Protokoll der Sitzung vom 11.10.2012

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Für die Fraktion der FDP/DVP spricht Kollege Dr. Bullinger.

Bei so viel Einig keit ist nun Zeit, noch ein paar kritische Gedanken einzubrin gen.

(Zuruf von der SPD: Oh! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Kritische Gedanken? – Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Selbstkritische!)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zu nächst einmal bedanke ich mich bei den letzten beiden Vor rednern, denn sie haben doch noch etwas Faktisches und auch etwas mit Niveau eingebracht.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Oh!)

Ich schätze Sie wirklich, Kollege Rösler. Aber heute haben Sie inhaltsfrei, faktenfrei polemisiert und im Inhalt nichts zur Sache beigetragen. Das ist ein entscheidender Punkt.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Andreas Stoch SPD: Das ist eigentlich die Stärke vom Kollegen Dr. Rülke!)

Das ist bei einem promovierten Naturwissenschaftler nicht angebracht. Da muss ich sagen: Ich bin mehr als enttäuscht.

Meine Damen und Herren, der Vorwurf, den Sie, lieber Herr Kollege, erhoben haben, ist so oberflächlich und populistisch wie auch einige Zeitungsberichte. In dem Beschluss des Lan deshauptausschusses der FDP vom 15. September 2012 – ich habe ihn dabei – ist mit keinem Wort davon die Rede, dass wir Gentechnik für Baden-Württemberg fordern, sondern da rin steht nur, dass wir für die Freiheit der Forschung sind, dass wir auch weiterhin die Auswirkungen dessen, was bereits jetzt in der Praxis ist, erkunden wollen. Das ist eine sehr wichtige Aufgabe für ein Forschungsland, für unsere Universitäten und Hochschulen. Dahinter steht die FDP/DVP. Wir haben nicht gefordert, genmanipulierte oder genveränderte Pflanzen an zubauen – um das einmal klarzustellen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf von der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will damit klar und deutlich sagen: Wir wollen Forschung in diesem Land, aber wir brauchen in unserem Land den praktischen Anbau nicht.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Obwohl die Vorredner schon vieles gesagt haben, möchte ich noch ein wenig auf ein Thema eingehen, nämlich auf den Hin tergrund des Anlasses der Debatte. Es geht heute nicht nur da rum, dass man dem Netzwerk beitritt, sondern wir reden heu te ausschließlich über die grüne Gentechnik, nicht über rote und graue Gentechnik. Ich möchte die Vorteile und den Segen der Gentechnik in der Humanmedizin deutlich machen. Dar über, dass das etwas ganz anderes ist und wir dahinterstehen, gibt es Konsens in diesem Haus. Ich glaube, niemand möch te ernsthaft einen Rückschritt in der Medizin, vor allem nicht im Bereich der Medikamente.

Nun zu den Themen „Essen ohne Gentechnik“ und „Land schaft ohne gentechnisch veränderte Pflanzen“. In Deutsch

land – das ist der aktuelle Stand – werden gentechnisch ver änderte Pflanzen auf dem Acker eigentlich keine Rolle spie len, in Baden-Württemberg überhaupt keine. Das ist nachge wiesen. Das heißt für mich, man muss feststellen, dass BadenWürttemberg faktisch – pflanzenbaulich gesehen – gentech nikfrei ist.

Wir haben gehört, dass dies in den USA, in den Schwellen ländern, in Asien, in Indien und in Südamerika nicht so ist. Vor allem Soja, Raps und Mais sind überwiegend gentech nisch verändert. Wir haben gerade von Herrn Kollegen Wink ler gehört, wie die entsprechenden Prozentzahlen in der Er nährungswirtschaft aussehen, sowohl in der tierischen Erzeu gung, das heißt bei der Verfütterung, als auch bei direkten Pro dukten wie Soja in der Ernährung. Jeder, der sich rein vege tarisch ernährt, muss wissen, womit er sich ernährt.

Wir haben in Europa und in Deutschland einen großen Ein fuhrbedarf vor allem an Eiweißfuttermitteln. Um ihn zu sen ken – dahinter stehen wir auch –, setzt die Landesregierung vor allem auf die Förderung des Anbaus von Leguminosen, das heißt darauf, den Anbau eigener eiweißproduzierender Pflanzen stärker zu forcieren. Dahinter stehen wir auch.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einmal et was zu den Umfragen „ohne Gentechnik und ohne Wahrheit“ sagen. Bei dem neuerlichen Streit, vor allem auf der Agrarmi nisterkonferenz im Kloster Schöntal, Herr Minister, wo Sie der Agrarministerin Aigner vorwarfen, dass sie im Umgang mit Genmais ein unzureichendes Engagement an den Tag le ge, sagten Sie laut „Südwest Presse“ vom 27. September 2012 – ich zitiere –:

Spätestens jetzt, wo sich

durch eine neue Situation –

Hinweise auf schädliche Nebenwirkungen von Genmais mehren, besteht Handlungsbedarf. Ständiges Wegducken hilft nicht mehr...

Wer – ich sage das auch – dem schon genannten pseudowis senschaftlichen Ergebnis eines französischen Forschers, eines Trendwissenschaftlers, aufsitzt, der sollte einmal erkennen, wie dies zustande kam.

Frau Aigner liegt nicht ganz falsch, wenn sie sagt, dass Sie, Herr Bonde, hier vielleicht einer Pressekampagne aufgeses sen sind.

Jetzt wollen wir die Seriosität hinterfragen. Bei meiner Re cherche fiel auf, dass alle Biologen und andere Naturwissen schaftler die Hände über dem Kopf zusammenschlagen ange sichts dessen, wie die Studie zustande kam. Sie ist sicherlich reißerisch vermarktet worden, ist jedoch völlig unseriös und unwissenschaftlich. Sie wurde sogar zur „Unstatistik des Mo nats“ gewählt. Herr Séralini fütterte Ratten über zwei Jahre hinweg mit gentechnisch verändertem Mais. Zudem erhielten die Tiere das Totalherbizid Roundup ins Trinkwasser. Er ver wendete einen Tierstamm, der speziell zu Tests hinsichtlich Turmorbildung geeignet ist. Wen wundert es also, dass die Ratten – sie haben eine Lebensdauer von etwa zwei Jahren – früher starben und häufiger Tumore hatten?

(Glocke des Präsidenten)

Kollege Dr. Bullinger, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Rösler?

Ja, am Ende mei ner Rede. – Wenn man dazu weiß, dass diese Ratten nicht äl ter als zwei Jahre werden, weiß man auch, dass die gesamte Laienpresse darauf hereinfiel. Das muss ich einmal deutlich sagen. Es waren zehn Tiere pro Gruppe; das zeigt, dass man von Statistik und Biometrie keine Ahnung hatte und das Gan ze nicht seriös war. Wer einen solchen Versuch mit zehn Tie ren pro Gruppe macht, kann gar nicht seriös sein, meine Da men und Herren. Das wäre genauso, Herr Rösler, als wenn wir eine Umfrage machten – –

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Es waren 20, aber trotzdem zu wenig!)

Einmal mit und einmal ohne Roundup. Eine Wiederholung.

Trotzdem: Die wissenschaftliche Aussage hat ungefähr den Wert, als würde man eine Wahlumfrage zur nächsten Bundes tagswahl machen, und zwar nach einer Kreisvorstandssitzung der Grünen. Wenn zehn grüne Kreisvorstandsmitglieder aus der Sitzung kommen und man fragt: „Was wählen Sie?“, kommt heraus: Siehe da, 80 % wählen Grün.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: 100! – Heiterkeit)

Nein, bei Ihnen sind immer noch zwei Vernünftige dabei, die das nicht tun, meine Damen und Herren, auch wenn sie Mitglied sind.

Jetzt kommen wir einmal zu seriösen Studien; denn es gibt auch Studien, die etwas taugen, z. B. eine Studie der TU Mün chen. Bei dieser wurden 28 Kühe über 25 Monate hinweg mit Genmais gefüttert. Abgesichert wurde festgestellt, dass es hin sichtlich Gesundheit, Fruchtbarkeit, Milchleistung und Tu morbildung keinerlei Unterschiede gibt. Ich habe das nicht zu werten; mir geht es nur um die Seriosität, wenn man Behaup tungen in die Welt setzt.

Meine Damen und Herren, ich will noch eines klarstellen: Kaum jemand in Deutschland oder in Baden-Württemberg wünscht sich – das ergaben Umfragen – gentechnisch verän derte Pflanzen in der praktischen Anwendung. Das gilt – ich sage das deutlich – in der Mehrheit auch für die FDP/DVPLandtagsfraktion, und es gilt auch für mich.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Also nicht alle?)

Denn – das sage ich Ihnen auch –: Forschen ja, praktische An wendung in Baden-Württemberg nicht erwünscht und auch nicht erforderlich. Warum, das begründe ich Ihnen jetzt. Ich bin praktischer Landwirt und schaue ein bisschen draußen he rum.

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen, warum es nicht er forderlich ist: weil Pflanzen bei ordnungsgemäßer Landbe wirtschaftung und einer vernünftigen Fruchtfolge heute durch leistungsfähige Sorten, die allesamt durch die normale Pflan zenzucht entstanden sind, solche Erträge abwerfen – und zum Teil pilzresistent sind –, dass man auf gentechnische Verän derungen verzichten kann.

Jetzt nenne ich Ihnen einmal ein paar Zahlen: Man erntete noch in den Fünfzigerjahren 20 bis 30 Doppelzentner Raps

pro Hektar – je nachdem, wie der Boden war –, heute 50 Dop pelzentner und mehr, ohne Gentechnik. Damals erntete man 30 bis 40 Doppelzentner Weizen, heute 70 bis 100 Doppel zentner pro Hektar, je nach Bonität des Bodens und Sorte, oh ne Gentechnik. Damals waren es 400 bis 500 Doppelzentner Zuckerrüben, heute sind es 800 bis 1 200 Doppelzentner pro Hektar, je nach Bonität des Bodens, ohne Gentechnik.

Übrigens gilt in der Tierzucht das Gleiche. Vor 20 bis 30 Jah ren hatte man noch Herdendurchschnitte von 3 000 bis 4 000 Litern Milch pro Kuh und Jahr, heute liegt man bei 8 000 bis 10 000 Litern, ohne Gentechnik. In der Schweinemast lag die tägliche Zunahme damals noch bei etwa 500 g, heute liegt sie bei 800 bis 1 000 g.

Was will ich damit sagen? Wir brauchen weiterhin Forschung. Wir brauchen weiterhin vor allem auch Nachweise. Wenn auch bei alternativ wirtschaftenden Betrieben „gentechnik frei“ draufsteht, dann muss das nachvollziehbar sein.

Vielleicht noch ein Punkt; ich glaube, Alfred hat es gesagt, oder du hast es gesagt. Es ist auch bei der Veredelung wich tig: Wie will man bei Milch den Beweis führen, ob die Kuh vorher gentechnisch verändertes Soja als Eiweißträger erhal ten hat? Das können Sie gar nicht, weil nämlich die Mikro biologie gar nicht zulässt, das im Pansen nachzuweisen. Des halb ist es ganz schwierig. Deshalb heißt es für mich auch im Voraus ganz klar: Sie müssen Kontrollen durchführen, Sie müssen klare Deklarationen im Interesse des Verbraucher schutzes durchführen. Eines muss klar sein: Was draufsteht, muss drin sein. Da gibt es kein Wenn und Aber. Das ist auch bei der Deklaration wichtig.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Noch eine Zwischenfrage!)

Die Zwischenfrage bzw. die Nach frage des Kollegen Dr. Rösler.

Herr Kollege Bullinger, es geht uns durchaus gleich. Ich schätze die Fachkompetenz bei Ihnen bzw. bei dir sehr wohl.

(Heiterkeit)

Ich habe aber eine Frage.

Du kannst grund sätzlich „dir“ sagen, auch wenn es um das Thema Gentechnik geht.