Protokoll der Sitzung vom 18.07.2012

Ich habe es bereits gesagt: Wir sind der Auffassung, dass Ba den-Württemberg als finanzstarkes Land durchaus auch wei terhin schwächere Länder unterstützen kann, wenn der Fi nanzausgleich fair und gerecht ausgestaltet ist.

Wir meinen, dass sich in der Vergangenheit die Südschiene – die Länder Bayern, Baden-Württemberg und in diesem Fall auch Hessen – bewährt hat. Wenn sich diese drei Länder ei nig waren, konnte man in Berlin auch vieles zum Wohle Ba den-Württembergs und der Bürgerinnen und Bürger im Land durchsetzen.

Was den Länderfinanzausgleich betrifft, sehen wir weitere Verhandlungen nicht mehr als zielführend an. Denn diese Ver handlungen sind außerordentlich langwierig. Die Zeit für ei ne Klage ist jetzt reif.

Ich frage daher die Landesregierung, wann sich die Landes regierung der Klage des Freistaats Bayern gegen den Länder finanzausgleich anschließt bzw. welche Gründe gegen eine Klage gegen den Länderfinanzausgleich sprechen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Für die Landesregie rung erteile ich das Wort dem Herrn Ministerpräsidenten.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Landesregierung setzt auf Ver handlungen. Das hat die Landesregierung von vornherein ge tan, und sie hat dazu die Initiative in der Ministerpräsidenten konferenz ergriffen. Ich habe das durchaus in Abstimmung mit den anderen Geberländern Bayern und Hessen gemacht, und wir haben verschiedene Vorstöße unternommen, um zu einer Verhandlungslösung zu kommen.

Bei der letzten Bundesratssitzung haben wir, nachdem es zu vor auf einer Ministerpräsidentenkonferenz besprochen wor den war, noch einmal den Vorschlag eingebracht, entweder an einer kleinen Lösung, die den Länderfinanzausgleich im en geren Sinn behandelt, oder an einer großen Lösung, die die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern sowie zwi schen den Ländern untereinander behandelt, zu arbeiten. Wir haben allerdings darum gebeten, dass zumindest eine Decke lung der Beiträge der Geberländer geprüft wird. Das wurde von den Nehmerländern abgelehnt. Vor allem Ministerpräsi dent Seehofer war nicht bereit, länger zu verhandeln, und möchte nun den Klageweg beschreiten.

Es ist allerdings von dieser Arbeitsgruppe, an der fast alle Mi nisterpräsidenten beteiligt waren, noch einmal Herrn Kolle gen Scholz, dem Regierungschef von Hamburg, der Auftrag erteilt worden, einen ambitionierten Zeit- und Arbeitsplan vor zulegen, um zu schauen, ob man nicht doch noch zu einer Ver handlungslösung kommt. Diesen Plan wird Herr Kollege Scholz in Bälde vorlegen. Das ist jetzt sozusagen der Versuch Hamburgs als Geberland – die Summen, die Hamburg bezahlt, sind natürlich wesentlich geringer, aber Herr Scholz ist Re gierungschef einer mit absoluter Mehrheit geführten Regie rung und besitzt großes Ansehen unter den SPD-regierten Län dern –, vermittelnd zu wirken, was uns, den starken Geber ländern, nach einem Jahr nicht gelungen ist. Dieser Versuch wird jetzt gestartet. Nun wollen Hessen und wir einmal ab warten, ob es noch zu einer Verhandlungslösung kommt. Das ist der eine Teil.

Zweitens: Nach Lage der Dinge, Herr Abg. Herrmann, müs sen wir immer verhandeln. Wir gehen davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht das Ganze, wie auch bei der letz ten Klage, an den Gesetzgeber zurückgeben wird, der über die Gestaltung verhandeln muss – selbst wenn eine Klage Erfolg hätte. Nach Lage der Dinge müssten wir auf jeden Fall ver handeln. Darum ist meine Ansicht: Verhandeln wir doch bit te gleich, sonst verlieren wir Jahre. Denn es wird Jahre dau ern, bis das Bundesverfassungsgericht eine solche Klage be scheidet. Dann müssen wir diesen schwierigen Verhandlungs

weg ohnehin gehen. Um Verhandlungen kommen wir also oh nehin nicht herum. Das ist das Zweite.

Deswegen weiß ich nicht, warum Sie vom Klagen so begeis tert sind, zumal die Politik damit nicht gerade zeigt, dass sie einen eigenen Gestaltungswillen hat. Man muss sich nicht wundern, wenn das Bundesverfassungsgericht sehr hohe Zu stimmungswerte bei der Bevölkerung hat, was die Politik von sich leider nicht sagen kann.

Drittens: Wenn man klagt, muss man Aussicht auf Erfolg ha ben. Man muss wirklich einmal gründlich untersuchen, ob das überhaupt der Fall ist.

(Zuruf des Abg. Konrad Epple CDU)

Ich weiß nicht, woher Sie die Sicherheit nehmen, dass das Bundesverfassungsgericht eine Klage so bescheidet, dass sie zugunsten der Geberländer ausgeht. Wo steht so etwas? Wir sind gerade dabei, das intern zu prüfen. Ich kann jedenfalls nur sagen: Ich weiß nicht, wie Sie zu der Meinung kommen, dass das Bundesverfassungsgericht sozusagen die Auffassung der Geberländer übernimmt.

Jetzt kann man fragen: Was hat sich seit der letzten Klage ver ändert? Seit der letzten Klage hat sich verändert, dass die Zahl der Geberländer noch einmal geschrumpft ist – im Kern auf drei Länder. Von diesen Ländern zahlt Bayern heute über die Hälfte in den Länderfinanzausgleich ein, während Berlin 40 % aus dem Länderfinanzausgleich entnimmt. Wir können davon ausgehen, dass dies das Bundesverfassungsgericht vielleicht nicht unbeeindruckt lassen wird.

Aber ich nenne Ihnen nur einmal einen Punkt: Wenn das Bun desverfassungsgericht z. B. die Finanzkraft der Kommunen stärker einbezieht, haben wir ganz schlechte Karten. Denn un sere Kommunen stehen besser da als die Kommunen in ir gendeinem anderen Land.

(Zuruf des Abg. Konrad Epple CDU)

Das müssen Sie einfach einmal sehen. Das sind Punkte, die man berücksichtigen muss. Wir müssen nach Lage der Dinge davon ausgehen, dass das Bundesverfassungsgericht jeden falls an einem Länderfinanzausgleich festhält.

Wir führen eine Prüfung durch, und wir schließen ja eine Kla ge nicht aus.

Wir sind eher dabei, zu überlegen, ob wir die Erfolgsaussich ten einer solchen Klage nicht noch einmal von einem renom mierten Verfassungsrechtler von außen überprüfen lassen müssen.

(Abg. Winfried Mack CDU: Das würde ich empfeh len!)

Aber dass man das sorgfältig macht, bevor man klagt, ist doch selbstverständlich.

Auch der Kollege Seehofer, der da jetzt...

(Glocke des Präsidenten)

Herr Ministerpräsi dent – –

... etwas uner wartet einfach auf den Klageweg gegangen ist, braucht offen sichtlich bis zum Jahresende, um die Klageschrift auszuarbei ten. Das sieht mir doch etwas nach Schnellschuss aus. Diesen Weg gehen wir nicht. Wir wollen erst einmal verhandeln. Wenn die Verhandlungen scheitern, erwägen wir – das tun wir parallel –, ob eine Klage Aussicht auf Erfolg hat. Dann wird sie, Herr Kollege Herrmann, auch nicht ausgeschlossen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Glocke des Präsidenten)

Herr Ministerpräsident, ich wollte Sie nur darauf hinweisen: Die Antwort darf immer höchstens fünf Minuten dauern. Ich unterbreche sehr ungern.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jetzt üben wir doch erst einmal! – Zuruf des Abg. Reinhold Pix GRÜNE)

Entschuldigung.

Eine Zusatzfrage, Herr Abg. Mack.

Herr Ministerpräsident, Sie le gen jetzt hier gegenüber der Presse und dem Parlament dar, warum Ihrer Meinung nach eine Klage vielleicht sogar zum Scheitern verurteilt wäre. Meinen Sie nicht, dass Sie dadurch Ihre Verhandlungsposition in der Ministerpräsidentenkonfe renz und gegenüber den anderen Ländern schwächen? Denn warum sollen die anderen Länder Zugeständnisse machen, wenn Sie von vornherein sagen, eine Klage habe wenig Aus sicht auf Erfolg?

(Abg. Ingo Rust SPD: Das hat er nicht gesagt!)

(Zuruf der Abg. Beate Böhlen GRÜNE)

Bitte, Herr Minister präsident.

Herr Kollege Mack, das wissen wir noch nicht. Wir lassen prüfen, welche Erfolgsaussicht eine Klage hat. Aber damit haben sich außer uns schon mehrere andere beschäftigt. Das ist jedenfalls nicht so eindeutig, wie Sie das gern hinstellen. Das lassen wir über prüfen.

Ich habe ja z. B. einen gewichtigen Grund genannt, weshalb ich glaube, dass das beim Bundesverfassungsgericht schon wirken wird. Ich will aber noch einmal betonen: Das Bundes verfassungsgericht kann immer nur den bestehenden Länder finanzausgleich korrigieren.

(Abg. Winfried Mack CDU: Genau!)

Gestalten können wir ihn nur selbst. Von dem bestehenden Länderfinanzausgleich halte ich nichts. Er ist ein anreizfeind liches System und rein einnahmeorientiert. Das heißt, es be stehen keine Anreize. Wenn die Länder, die heute in den Län derfinanzausgleich einzahlen, mehr für ihre Steuerkraft tun, geben sie das meiste davon ab. Ein Nehmerland, das dassel be macht, bekommt dann weniger aus dem Länderfinanzaus gleich. Das ist überhaupt kein Anreiz für das betreffende Land.

Ein solches anreizfeindliches System muss man ändern.

(Zuruf des Abg. Winfried Mack CDU)

Zudem ist es sinnvoll, andere Dinge wie die Bundesergän zungszuweisungen und den Umsatzsteuerausgleich mit ein zubeziehen, die ganzen Finanzströme neu zu ordnen und ein neues, transparentes, faires, anreizfreundliches System zu schaffen. Darüber besteht im Kern Einigkeit.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Der eine erhebt Ge bühren, der andere nicht!)

Aber die Interessen liegen weit auseinander. Jetzt nehmen Sie einfach einmal zur Kenntnis: Die Geberländer sind zu dritt, mit Hamburg zu viert. Der Rest sind Nehmerländer. Damit sind die Mehrheitsverhältnisse doch einigermaßen klar.

(Zurufe von der CDU, u. a. Abg. Winfried Mack: Ja, eben!)

Ja, deswegen muss man verhandeln.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Weitere Zusatzfrage, Herr Abg. Herrmann.

(Abg. Winfried Mack CDU: Das geht aus wie das Hornberger Schießen!)