Brigitte Lösch

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Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Am 8. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg in Europa mit der Kapitulation des nationalsozia listischen Deutschen Reiches. Als die Waffen endlich schwie gen, waren mehr als 60 Millionen Menschen tot, gefallen im Krieg, ermordet in Konzentrationslagern, verbrannt in Bom bennächten, gestorben an Hunger, Kälte und Gewalt auf der großen Flucht.
Deshalb sind wir heute in Gedanken bei den vielen Millionen Menschen, die während des nationalsozialistischen Regimes verfolgt, gequält, gefoltert und ermordet wurden. 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Ende der in dustriellen Tötung von Menschen in Vernichtungslagern ver neigen wir uns vor denjenigen, die Opfer der nationalsozia listischen Vernichtungspolitik wurden.
Als Richard von Weizsäcker 1985 seine Rede zum 40. Jahres tag des Kriegsendes hielt, prägte er die Formulierung vom „Tag der Befreiung“. Dies war eine merkbare und auch not wendige Zäsur in der Erinnerungskultur. Für viele Menschen in Deutschland stellte dies einen großen Fortschritt in der Aus einandersetzung mit der deutschen Vergangenheit dar, denn es stellte das Verhältnis von Ursache und Wirkung richtig. Wir Deutschen mussten vom Nationalsozialismus befreit werden; aus eigener Kraft, aus eigenem Antrieb erfolgte dies nicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Erinnerung nicht zur hohlen Floskel werden und Gedenktage nicht zur Routine ver kommen sollen, dann müssen wir auch bereit sein, aus der Ge schichte zu lernen und das Gelernte in Alltagshandeln umzu setzen. Aus unserer Vergangenheit erwächst die Verpflichtung, gegen Totalitarismus, Faschismus und Rassismus aufzuste hen. Auch hier möchte ich nochmals Richard von Weizsäcker zitieren:
Die Jungen sind nicht verantwortlich für das, was damals geschah. Aber sie sind verantwortlich für das, was in der Geschichte daraus wird.
Die nächste Generation wird sich an die Menschheitsverbre chen der Nazis nicht mehr erinnern. Deshalb müssen wir so zusagen als die Zeitzeuginnen und Zeitzeugen die Erinne rungskultur fördern. Die Gedenkstättenarbeit, die vielen Bil dungsorganisationen und die ehrenamtlich Engagierten leis ten eine unglaublich wichtige Arbeit für unsere Demokratie, und ich möchte mich an dieser Stelle dafür ganz herzlich be danken.
Die Gedenkstätten ermahnen uns zu Wachsamkeit und Zivil courage. Dass wir die Arbeit der über 80 Gedenkstätten sehr schätzen, zeigt sich auch daran, dass wir durch die schrittwei se Anhebung der Landesgedenkstättenförderung den Einrich tungen eine nachhaltige und zukunftsorientierte Planung ih rer Projekte ermöglichen.
Aus dem Gedenken und Erinnern an die Opfer des Zweiten Weltkriegs erwächst die Pflicht zu Frieden und Humanität. Wir in Europa haben das Glück, dass wir auf eine lange fried liche Epoche zurückblicken können. Weltweit aber sterben Menschen in Kriegen und bewaffneten Auseinandersetzun gen; Hunderttausende fliehen vor diesen Bedrohungen.
Die Erinnerung an die beiden Weltkriege und an den Terror des NS-Regimes verpflichtet uns zu einem gesellschaftlichen Konsens, dass das oberste Gebot die humanitäre Hilfe für Flüchtlinge sein muss. Die Flüchtlingskatastrophe im Mittel meer ist eine Schande für Europa. Menschenrechtsverletzun gen, Krisen und Konflikte zwingen immer mehr Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und in Europa Schutz zu su chen. Die EU und ihre Mitgliedsstaaten müssen dem Sterben von Flüchtlingen auf dem Mittelmeer endlich ein Ende set zen.
Nötig ist umgehend ein europäisches Seenotrettungssystem. Es muss möglich werden, über legale Wege nach Europa zu kommen und einen Asylantrag zu stellen, ohne dabei sein Le ben zu riskieren. Die EU-Staaten müssen mehr Flüchtlinge aufnehmen und diese gerechter verteilen, denn sonst ist diese Flüchtlingspolitik die alte geblieben.
Allein in den ersten vier Monaten dieses Jahres sind bereits 30-mal mehr Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken als im letz ten Jahr. In Zahlen heißt das: 1 750 Flüchtlinge sind seit Jah resbeginn ums Leben gekommen. Wir dürfen nicht weiter zu schauen, wie das Mittelmeer zum Massengrab wird. Es ist ei ne humanitäre Verpflichtung, dass nicht zuvorderst nur die Mittelmeeranrainerländer helfen, sondern die EU als Werte union Flüchtlingen auf ihrem Fluchtweg hilft, anstatt wegzu schauen. Wir hätten gegenwärtig eine neue Chance, Europa in seinen humanistischen Wurzeln erkennbar werden zu las sen und der zunehmenden Geringschätzung der europäischen Realität etwas entgegenzustellen.
Deshalb begrüße ich sehr, dass auch der Präsident der Euro päischen Kommission, Jean-Claude Juncker, die Reaktion der EU-Staats- und Regierungschefs auf die Flüchtlingskatastro phe im Mittelmeer kritisiert hat. Vor dem EU-Parlament in Straßburg forderte er einen legalen Zugang für Flüchtlinge nach Europa und eine Länderquote. Die Presse lobt den Vor stoß des Kommissionschefs und drängt die Öffentlichkeit, in dieser Migrationskrise Druck auf die Politik auszuüben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, dass wir, das Parlament, feststellen können, dass wir in Europa in der Ver antwortung sind, eine humanitäre Verantwortung haben, die ses Flüchtlingsproblem zu lösen. Das Gedenken daran, was Verpflichtung bedeutet – die Befreiung Deutschlands vor 70 Jahren –, ist Anlass genug, den Bogen von dem historischen Europa zu den aktuellen Herausforderungen in Europa zu schlagen. Dazu mehr in der zweiten Runde.
Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Auch ich möchte nochmals auf das Ge denken und die Erinnerung zu sprechen kommen, die auch ei ne Verpflichtung bedeuten. Da sind zum einen die riesigen Flüchtlingszahlen – Menschen, die aus verschiedenen Grün den bei uns Schutz suchen –, zum anderen aber auch die sich bildenden rassistischen und extremistischen Bewegungen, wie beispielsweise „Pegida“, oder ein gesellschaftliches Klima, in dem Angriffe auf Flüchtlinge bzw. Asylbewerber stattfinden, nicht zu vergessen die Angriffe auf „Charlie Hebdo“ und auch auf einen jüdischen Supermarkt.
Deshalb müssen wir gemeinsam fortwährend für ein demo kratisches und tolerantes Miteinander streiten. Rechtsextre men, antisemitischen und homophoben Gesinnungen dürfen wir keinen Nährboden geben und müssen ihnen entschieden entgegentreten.
In der Tat müssen wir gar nicht so sehr nur in andere Länder schauen. Auch bei uns in Baden-Württemberg, vor der Haus tür, haben wir mit rechtsextremen Umtrieben genug zu tun – Stichworte: NSU-Morde, Untersuchungsausschuss.
Heute ist in der „Stuttgarter Zeitung“ ein Bericht – ich habe ihn vorhin gelesen –: Ein Kino in Burladingen wurde mit Na ziparolen beschmiert. Warum? Weil ein Film über den Hitler attentäter Georg Elser gezeigt werden sollte. Aus Angst wur de der Film abgesetzt. Jetzt läuft „Shaun das Schaf“.
Es kann nicht sein, dass es bei uns in Baden-Württemberg sol che Ängste gibt – nach all dem, was wir erlebt haben. Des halb bin ich dankbar und froh, dass immer mehr Menschen quer durch alle Alters- und Berufsgruppen, quer durch alle re ligiösen und politischen Überzeugungen gegen diesen Rassis mus, für Vielfalt sowie gegen Ausgrenzung und Diskriminie rung auf die Straße gehen.
Hier erfahren wir gelebte, funktionierende Vielfalt, zu der wir alle positiv beitragen. Nur das macht ein Gemeinwesen sta bil.
Zum Abschluss möchte ich Noach Flug, den ehemaligen Prä sidenten des Internationalen Auschwitz Komitees, zitieren:
Die Erinnerung ist wie das Wasser: Sie ist lebensnotwen dig und sucht sich ihre eigenen Wege in neue Räume und zu anderen Menschen. Sie ist immer konkret: Sie hat Ge sichter vor Augen und Orte, Gerüche und Geräusche. Sie hat kein Verfallsdatum.
Dass die Erinnerung lebensnotwendig ist und kein Verfalls datum hat, ist völlig richtig. Einen Schlussstrich kann und darf es nicht geben. Unsere Vergangenheit lastet bleibend auf uns und bedeutet eben auch eine fortwährende Verantwortung.
Für uns, die heutigen Menschen, ist diese Verantwortung je doch weniger mit Schuld verbunden als vielmehr immer mit dem Auftrag, wachsam zu sein. Wir müssen die Würde jedes Einzelnen schützen und jeglicher Menschenfeindlichkeit weh ren.
Gerade heute, in einer Welt, in der Kriege und internationale Konflikte wieder zunehmen, sind wir aufgerufen, an dem eu ropäischen Projekt weiterzubauen und den 8. Mai als Tag der Befreiung zum Anlass zu nehmen, die unglaublich friedens stiftende Kraft der europäischen Idee nicht aus den Augen zu verlieren und gemeinsam am europäischen Haus weiterzubau en.
Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Einzelplan 01, der Haus halt des Landtags, ist im Normalfall kein kontrovers zu dis kutierender Haushalt. Oftmals sind die Anträge interfraktio nell eingebracht und einvernehmlich beraten worden. Deshalb kann ich mich mit meiner Rede eigentlich sehr gut an die Re de des Kollegen Kößler anschließen.
Ich denke, wir können ebenso übereinstimmend feststellen, dass die Mittel für den Landtag mit den notwendigen Erhö hungen zwar nicht üppig, aber auskömmlich sind.
Herr Kollege Kößler hat es gesagt: Nach wie vor gehört der Landtag von Baden-Württemberg zu den bescheidenen – man kann beinahe sagen: kostengünstigen – Landtagen. Mit Aus gaben von 6,30 € pro Einwohnerin bzw. Einwohner können wir uns wahrlich sehen lassen.
Ich bin der festen Überzeugung, dass diese Ausgaben für die wichtige Tätigkeit, die wir, das Parlament, ausüben, angemes sen sind und wir verantwortungsbewusst mit den Mitteln um gehen.
Wir, das Parlament, haben Anlass – und wir machen das auch kontinuierlich –, unsere Außendarstellung, unsere Kommuni kation und den Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern ste tig zu verbessern. Das hat nicht nur etwas mit einem selbst bewussten Parlament zu tun, sondern auch damit, dass wir da
mit einer bestehenden Politikverdrossenheit entgegenwirken können.
Ein besucherfreundlicher Landtag, gut organisierte Veranstal tungen, benutzerfreundliche Homepages, zielgruppenorien tierte Angebote für Jung und Alt, aus den heiligen Hallen he raus hin zu den Menschen zu gehen, den Landtag auch in Richtung Barrierefreiheit zu öffnen – all das sind gute und notwendige Voraussetzungen, um Menschen für Politik zu in teressieren und Politik erlebbar zu machen.
An dieser Stelle möchte ich mich ebenfalls ganz herzlich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landtagsverwal tung bedanken; sie tragen dazu bei, dass wir all dies machen können. Ein großes Dankeschön an den Besucherdienst, der die Besuchergruppen so wundervoll begleitet, an die Mitar beiterinnen und Mitarbeiter vom Protokoll, die Veranstaltun gen grandios vorbereiteten, und an all die anderen Personen – ob sie an der Pforte sitzen, ob sie hier im Saaldienst tätig sind; sie machen einen prima Job, und zwar als Dienstleisten de für uns und somit für alle Bürgerinnen und Bürger. Ganz herzlichen Dank!
Lassen Sie mich noch auf einige Haushaltstitel besonders ein gehen. Wir haben natürlich Mehrausgaben für Untersuchungs ausschüsse und Enquetekommissionen. Ich glaube, es gab noch keine Legislaturperiode, in der es mehr Untersuchungs ausschüsse und Enquetekommissionen gab.
Aber wir haben auch die Mittel für die wichtige politische Bil dungsarbeit erhöht. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass die Landeszentrale für politische Bildung, wie ich finde, rich tigerweise vom Staatsministerium zum Landtag umressortiert wurde. Denn wir, das Parlament bzw. die Volksvertreterinnen und Volksvertreter, tragen auch die Verantwortung, junge Menschen für unsere Demokratie zu begeistern und ihnen das Wesen der Demokratie näherzubringen.
An dieser Stelle möchte ich die Verstetigung der Mittel für „Team meX“ nennen, ein Projekt für mehr Zivilcourage, ge gen Extremismus. Das Projekt will Jugendliche vor Extremis mus schützen und verhindern, dass sie in extremistische Sze nen abrutschen. Es ist auch ein Angebot für Multiplikatorin nen und Multiplikatoren der schulischen und außerschulischen Jugendarbeit. Zur Verstetigung der erfolgreichen Arbeit wer den ab dem kommenden Jahr für Personalstellen und Sachmit tel 250 000 € zur Verfügung gestellt.
Die Schülerinnen und Schüler sollen Vorurteile erkennen, die gesellschaftliche Funktion von Vorurteilen verstehen und ler nen, kritisch damit umzugehen.
In diesem Zusammenhang ist ein weiteres Projekt der Lan deszentrale zu benennen: die Entwicklung und Umsetzung ei nes Landesprogramms gegen rechte, rassistische oder antise mitische Gewalt.
Ich danke der Landeszentrale für politische Bildung ganz aus drücklich, dass sie neben ihren kontinuierlichen Arbeiten und
Aufgaben – wie Schülerwettbewerbe, die Erstellung von In formationsmaterial – auch in diesen wichtigen politischen Be reichen Profil zeigt.
Als letzten Punkt möchte ich die Unterstützung der Gedenk stättenarbeit in Baden-Württemberg ansprechen. Das Beson dere dabei ist, dass die Gedenkstättenarbeit in unserem Land überwiegend von gemeinnützigen Vereinen, von Stiftungen und vor allem von vielen ehrenamtlich Tätigen geleistet wird.
Lange Jahre herrschte beim Ausbau der Gedenkstätten Still stand. Alle Fraktionen im Landtag sind sich bewusst, welch hohen Stellenwert die Erinnerungskultur in unserem Land hat. Die Gedenkstätten leisten nicht nur wertvolle Erinnerungsar beit, sondern sind auch einzigartige Lernorte dafür, dass die Würde des Menschen unantastbar ist – unabhängig von Reli gion, Herkunft und sexueller Orientierung.
Deshalb haben wir zu Beginn der Legislaturperiode überein stimmend die Förderung um 100 000 €
und im Zweiten Nachtragshaushalt 2014 ebenfalls um 100 000 € angehoben. Im Jahr 2015 werden wir sie auf 525 000 € und im Jahr 2016 auf 650 000 € erhöhen. Für 2017 sind 750 000 € vorgesehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit diesen zusätzlichen Mit teln sollen bei den Gedenkstätten der Einstieg in den Aufbau von Verbundstrukturen und eine bessere Vernetzung ermög licht werden. Denn bei der Arbeit der Gedenkstätten steht ein großer Generationenwechsel an.
Zum Schluss noch ein Satz zum Landtagsumbau: Auch wenn wir die Vorzüge dieses schönen, hellen Interimsgebäudes schätzen, werden wir doch – so sieht es aktuell aus – die kon stituierende Sitzung des neuen Landtags in unserem dann neu renovierten, energetisch sanierten Landtagsgebäude durchfüh ren. Sie sehen im Haushaltsplan, dass wir die entsprechenden Mittel für den geplanten Rückumzug bereitgestellt haben. Ge nauso wie Kollege Kößler hoffe auch ich, dass sich der direk te Bezug – jeder Abgeordnete hat dann einen Bezug zum Him mel, zum Licht – sehr positiv auf unsere Debattenkultur aus wirken wird.
Herzlichen Dank.
Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Ich freue mich sehr, den gemeinsamen Antrag der Fraktion GRÜNE, der Fraktion der SPD und der Fraktion der FDP/DVP – Entschließung zur Aufarbeitung der strafrechtlichen Verfolgung homosexueller Männer – hier ein bringen zu können.
Vor über 45 Jahren, am 1. September 1969, wurde in der Bun desrepublik endlich die generelle Strafbarkeit von homosexu ellen Handlungen zwischen erwachsenen Männern aufgeho ben. So lange hat § 175 des Strafgesetzbuchs, der sogenann te Schwulenparagraf, in seiner verschärften Fassung aus der Nazizeit gegolten. Erst seit 20 Jahren, seit dem 11. Juni 1994, gibt es in Deutschland keine strafrechtliche Sondervorschrift zur Homosexualität mehr. 45 Jahre hat die Bundesrepublik
gebraucht, um diesen Zustand zu erreichen. Das ist alles an dere als ein Ruhmesblatt. Den letzten Anstoß zur Beseitigung dieses diskriminierenden Strafrechts gegen Homosexualität gab die deutsch-deutsche Rechtsangleichung nach der Wen de; dies war, wie gesagt, 1994 der Fall.
Die strafrechtliche Verfolgung Homosexueller ist ein trauri ges und beschämendes Kapitel der deutschen Geschichte. Es ist ein wichtiger Schritt, dass sich heute der Landtag zu die sem Unrecht bekennt und die historische Aufarbeitung dieses Unrechts künftig unterstützen will.
In unserer heutigen Gesellschaft wirkt der Gedanke einer Strafvorschrift zur Homosexualität nur noch befremdlich. Jun ge Menschen können es kaum glauben, wenn man ihnen er zählt, dass unser Staat Menschen ins Gefängnis steckte, nur weil sie anders liebten als die Mehrheit.
Sexuelle Handlungen zwischen Männern waren in Deutsch land von 1872 bis 1994 durch § 175 des Strafgesetzbuchs un ter Strafe gestellt. Aufgrund dieses Paragrafen wurden viele homosexuelle Männer Opfer der Nationalsozialisten, etliche von ihnen fanden den Tod in nationalsozialistischen Konzen trationslagern.
Umso unverständlicher ist es, dass dieses schwere Unrecht im Nachkriegsdeutschland weiter Rechtsbestand hatte. In der Bundesrepublik sind übrigens aufgrund dieses Paragrafen zwi schen 1945 und 1969 noch rund 100 000 Ermittlungsverfah ren eingeleitet worden. Die Hälfte dieser Ermittlungsverfah ren führte zu Verurteilungen. Auch Homosexuelle, die das KZ überlebt hatten, wurden verurteilt. Allein in Baden-Württem berg gab es von 1957 bis 1969 rund 5 400 Verurteilte auf der Grundlage des § 175. Deshalb ist es so wichtig, dass das „Ho tel Silber“, von wo aus die Homosexuellen verurteilt und ins KZ geschickt wurden, als Gedenkstätte erhalten bleibt und sich dem Thema „Verfolgung von Homosexualität“ widmet.
Die staatliche Verfolgung wie auch der gesellschaftliche Aus schluss und die Stigmatisierung zwangen schwule Männer, aber auch lesbische Frauen, diesen Teil ihrer Identität im Ver borgenen auszuleben. Das bedeutete für viele ein Leben in ständiger Angst und häufig auch den Verlust der bürgerlichen Existenz – ein Trauma, das bei den Betroffenen zum Teil bis heute nachwirkt.
Nur langsam erkannten Politik und Gesellschaft an, dass die Form der Repression eine fortdauernde Verletzung der Men schenwürde darstellte. Das soziale Klima machte es Lesben und Schwulen unmöglich, zu ihrer sexuellen Identität zu ste hen und diese zu leben. Dieses repressive, stigmatisierende gesamtgesellschaftliche Klima hat die Lebensrealitäten mas siv beeinflusst und beeinträchtigt.
Deshalb ist es gut, dass sich der Landtag mit dem heute vor liegenden Antrag für die Rehabilitierung und die Aufarbei tung der strafrechtlichen Verfolgung homosexueller Männer einsetzt. Dieser Teil der Rechtsgeschichte der Bundesrepub lik Deutschland ist bislang kaum aufgearbeitet.
Die Urteile aufzuheben, dazu ist das Land natürlich nicht be fugt. Aber dass Baden-Württemberg nun mit diesem Ent
schließungsantrag ein Zeichen für die Rehabilitierung verur teilter homosexueller Männer setzt und konkrete Maßnahmen wie beispielsweise die Unterstützung von Betroffenen anbie tet, ist ein wichtiger Schritt gegen die Diskriminierung und zur Wiedergutmachung und Wiederherstellung der Ehre aller Opfer.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen uns nicht nur auf die Bundesratsinitiative von 2012 beziehen, in der die Bun desregierung aufgefordert wird, Maßnahmen zur Rehabilitie rung und Unterstützung der nach 1945 verurteilten Homose xuellen zu ergreifen, sondern wir verurteilen die Zerstörung bürgerlicher Existenzen, die Eingriffe in die individuelle Le bensgestaltung und auch den Verstoß gegen die Menschen rechte. Es geht nicht nur um die rechtliche Seite des Themas, es geht vor allem auch um die moralische Seite. Wir wollen uns bei den Menschen entschuldigen für das Unrecht, das ih nen angetan wurde.
Die Beendigung der Kriminalisierung von Homosexuellen ist eine Aufgabe, welche seit über 40 Jahren andauert. Das be deutet auch, dass die erlittenen Schicksale historisch aufgear beitet werden müssen. Entschuldigung, Rehabilitierung und historische Aufarbeitung, das sind die drei Punkte, mit denen wir, das Parlament, ein Zeichen setzen wollen
und die für uns auch zwingend zu einer glaubhaften Aufarbei tung gehören.
Deshalb werden wir auch dem Änderungsantrag der CDUFraktion nicht zustimmen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann es nicht nachvollziehen, dass das Wort „Entschuldi gung“ nicht ein Mal in Ihrem Antrag auftaucht,
mehr als ein Bedauern in Ihrem Antrag nicht drinsteht und Sie sich in Ihrer Begründung nur auf die Bundesratsinitiative von 2012 beziehen. Das reicht nicht aus. Eine kraftvolle Erklä rung, ein deutliches Zeichen gegen Diskriminierung sieht an ders aus.
Wir dürfen nicht vergessen: Diskriminierung und Beleidigung von sexuellen Minderheiten sowie Gewalt gegen sexuelle Minderheiten sind noch heute Realität. Wir haben im Rahmen des Aktionsplans für Toleranz und Gleichstellung eine anony me Onlinebefragung zur Lebenssituation von LSBTTIQ-Men schen durchgeführt, an der immerhin 2 300 Personen teilge nommen haben. Die Ergebnisse bestätigen – leider –: Mehr als die Hälfte der Befragten wurden in den vergangenen fünf Jahren mindestens einmal Opfer von Diskriminierung. Des halb ist es längst überfällig, wie es mit dem heute vorliegen den Entschließungsantrag nun geschehen soll, ein Zeichen zu setzen – ein Zeichen gegen Diskriminierung und Ausgrenzung auch in der heutigen Zeit.
Herzlichen Dank.
Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Schon die Überschrift der heutigen Ak tuellen Debatte – „Spaltet ein ideologisierter Bildungsplan un ser Land?“ – hat angedeutet, dass es heute nicht um eine sach liche Debatte geht.
Sie nehmen vielmehr Anleihen bei der Onlinepetition – die Rede des Herrn Hauk hat es ja auch gezeigt – „Kein Bildungs plan unter der Ideologie des Regenbogens“, die der Realschul lehrer Gabriel Stängle initiiert hat.
Wozu Sie nichts gesagt haben, Herr Hauk, ist die Frage: Wo rum geht es eigentlich? Alle zehn Jahre werden die Bildungs pläne fortgeschrieben.
2004 war die letzte Fortschreibung. Deshalb sind wir jetzt ge rade im Prozess, den geltenden Bildungsplan fortzuschreiben; der neue Bildungsplan soll 2015 in Kraft treten. Seit gut ei nem Jahr arbeitet eine Kommission an dessen Erstellung. In dieser Kommission sind über 300 Menschen in 40 Fachkom missionen beteiligt. Da können Sie doch nicht sagen, dass nicht alle gesellschaftlichen Gruppen beteiligt gewesen seien und dass wir das im Hinterzimmer machten.
Eine erste Arbeitsfassung wurde verschickt. Was steht da drin?
Schülerinnen und Schüler setzen sich mit der eigenen ge schlechtlichen Identität und Orientierung auseinander mit dem Ziel, sich selbstbestimmt und reflektiert für ein ihrer Persönlichkeit und Lebensführung entsprechendes Be rufsfeld zu entscheiden. Schülerinnen und Schüler haben einen vorurteilsfreien Umgang mit der eigenen und an deren sexuellen Identitäten, entwickeln eine Sensibilität für Stereotype und können diese hinterfragen und sind fä hig, sich in einer pluralen Gesellschaft zu verorten und eine begründete Werthaltung zu entwickeln.
Wer so etwas als Bevormundung bezeichnet und befürchtet, dass dann das christliche Abendland untergeht, der hat von Bildungspolitik und von Wertepolitik wirklich keine Ahnung.
In dieser Art und Weise soll das Thema „Akzeptanz von se xueller Vielfalt“ in den neuen Bildungsplänen Einzug halten – als ein Teilaspekt, als ein Querschnittsthema zu den fünf Leitprinzipien; mehr nicht.
Ziel ist es, in den Schulen aufzuklären, sachlich zu informie ren und dadurch ein Umfeld für Toleranz, Offenheit und ge genseitigen Respekt zu schaffen. Wer dies als Aufruf zur pä dagogischen, moralischen und ideologischen Umerziehung bezeichnet, meine Damen und Herren, wie eben der Initiator dieser Onlinepetition, schürt wissentlich Ängste und Ressen timents gegen Homosexualität und hat in unserer aufgeklär ten, toleranten Gesellschaft nichts verloren.
Gell, das tut weh. Jetzt hören Sie erst einmal zu. Dann wis sen Sie erst, worüber wir eigentlich diskutieren.
Die von der Bildungskommission vorgeschlagenen fünf Leit prinzipien sind erstens berufliche Bildung, zweitens Bildung für nachhaltige Entwicklung, drittens Medienbildung, vier tens Prävention und Gesundheitsförderung und fünftens Ver braucherbildung.
Diese Leitprinzipien werden fächerübergreifend vermittelt, und zwar unter der Rubrik „Allgemeine Erziehungsziele“. In dieser Rubrik „Allgemeine Erziehungsziele“ ist auch das Querschnittsthema „Akzeptanz von sexueller Vielfalt“ enthal ten, ein Thema, das nicht reduziert werden darf auf Sexual kundeunterricht oder Biologie, sondern vielmehr in die Sozi alerziehung als Bestandteil der Diskussion über grundlegen de gesellschaftliche Werte gehört.
Mit der Onlinepetition, die sich gegen ein Arbeitspapier des Kultusministeriums wendet, ist nun eine Diskussion entstan den, die weder inhaltlich noch sachlich dem Thema gerecht wird und die vor allem einen Teilaspekt im neuen Bildungs plan absichtlich überbetont und verzerrt.
Wir wollen, dass man in der Schule künftig kompetent über dieses Thema reden kann und dass solche Gespräche nicht un ter den Schülerinnen und Schülern auf dem Schulhof stattfin den, wo die Bezeichnungen „schwule Sau“ und „Schwuchtel“ noch immer zu den beliebtesten Schimpfwörtern gehören. Deshalb müssen wir die Lehrerinnen und Lehrer unterstützen. Wir müssen sie fit machen, damit sie das Thema im Unterricht entsprechend behandeln können.
Eine Studie der Humboldt-Universität zu Berlin von 2012 be legt den großen Einfluss von Lehrkräften auf das Verhalten von Schülerinnen und Schülern. Je mehr die Schüler über ver
schiedene sexuelle Identitäten wissen und je häufiger diese Fragen im Unterricht thematisiert werden, desto höher ist die Akzeptanz von Jugendlichen in Bezug auf dieses Thema. Das ist dringend notwendig, da immerhin 5 bis 10 % aller jungen Menschen eine gleichgeschlechtliche Orientierung entwi ckeln. Umfragen zeigen, dass diese Jugendlichen an der Schu le Vorurteile, Diskriminierung und Mobbing erleben. Deshalb ist die Schule in der Verantwortung, sich des Themas anzu nehmen. Daher werden wir es auch verbindlich in die Bil dungspläne implementieren.
Jetzt hat Herr Kollege Hauk uns vorgeworfen, dass wir uns kritisch zu der Petition geäußert haben,
und gesagt, dies sei nicht mit unserem politischen Schwer punkt vereinbar, mehr Bürgerbeteiligung zu ermöglichen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kritisieren überhaupt nicht, dass es eine entsprechende Onlinepetition gibt.
Eine solche Onlinepetition kann jeder einreichen; das ist in zwischen auch nicht mehr schwierig, Kollege Zimmermann.
Aber wenn in einer Petition Unwahrheiten behauptet und Min derheiten diskriminiert werden, dann ist es nicht nur richtig, sondern sogar notwendig, dass man sich öffentlich dazu äu ßert.
Was mich wirklich erschreckt hat und weshalb ich bei der De batte auch entsetzt bin, Kollege Zimmermann, ist, mit wel cher Heftigkeit, mit welchen homophoben Untertönen und mit welchem Fanatismus diese Debatte geführt wird.
Kollege Zimmermann, hören Sie erst einmal zu, und dann schauen Sie, wer alles diese Petition unterstützt.
Offensiv werben dafür die rechtspolitische Organisation PI, Politically Incorrect, und in der Zwischenzeit auch die AfD.
Diese Reaktionen zeigen mir, dass es dringend notwendig ist, dass wir uns über dieses Thema öffentlich auseinandersetzen. Wir wollen, dass es in Baden-Württemberg selbstverständlich ist, mit Toleranz, Akzeptanz und Respekt auf unterschiedliche sexuelle Orientierungen zu reagieren und sich von homopho ben und diskriminierenden Äußerungen zu distanzieren.
Was macht die Opposition? Die eiert herum; anders kann man es wirklich nicht ausdrücken. Der Fraktionsvorsitzende der CDU, Peter Hauk, verurteilt die Petition keineswegs, im Ge
genteil: Er warnt die Landesregierung sogar davor, die Petiti on zu kritisieren. Das finde ich wahrlich eine schwache Re aktion und ein starkes Stück.
Wie notwendig unsere Diskussion heute zum Thema „Akzep tanz von sexueller Vielfalt“ ist, zeigen auch die Äußerungen des Fraktionsvorsitzenden der FDP/DVP. Für Herrn Rülke sind gleichgeschlechtliche Beziehungen „tolerabel, aber nicht gleichwertig“.
Herr Rülke, ich darf Sie an die Urteile der Bundesgerichte er innern,
die eindeutig aussagen, dass es eine Gleichstellung geben muss und dass dadurch der besondere Schutz von Ehe und Fa milie überhaupt nicht betroffen ist.
„Ich schäme mich für die Aussagen von Herrn Rülke.“
Das sage nicht ich, sondern das ist ein Zitat.
Ich schäme mich für die Aussagen von Herrn Rülke. Sei ne Äußerungen zur Minderwertigkeit gleichgeschlechtli cher Beziehungen sind Sand im Getriebe der neuen FDP.
Dies sagt Sebastian Gratz, der Landesvorsitzende der Jungen Liberalen. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.
Da lobe ich mir doch die Reaktion auf Bundesebene. In einer sehr großen Koalition haben baden-württembergische Bun destagsabgeordnete einen Aufruf gegen die umstrittene On linepetition unterschrieben. Darin heißt es:
Wir haben... kein Verständnis für den Inhalt und Geist der Onlinepetition.
Unterschrieben hat neben Cem Özdemir und Ute Vogt auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Stefan Kaufmann.
Auch der bekommt jetzt öffentlich eins drüber vom Fraktions vorsitzenden der CDU, Peter Hauk. Der sagt, er sei sich si cher, dass Kaufmann eine Einzelmeinung in der CDU vertre te.
Jetzt verrate ich Ihnen sicher kein Geheimnis, wenn ich sage, wer alles ebenfalls unterschrieben hat: der stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU-Sozialausschüsse, Christian Bäumler, der CDU-Abgeordnete aus Baden-Baden, Kai Whit taker, und der CDU-Abgeordnete Olav Gutting.
Kollege Hauk, ich glaube, Sie müssen eher aufpassen, dass Sie nicht irgendwann eine Einzelmeinung in der CDU und in der Gesellschaft vertreten.
Ihre Reaktionen, meine Damen und Herren von der Opposi tion, zeigen doch eindrücklich, wie gut der Regierungswech sel für die Entwicklung eines weltoffenen und toleranten Ba den-Württemberg war und ist.
Die grün-rote Landesregierung steht nämlich dafür, dass in Baden-Württemberg Menschen jeden Geschlechts und jeder sexuellen Orientierung Offenheit, Akzeptanz und Wertschät zung erfahren und endlich Schluss ist mit der Diskriminie rung. Deshalb werden wir daran festhalten, das Thema „Ak zeptanz von sexueller Vielfalt“ auch in den Bildungsplan zu implementieren.
Danke schön.
Kollege Hauk, ich habe zwei Fragen. Zum einen haben Sie jetzt wiederholt behauptet, wir hätten die Kirchen nicht in diesen Prozess einbezogen. Haben Sie zur Kenntnis genommen, dass die Kirchen in der Bil dungskommission beteiligt sind?
Haben Sie zweitens zur Kennt nis genommen, dass in einem Gespräch des Ministerpräsiden ten mit den Kirchen als Ergebnis der Konsens – ohne jegliche Differenzen – zum Ausdruck kam, dass man in der Schule ein Umfeld für Toleranz und Respekt hat?
Wollen Sie zum anderen den Ausführungen des Kultusminis ters zum Inhalt der Onlinepetition widersprechen? Dieser Ein druck entsteht nämlich, wenn Sie mir vorwerfen, ich würde die Schärfe in diese Debatte bringen. Sind das aber nicht vielmehr Sie, wenn Sie sich nicht von einer Petition, einer Onlinepetiti on distanzieren, in der auf Umerziehung gesetzt wird?
Wenn Sie mir unterstellen, ich würde Schärfe in die Debatte bringen, sich gleichzeitig aber selbst nicht von einer solchen Auffassung distanzieren, dann verstehe ich das nicht.
Herr Kollege Dr. Kern, ich ge be Ihnen recht: Die Aussage, der Initiator der Petition habe in unserer Gesellschaft nichts verloren, ist falsch. Ich habe da mit nicht die Person selbst gemeint, sondern die Petition. Ich habe meine Aussage auf die Petition und nicht auf die Person bezogen.
Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Wir verabschieden heute einen Gesetz entwurf, der das Dienstrecht mit vielen kleinen Regelungen weiterentwickelt und an die heutigen Gegebenheiten anpasst. Es handelt sich dabei vielfach um Vereinfachungen von Rechts vorschriften und um Konsequenzen aus höchstrichterlicher Rechtsprechung.
Nach der ersten Lesung ist der Gesetzentwurf sowohl im Aus schuss für Finanzen und Wirtschaft als auch im Innenaus schuss diskutiert worden. Dabei ist u. a. geklärt worden, dass die Regelungen, die der Gesetzentwurf zur gebündelten Dienst postenbewertung vorsieht, den rechtlichen Vorgaben des Bun desverwaltungsgerichts entsprechen. Auch die Anregungen des Petitionsausschusses, bei denen es um die Witwenversor gung geht, sind im Wege eines interfraktionellen Änderungs antrags aller vier Fraktionen in den Gesetzentwurf eingeflos sen.
Nun lassen Sie mich aber den Punkt herausgreifen, bei dem leider nach wie vor kein Konsens besteht. Der Kollege Hol lenbach hat dies gerade ebenfalls angesprochen. Das betrifft die Bestimmungen in Artikel 5 zur rückwirkenden Gleichstel lung eingetragener Lebenspartnerschaften. Aufgrund der Recht sprechung des Bundesverfassungsgerichts vom Juni 2012 soll die rückwirkende Gleichstellung eingetragener Lebenspart nerschaften ab dem 1. August 2001 umgesetzt werden und nicht erst ab dem 1. September 2006, wie es im Augenblick noch gesetzlich geregelt ist. Wir bekommen damit ein moder nes Dienstrecht, das höchstrichterliche Rechtsprechung um setzt und somit einen echten Beitrag zu mehr Gleichstellung in Baden-Württemberg leistet.
Damit werden verpartnerte Beamtinnen und Beamte auch in dienstrechtlichen Fragen vollständig mit verheirateten Beam tinnen und Beamten gleichgestellt, und zwar ab dem Augen blick, in dem eine eingetragene Lebenspartnerschaft in Deutsch land möglich war, also ab 2001.
Damit setzen wir nicht nur die Entscheidung des Bundesver fassungsgerichts um, sondern wir gehen sogar über das recht lich Geforderte hinaus. Denn das Urteil des Bundesverfas sungsgerichts bezog sich in der Tat auf den Familienzuschlag. Die hier vorgesehene Gleichstellung bezieht sich nun aber auf alle relevanten dienstrechtlichen Bereiche – neben dem Fami lienzuschlag auch auf Versorgung, Beihilfe, Reisekosten, Um zugskosten und Trennungsgeld. Liebe Kolleginnen und Kol legen, ich finde es richtig, dass alle dienstrechtlichen Berei che in die Gleichstellung einbezogen werden.
Es sollte doch auch den Kolleginnen und Kollegen von der CDU klar sein: Wenn eine Klage vor dem Bundesverfassungs gericht wegen des Familienzuschlags erfolgreich ist, dann ist
es eben nur eine Frage der Zeit, bis auch die Regelungen in den anderen dienstrechtlichen Bereichen aufgrund eines Ge richtsurteils nachgebessert werden müssen.
Die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts lässt sich im Verhältnis 1 : 1 auf alle Aspekte des öffentlichen Dienst rechts übertragen. Es ist doch keine gestaltende Politik, wenn eine Regierung immer erst dann reagiert, wenn das Bundes verfassungsgericht es vorgibt.
Wir gehen mit diesem Gesetz einen Schritt voraus
und lassen uns nicht wie die Bundesregierung vom Bundes verfassungsgericht treiben.
Noch einmal, liebe Kolleginnen und Kollegen: Bei diesem Gesetzentwurf geht es nicht um freiwillige Leistungen, Lu xusgeschenke, Wohltaten oder darum, betroffenen Menschen eine Freude zu machen, wie es der Kollege Hollenbach in der ersten Lesung gesagt hat.
Es geht darum, einen Rechtsanspruch umzusetzen, der sowohl den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs als auch den ver fassungsrechtlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts genügt. Wir nehmen unsere politische Verantwortung ernst und betreiben Politik nicht scheibchenweise nur aufgrund von Gerichtsurteilen. Vielmehr gestalten wir Politik von uns aus.
Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir begrüßen die sen Gesetzentwurf ausdrücklich und freuen uns sehr, dass wir damit endlich auch in Baden-Württemberg ein fortschrittli ches und vor allem diskriminierungsfreies Dienstrecht haben.
Danke schön.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist in der Tat ein Gesetz, das nicht spektakulär erscheint. Doch wenn man es genauer ansieht, entdeckt man das eine oder andere Interessante. Es ist also ein Gesetz für den zweiten Blick.
Ich möchte gern beim Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften einen Punkt als wesentlichen Inhalt herausgrei fen, den auch der Herr Minister angesprochen hat. Das ist die Umsetzung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsge richts zur rückwirkenden Gleichstellung eingetragener Le benspartnerschaften ab dem 1. August 2001. Momentan gilt die Rückwirkung ab dem 1. September 2006.
Warum? Im Juni 2012 entschied das Bundesverfassungsge richt, dass Beamte, die in einer eingetragenen Lebenspartner schaft leben, beim Familienzuschlag nicht schlechter behan delt werden dürfen als Ehepaare. Es geht darum, verpartner te schwule und lesbische Beamtinnen und Beamte auch in dienstrechtlichen Fragen vollständig mit verheirateten hete rosexuellen Beamtinnen und Beamten gleichzustellen,
und zwar ab dem Augenblick, ab dem eine eingetragene Le benspartnerschaft in Deutschland möglich war, und das ist ab 2001.
2006 ging die Zuständigkeit für das Besoldungsrecht vom Bund auf die Länder über. Einige Bundesländer nutzten schon damals die Chance, die Diskriminierung von eingetragenen Lebenspartnerschaften zu beenden und diese im öffentlichen Dienstrecht den Ehen gleichzustellen; Baden-Württemberg tat dies nicht. Sowohl in Bayern wie in Thüringen, Sachsen und auch in Baden-Württemberg wurden bei den Landesanpas sungsgesetzen der Familienzuschlag der Stufe 1, die Hinter bliebenenpension sowie entsprechende Vergütungen bei Rei se, Umzug und Trennung ausgespart. Sie sehen, wie schwer sich die damalige schwarz-gelbe Landesregierung mit Akzep tanz und rechtlicher Gleichstellung von Homosexuellen und Lebenspartnerschaften getan hat.
Am 29. Oktober 2010 hat das Bundesverwaltungsgericht ent schieden, dass Beamtinnen, die in einer gleichgeschlechtli chen Lebenspartnerschaft leben, Anspruch auf Familienzu schlag und Beihilfe haben. Auch da haben sich die damaligen
Regierungsfraktionen von CDU und FDP/DVP geweigert, die notwendigen Korrekturen am Dienstrechtsreformgesetz durch zuführen.
Erst nach dem Regierungswechsel – im Jahr 2012 – hat die grün-rote Landesregierung die Diskriminierung im Dienst recht beendet und eine Gleichstellung von Lebenspartner schaften mit der Ehe im Beamtenrecht beschlossen, und zwar mit einer rückwirkenden Bindung ab dem 1. September 2006, also ab dem Termin, zu dem die Zuständigkeit auf die Länder überging.
Nun gehen wir noch einen Schritt weiter und dehnen aufgrund des Bundesverfassungsgerichtsurteils die Rückwirkung von 2006 auf 2001 aus. Damit ist Baden-Württemberg das achte Bundesland, dass die Rückwirkung bis 2001 umsetzt.
Gestern habe ich recherchiert, um wie viele Paare es sich ei gentlich handelt. In ganz Baden-Württemberg sind bis Dezem ber 2012 insgesamt 4 671 Lebenspartnerschaften geschlossen worden. Im gleichen Zeitraum waren beim Landesamt für Be soldung und Versorgung 355 verpartnerte Beamtinnen und Beamte gemeldet. Jetzt, im Oktober 2013, handelt es sich um 419 verpartnerte Beamtinnen und Beamte. Damit haben sich die Befürchtungen, die im letzten Jahr bei der entsprechenden Debatte noch geäußert wurden, es gebe bezüglich nicht ge meldeter Lebenspartnerschaften eine sehr hohe Dunkelziffer, nicht bewahrheitet. Das heißt, auch die finanzielle Belastung für das Land durch die zeitliche Ausweitung hält sich mit 400 000 € als einmaligen Kosten im Rahmen.
Der Kollege Hollenbach hat erwähnt, das Land würde jetzt weiter gehen, als es müsste. Bei diesem Gesetzentwurf geht es nicht um freiwillige Leistungen oder irgendwelche Luxus geschenke. Es geht darum, einen Rechtsanspruch umzuset zen, der sowohl den europarechtlichen Vorgaben des Europä ischen Gerichtshofs als auch den verfassungsrechtlichen Vor gaben des Bundesverfassungsgerichts genügt.
Deshalb begrüßen wir diesen Gesetzentwurf ausdrücklich und freuen uns sehr, dass Baden-Württemberg nun endlich auch ein Bundesland ist, in dem staatliche Diskriminierung auf grund der sexuellen Orientierung der Vergangenheit angehört.
Danke schön.
Sehr geehrter Herr Staatsse kretär, am 7. Mai hat der zweite runde Tisch zum Thema „Ho tel Silber“ stattgefunden. Können Sie bestätigen, dass auch von Mitgliedern der LAGG, also der Landesarbeitsgemein schaft der Gedenkstätten und Gedenkstätteninitiativen, for muliert wurde, dass das „Hotel Silber“ in das ganze Land hi nausstrahle, also auch eine regionale Dimension habe, und die Arbeit der bisher sehr dezentral aufgebauten Gedenkstätten dadurch eher ergänzt werde, als dass das „Hotel Silber“ eine Konkurrenz sei?
Ich möchte noch eine zweite Frage stellen, die sich auf den Inhalt, auf die Leitthemen bezieht: Mit welchen Kooperati onspartnern wurde die Konzeption für das „Hotel Silber“ bis her erarbeitet, und ist es möglich, diese Konzeption stufen weise umzusetzen?
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist mir eine große Freu de, den heutigen Plenartag mit einer spannenden Aktuellen Debatte zur Gleichstellung von Frauen und Männern zu eröff nen.
Herr Kollege Hauk, Frauenpolitik, Gleichstellungspolitik ist ein wichtiges, topaktuelles gesellschaftspolitisches Thema. Deshalb danke ich sehr der Sozial- und Frauenministerin für den vorgelegten Atlas zur Gleichstellung von Frauen und Männern in Baden-Württemberg, angedockt an den Gleich stellungsatlas, den die Bundesregierung für Deutschland he rausbringt.
Der Atlas wurde unter Federführung des Sozialministeriums gemeinsam mit dem Statistischen Landesamt erstellt und gibt erstmals einen umfassenden Überblick über die Verwirkli chung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in Ba den-Württemberg.
Anhand von 36 Indikatoren aus den Bereichen Partizipation, schulische Bildung, Arbeit und Sicherung des Lebensunter halts sowie Lebenswelt zeigen sich nicht nur die Benachteili gungen, sondern auch die regionalen Unterschiede. Das wird im Bereich Partizipation besonders deutlich. Die Anteile von Frauen und Männern an politischen und wirtschaftlichen Füh rungspositionen sind genau die Indikatoren, die für die Gleich stellung von Frauen und Männern wichtig sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Partizipation sieht in Baden-Württemberg nach wie vor einfach miserabel aus. Der Frauenanteil in Kreis
tagen liegt seit 2009 im Schnitt bei 16 %; in keinem einzigen Kreistag gibt es einen Frauenanteil von 50 %. Mit 27,1 % ist der Wert in Tübingen der höchste. In 15 überwiegend ländli chen Landkreisen sind weniger als 15 % Frauen in den Kreis tagen. Die rote Laterne hat in diesem Fall der Landkreis Freu denstadt mit 2,3 %.
Das ist ein guter Zwischenruf für alle Frauen. Liebe Frau en, wenn Sie in den Kreistagen nicht entsprechend verankert sind, dann ziehen Sie – das schlägt Kollege Röhm vor – doch um.
Da werden sich die Frauen freuen, Herr Röhm.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen schon an der Auf regung: Das Thema ist nicht neu. Der Frauenanteil in den kommunalen Gremien der Stadt- und Landkreise nimmt schon seit Jahren sukzessive ab und hat sich in den letzten Jahren und mit der letzten Kommunalwahl und Kreistagswahl noch verschlechtert.
Erfreulicherweise hat sich endlich eine Landesregierung die ses Themas angenommen. Die grün-rote Landesregierung hat das Kommunalwahlgesetz entsprechend verändert, sodass Männer und Frauen bei der Aufstellung eines Wahlvorschlags gleichermaßen berücksichtigt werden sollen.
Kollege Hauk, hören Sie einmal zu, wenn es um Frauenpo litik geht. Da können Sie noch viel lernen.
Die Änderung des Kommunalwahlgesetzes ist ein großer frau enpolitischer Erfolg und zeigt, dass die Landesregierung den Verfassungsauftrag in Artikel 3 des Grundgesetzes ernst nimmt:
Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat för dert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechti gung von Frauen und Männern und wirkt
aktiv –
auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
In den vergangenen Jahren haben wir die damalige schwarzgelbe Landesregierung immer wieder zum Handeln in dieser
Sache aufgefordert. Aber Sie haben sich immer dafür entschie den, nichts Effektives zu tun. Wir haben schöne Worte von Ih nen gehört, aber keine Taten gesehen. Ein politischer Wille, die politische Partizipation von Frauen maßgeblich zu erhö hen, war und ist bei Ihnen nicht erkennbar.
Aus der Opposition heraus haben Sie nun im letzten Jahr, im Jahr 2012, das „Jahr der Frau“ ausgerufen. Sie wollen Frau en in den Fokus stellen.
Wir wollen auf die Straße gehen und ganz sensibel erspü ren: Was treibt eigentlich Frauen um?... Was sind die Themen der Frauen?
Das ist ein Zitat von einem der bedeutendsten CDU-Frauen politiker, nämlich vom Landesvorsitzenden Thomas Strobl, anlässlich der Pressekonferenz zu „Frauen im Fokus“.
Was die Frauen umtreibt, das konnte die CDU am letzten Wo chenende bei der Wahl der Führung des CDU-Bezirksver bands Nordbaden sehen.
Wie sensibel da vorgegangen worden ist, das konnte man auch sehen;
allein schon die Kandidatur von Brigitte Schäuble gegen Pe ter Hauk wurde von manchen als Majestätsbeleidigung gese hen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nachdem Frau Schäuble bei der Wahl unterlegen ist, hat dies auch die Landtagsabgeord nete Katrin Schütz – immerhin Mitinitiatorin von „Frauen im Fokus“ und im Vorstand der Frauenunion – so kommentiert: „Schade, dass eine historische Chance nicht genutzt wurde.“
Der CDU-Abgeordnete Rech kommentiert: „Demokratie lebt vom Wandel, auch vom personellen Wandel.“ Ich meine, wo der Mann recht hat, hat er recht.
Daraufhin, lieber Kollege Hauk, erwidern Sie – ich zitiere –:
Die Frauen-Union ist aufgefordert, nicht nur Personal ideen zu bringen, sondern auch inhaltlich Punkte zu set zen. Politik für Frauen muss von Frauen kommen.
Da spricht der zweite große Frauenpolitiker der CDU. Ein sen sibler Umgang mit diesem Thema sieht anders aus.
Der Satz „Politik für Frauen muss von Frauen kommen“ ist wirklich absurd und weltfremd und zeigt, dass Sie Ihr eigenes Projekt „Frauen im Fokus“ überhaupt nicht verstanden haben.
Das ist okay. Die haben es im Gegensatz zu Ihnen nämlich verstanden, Kollege Hauk.
Der Gleichstellungsatlas zeigt auf, dass es noch viel zu tun gibt.
Wir nehmen diese Herausforderung an. Wir halten nicht nur schöne Sonntagsreden, sondern wir tun etwas. Wir erlassen Gesetze, wir haben das Kommunalwahlgesetz geändert – Stichwort „Paritätische Besetzung der Kommunalwahllisten“ –, und wir novellieren Gesetze wie beispielsweise das Chan cengleichheitsgesetz. Hier steht noch ein weiteres wichtiges Thema an, nämlich die Verankerung der kommunalen Frau enbeauftragten. Seit Jahrzehnten kämpfen die Frauenbeauf tragten dafür. Seit Jahrzehnten ist Baden-Württemberg das einzige Land, in dem Frauenbeauftragte noch nicht gesetzlich verankert sind. Das wird jetzt in Angriff genommen.
Das zeigt ganz deutlich: In der Frauenpolitik gibt es mehr zu tun, als schöne Worte zu sprechen und verbale Aufgeschlos senheit zu zeigen. Es gibt auch die Möglichkeit, Gesetze zu erlassen und die Herausforderungen anzunehmen. Und genau das tun wir.
Zwei Minuten Redezeit habe ich noch. – Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Noch drei kurze Bemerkungen von meiner Seite.
Erstens: Frau Kollegin Gurr-Hirsch, auch ich muss sagen: Ich bin enttäuscht über Ihre Rede, über Ihre Ausführungen zum Gleichstellungsatlas.
Denn der Landesgleichstellungsatlas stellt keine Fragen und gibt keine Antworten – genauso wenig wie der Gleichstel lungsatlas der Bundesregierung.
Das ist eine Bestandsaufnahme mit dem Ziel, Daten zu sam meln und auf dieser Grundlage dann Lösungen anzubieten. Das ist der Sinn jedes Gleichstellungsatlasses. Aber Sie ha ben gesagt, Sie seien enttäuscht, weil der Gleichstellungsat las keine Fragen stelle und keine Antworten gebe. Das ist überhaupt nicht das Ziel. Es handelt sich vielmehr um eine Bestandsaufnahme, und wir reagieren darauf.
Wir haben, Kollege Haußmann, mit konkreten Maßnahmen reagiert. Sie haben als Erstes die Änderung des Kommunal wahlgesetzes angesprochen, in das wir eine Sollregelung auf genommen haben. Sie haben recht: Es ist eine Sollregelung. Aber es ist ein erster Schritt. Wir werden bei der Kommunal wahl im nächsten Jahr ganz genau feststellen, was sich ver ändert. Wenn sich nichts verändert – das haben wir immer ge sagt –, werden wir genau den Schritt gehen, den die Franzo sen beim Parité-Gesetz auch gegangen sind. Dann müssen wir über eine Verfassungsänderung nachdenken.
Das zweite Konkrete, was ich auch angesprochen habe und was die Frau Sozialministerin gerade ausgeführt hat, ist die Novellierung des Landeschancengleichheitsgesetzes. Dabei geht es um zwei Punkte: Das Erste ist die Verankerung der kommunalen Frauenbeauftragten, und das Zweite ist die Wei terentwicklung der Chancengleichheitspläne. Letztere haben auch zum Ziel, den Frauenanteil auf allen Ebenen – also nicht nur auf den unteren Ebenen, sondern auch im Bereich von Führungspositionen – zu erhöhen.
Vorhin hat die Kollegin Gurr-Hirsch zu Recht noch einmal die frauenpolitischen Erfolge aufgeführt, die Sie auf Bundesebe ne erstritten haben. Nach vielen Jahren der Streiterei ist die Quote ja tatsächlich in Ihr Wahlprogramm aufgenommen wor den.
Jetzt kann ich es Ihnen aber leider nicht ersparen, noch den dritten großen CDU-Frauenpolitiker zu zitieren. Das ist in die sem Fall EU-Kommissar Günther Oettinger, der seine Kern kompetenz nicht bei der Endlagersuche und wahrscheinlich auch nicht bei dem Thema hat,
zu dem er mit Blick nach Berlin Ausführungen gemacht hat. Er sagte nämlich zu Frau Merkel, mit der Frauenquote und dem Mindestlohn stünden die falschen Themen auf der Tages ordnung. Das hat er nicht verstanden. Denn das sind eigent lich genau die Themen, die Frauenpolitik weiterbringen. Das sind die zwei Punkte, die enorm wichtig sind, um am Erwerbs leben, am Berufsleben und an der politischen Arbeit gleich berechtigt teilhaben zu können.
In diesem Sinn sage ich: Der Gleichstellungsatlas ist eine wichtige Basis, um die benötigten Informationen zu liefern. Sie können beruhigt sein: Wir werden nicht nur reden, son dern wir handeln entsprechend.
Danke schön.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Her ren!
Die Ehe muss vor Homosexuellen geschützt werden – das ist der Tenor, mit dem das Unions-Establishment vor dem CDU-Parteitag
Anfang letzter Woche –
Stimmung gegen den Antrag zum Ehegattensplitting für homosexuelle Lebensgemeinschaften macht.
So überschrieb die „Süddeutsche Zeitung“ einen Beitrag am 1. Dezember 2012.
Die Stimmungsmache war erfolgreich. Die CDU hat auf ih rem Parteitag die steuerliche Gleichstellung von gleichge schlechtlichen Lebenspartnerschaften mit eindeutiger Mehr heit abgelehnt.
Sehr geehrte Damen und Herren von der CDU, wann hören Sie endlich auf, Homosexuelle wie Menschen zweiter Klasse zu behandeln?
Dabei hat alles so schön begonnen: 13 mutige MdBs, schnell als die „Wilden 13“ bekannt, haben einen Antrag zur steuer lichen Gleichstellung beim Parteitag zur Abstimmung gestellt. Mutig hat sich auch der Landesvorsitzende der CDU BadenWürttemberg Strobl aus der Deckung gewagt und diesen An trag in der Öffentlichkeit unterstützt.
Strobl sagt – ich zitiere –:
Nach meiner Überzeugung ist es nicht die Aufgabe der Politik, individuelle Lebensentwürfe zu bewerten. Ent scheidend ist vielmehr, dass zwei Menschen füreinander Verantwortung übernehmen: Ob dies ein Mann und eine Frau sind oder zwei Männer oder zwei Frauen, ist zweit rangig.
Was soll ich sagen? Dieser Mann hat recht, und diese Forde rung findet unsere volle Unterstützung.
Doch was als Tiger lossprang, endete kläglich als Bettvorle ger vor der Kanzlerin. Der Antrag fand mehrheitlich keine Un terstützung.
Das zeigt doch ganz deutlich zweierlei auf: erstens welchen Einfluss die baden-württembergische CDU mit ihrem Landes vorsitzenden und ihrem neuen stellvertretenden Bundesvor sitzenden auf der Bundesebene hat, nämlich keinen.