irgendwann einmal entweder aktiv un terschrieben worden ist oder zumindest so gehandhabt wird. Wir haben durch die Ländergesetze einen Rechtszustand er halten, den die Verantwortlichen – auch Rot und Grün – ent weder so gestaltet oder nicht geändert haben. Das war auch in NRW nicht der Fall, wo Rot-Grün schon ein paar Jahre re giert. Jedenfalls ist der jetzige Zustand schlechter als der, den das im Bundestag geänderte bzw. beschlossene Gesetz vor sieht. Das wollen wir einmal festhalten.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Alexander Salomon GRÜNE: „Aus schließliche Gesetzgebung“ ist das Stichwort!)
Das ist das, was man als scheinheilig empfinden kann. Das jetzige Bundesgesetz ist jedenfalls besser als die bisherigen Regelungen.
Vom Kollegen Pauli ist zu Recht auch darauf hingewiesen worden, dass das Gesetz zunächst mit einer Einwilligungslö sung in den Bundestag kam. Deswegen darf man eigentlich nicht davon sprechen, einen Gesetzentwurf der Bundesregie rung vorliegen zu haben. Der Gesetzentwurf ist in der Tat im Parlament verändert worden. Wenn man die Spur ein bisschen verfolgt, führt sie in der Tat in Richtung CSU und natürlich nicht in Richtung FDP, denn wir sind durchaus Freunde der
Einwilligungslösung. Begründet wurde es interessanterweise – das wissen Sie aber auch – nicht mit einem Änderungsver langen von Adresshändlern oder Inkassounternehmen, son dern mit einem Änderungsverlangen der Meldebehörden,
(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Es wäre aber ehrlicher gewesen, Sie hätten es andersherum gesagt!)
was insofern nachvollziehbar ist, als der erste Vorschlag den Meldebehörden mehr Arbeit gemacht hätte. Ich lege nur den Hergang dar, damit nicht wieder gleich die üblichen Feindbil der von Ihnen aufgebaut werden. So einfach darf man es sich auch nicht machen.