Protokoll der Sitzung vom 18.07.2012

Und das ist gut so, und es ist auch wichtig.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Akzeptanz von Ho mosexualität in unserer Gesellschaft ist leider immer noch kei ne Selbstverständlichkeit. Wenn man sich vergegenwärtigt, wie schwierig es war, für den diesjährigen Christopher Street Day in Stuttgart einen Schirmherrn zu finden, dann merken wir doch, dass noch viel Aufklärungs- und Gleichstellungsar beit zu leisten ist.

(Beifall bei den Grünen)

Das Motto des diesjährigen CSD passt übrigens ganz gut zu unserem heutigen Thema. Es lautet nämlich: GLEICHBE SCHÄFTIGT. Wir, der Landtag, können natürlich nur für die Beamtinnen und Beamten in unserem Land Entscheidungen treffen – für den Großteil der Menschen, nämlich für diejeni gen, die in Unternehmen beschäftigt sind, müssen andere In strumente greifen –, um die Gleichbehandlung aller Menschen im Berufsleben anzugehen.

(Unruhe – Zurufe: Pst! – Glocke des Präsidenten)

Dazu gehört für uns eben auch die Gleichstellung im öffent lichen Dienstrecht, insbesondere im Besoldungs- und Versor gungsrecht.

Lassen Sie mich bitte an dieser Stelle sagen, dass ich es sehr schade finde, dass die IHK Stuttgart leider eine große Chan ce verpasst hat, sich dieses Themas anzunehmen, indem sie bedauerlicherweise kein Grußwort für den CSD beisteuert, was wir eigentlich nur von früheren Ministerpräsidenten kann ten.

(Zuruf des Abg. Matthias Pröfrock CDU)

Hauptgeschäftsführer Richter äußert sich zum CSD in der Form:

Die Parade mit Leuten, die sehr bunt bis kaum bekleidet sind, ist nichts, mit dem Unternehmen viel anfangen kön nen.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Das hat jetzt nicht viel mit dem Gesetzentwurf zu tun!)

Das zeigt, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die Thema tik noch nicht verstanden worden ist.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Von wem? Von de nen oder von dir? – Vereinzelt Heiterkeit – Zuruf: Von der Rednerin!)

Natürlich ist Homosexualität ein Thema für die Unternehmen. – Lieber Kollege Zimmermann, die Verwaltung ist auch ein Unternehmen. Das möchte ich Ihnen noch einmal klarmachen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Es geht hier um die Gleichstellung, nicht um die Parade! – Gegenruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Aber wenigstens ist da das Wetter besser!)

Jetzt geht es um das Thema „Gleichstellung von Beschäftig ten in Unternehmen“, egal, ob es Unternehmen in der freien Wirtschaft sind oder ob es die Verwaltung ist.

Drei Viertel der Schwulen und Lesben wurden schon einmal diskriminiert, ein Zehntel der Schwulen und Lesben waren so

gar körperlicher Aggression ausgesetzt. Dies zeigt eine Un tersuchung der Universität Köln.

Weder bei der Parade noch bei anderen CSD-Veranstaltungen ist die Mehrheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer oder Gäste ausschließlich bunt oder wenig bekleidet. Ich verweise in diesem Zusammenhang nur auf den CSD-Empfang

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Thema verfehlt!)

des Ministerpräsidenten in der Villa Reitzenstein oder auf den CSD-Empfang der Stadt Stuttgart im Rathaus.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Aber Reitzenstein mit „tz“ geschrieben!)

Ich hoffe, dass Ihre Zwischenrufe, Herr Zimmermann, nach her der großen Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden können. Dann sieht man einmal das Niveau,

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Sie reden am Thema vorbei, Frau Kollegin!)

auf dem Sie sich noch immer bewegen, sobald man dieses Thema anspricht.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Da passt es vielleicht ganz gut, zu sagen: Es gibt noch viele Vorurteile und Diskriminierungen abzubauen – auch hier im Landtag –,

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Auch bei Herrn Zimmermann! – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

bis tatsächlich auch gleiche Pflichten und gleiche Rechte für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender gelten.

Daher ist es ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Gleichstel lung, wenn wir heute ein Gesetz verabschieden, das verpart nerte lesbische oder schwule Beamte künftig in Versorgung und Besoldung gleich behandelt wie heterosexuelle Paare.

In seiner Entscheidung vom 7. Juli 2009 – das hat der Kolle ge vorhin auch erwähnt – hat das Bundesverfassungsgericht die Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Le benspartnerschaft beanstandet. Demnach sind familienrecht liche Institutionen der Ehe und der Lebenspartnerschaft juris tisch vergleichbar, weil sie eine auf Dauer übernommene, auch rechtlich verbindliche Verantwortung für den Partner begrün den. Eine Besserstellung der Ehe, etwa wegen einer abstrak ten Vermutung, aus ihr würden Kinder hervorgehen, ist dem nach mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar.

Diese Argumentationslinie hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 21. Juli 2010 bestätigt und somit den Gesetzgeber verpflichtet, sämtliche Ungleichbehandlun gen zwischen Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft zu beseitigen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb ist es höchste Zeit, auch in Baden-Württemberg einen verfassungsgemäßen Zu stand herzustellen, den die alte Landesregierung aus ideolo gischer Verblendung absichtlich nicht hergestellt hat. Obwohl die Dienstrechtsreform genau zu dieser Zeit, eben im Herbst

2010, verabschiedet wurde, haben sich die damaligen Regie rungsfraktionen CDU und FDP/DVP geweigert, die notwen digen Korrekturen vorzunehmen.

Zum Abschluss möchte ich gern die Ausführungen des Kol legen Löffler in der ersten Lesung am 28. Juni 2012 zitieren:

Die Lücke im Landesbeamtenrecht sollten wir schließen.

Ich empfehle meiner Fraktion, dem Gesetz zuzustimmen.

Dem kann ich nur zustimmen. Ich möchte Sie alle einladen, diesem Gesetzentwurf heute zuzustimmen.

Danke schön.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Sakellariou das Wort.

(Abg. Sascha Binder SPD: Guter Mann!)

Herr Präsident, meine Da men und Herren! Wir behandeln den vorliegenden Gesetzent wurf heute in der zweiten Lesung. Wir haben alle unsere Ar gumente schon vorgetragen. Insofern können wir es auch kür zer machen.

(Vereinzelt Beifall – Abg. Karl Zimmermann CDU: Sehr gut!)

Eine Änderung gegenüber der ersten Lesung gibt es aber wohl bei der Haltung der CDU-Fraktion. Ich habe mich sehr über die damalige Ankündigung des Kollegen Dr. Löffler gefreut, dass er seiner Fraktion empfiehlt, der Gesetzesänderung zu zustimmen; denn wir müssen tatsächlich damit aufhören, ei ne Gruppe von Menschen auszugrenzen.

Alle Schwulen und Lesben – seien sie Beamte oder nicht Be amte – haben das Recht, glücklich zu sein. Sie haben Eltern, die gemeinsam mit ihren Kindern wollen, dass diese sich glücklich auf eine Partnerschaft einlassen können und dass sie diskriminierungsfrei in unserem Land leben können. Was wir heute beschließen, ist ein kleiner Baustein dazu.

Herr Kollege Kößler, dass jeder hier an diesem Pult seine Mei nung frei sagen können soll, ist natürlich selbstverständlich. Es geht aber nicht nur um eine Meinungsäußerung zu dieser Frage, sondern es geht um die Verfassungsmäßigkeit. Die Ver fassungsmäßigkeit ist ein hohes Gut. Es ist uns ins Stamm buch geschrieben worden, die betreffende Regelung jetzt auch zu vollziehen. Diese wird aus meiner Sicht gut vollzogen.

Es ist angesprochen worden, dass damit der Landeshaushalt mit über 5 Millionen € belastet werden wird. Das ist eine ho he Summe. Man darf hier ruhig einmal erwähnen, dass wir bereit sind, diesen hohen Betrag aus verfassungsrechtlichen Gründen bereitzustellen, weil wir das hohe Ziel erreichen wol len, mit dieser Form der Diskriminierung aufzuhören. Wir sind bereit, hierfür 5,4 Millionen € zu zahlen.

Ich möchte aber noch einen Hinweis hinzufügen. Im Steuer recht dafür zu sorgen, dass die Diskriminierung von Schwu len und Lesben ein Ende findet, hat zur Folge, dass sämtliche Berufsgruppen – sowohl Freiberufler als auch Verkäufer, als

auch Angestellte – in den Genuss dieser Gleichbehandlung kommen. Unser heutiger Beschluss bezieht sich jedoch ledig lich auf eine ganz kleine Gruppe, und trotzdem sind wir ver pflichtet, das so zu machen. Wir machen das auch, und wir machen das gern.

Herr Kollege Kößler, was den Anknüpfungspunkt betrifft, bleibe ich bei dem, was ich beim letzten Mal gesagt habe. Die Entscheidung, den 1. September 2006 als Bezugspunkt zu wählen, ist eine aus verfassungsrechtlicher Sicht kluge Ent scheidung, weil erst ab diesem Zeitpunkt das Land überhaupt die Möglichkeit hatte, auf derartige Regelungen Einfluss zu nehmen und sie in diesem Sinn zu ändern. Deswegen halte ich diesen Anknüpfungspunkt für vertretbar und richtig vor dem Hintergrund, dass wir ein deutliches Signal gegen Diskrimi nierung setzen.