Meine Damen und Herren, ich bin der Überzeugung, dass wir mit diesem Entwurf die Vorgaben des Bundesverfassungsge richts konsequent, aber auch mit Augenmaß umsetzen und den Vollzug der Sicherungsverwahrung künftig auf eine verfas sungsmäßige Grundlage stellen. Ich bin sicher, dass der Ge setzentwurf auch weitgehend Zustimmung finden wird.
Morgen besteht Gelegenheit, im Ständigen Ausschuss Detail beratungen durchzuführen. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich daran rege beteiligen, unserem Entwurf aufgeschlossen gegenüberstehen und in der Zweiten Beratung unserem ver fassungskonformen Entwurf zustimmen.
Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Herr Minis ter, Sie haben bereits ganz richtig die Notwendigkeit des heu te vorgelegten Entwurfs eines Gesetzes zur Schaffung einer grundgesetzkonformen Rechtsgrundlage für den Vollzug der Sicherungsverwahrung erläutert. Der Vorgabe des Bundesver fassungsgerichts in seinem Urteil vom 4. Mai 2011, dies bis Ende Mai 2013 zu regeln, kommt dieser Gesetzentwurf nach.
Die CDU-Fraktion begrüßt im Großen und Ganzen diesen Ge setzentwurf. Denn das Bundesverfassungsgericht hat – wie Sie auch zu Recht sagten – klare Linien vorgegeben. Es muss das Abstandsgebot gewahrt werden – die Sicherungsverwah rung muss also anders gestaltet werden als die Strafhaft –, und der Therapiegedanke steht ganz massiv im Vordergrund.
Auch demjenigen – das muss auch gesagt werden –, der sich durch schlimmste Untaten aus der Mitte unserer Gesellschaft entfernt hat, muss eine Chance zur Umkehr eröffnet werden. Das ist Ausdruck unserer Gesellschaftsordnung, die den Wert des Einzelnen auch dann noch achtet, wenn er selbst dies in seiner Vergangenheit leider nicht getan hat. Es ist Ausdruck unseres christlichen Menschenbilds, auch wenn es hier und da sehr schwerfällt.
Auf der anderen Seite müssen wir aber auch an die Opfer der Straftaten denken, denen vielfach keine zweite Chance gege ben ist. Deshalb ist es richtig und wichtig, dass wir die Siche rungsverwahrung mit diesem Gesetz entsprechend dem Ur teil des Bundesverfassungsgerichts regeln.
Herr Minister, vielleicht heißt es künftig auch „Sicherungsun terbringung“. Ich kann mir schon vorstellen, dass das Wort „Verwahrung“ völlig falsch ist. Das erlaube ich mir heute zu sagen. Wir verwahren die Leute nicht; wir wollen sie ja nicht verwahren, sondern wir wollen sie behandeln. Dieser Ansatz wird sicherlich auch umgesetzt.
Dazu gehört also auch, dass wir die Mitarbeiter im Justizvoll zug nicht überlasten. Wir können die schönsten Programman sätze in das Gesetz hineinschreiben; das hilft aber nichts, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sie nicht mit Le ben füllen können. Ich nenne Ihnen hier z. B. § 8 Absatz 1 des Gesetzentwurfs – das ist ein hehres Ziel –:
Den Untergebrachten sind die zur Erreichung der Voll zugsziele erforderlichen Behandlungsmaßnahmen anzu bieten. Diese haben wissenschaftliche Erkenntnisse zu be rücksichtigen. Soweit standardisierte Angebote nicht aus reichen oder keinen Erfolg versprechen, sind individuel le Behandlungsangebote zu entwickeln.
Liebe Kollegen, der Gesetzentwurf und diese Aussagen sind eigentlich vom Urteil des Bundesverfassungsgerichts fast ab geschrieben, können also nicht falsch sein. Aber auf gut Deutsch bedeuten sie: mehr Geld, mehr Zeit und mehr Perso nal.
Dazu muss ich Ihnen jetzt sagen – Sie haben zwar die Perso nalzahlen und die geplante Aufstockung angesprochen –: Die Kritik, die aus den zuständigen Haftanstalten kommt – hier insbesondere aus der Haftanstalt in Freiburg –, lässt schon auf horchen. Denn die Anstalten können mit dem jetzt bereits zu gewiesenen Personal diese neue Rechtslage nicht schultern. Deshalb bitte ich hier die Mehrheit im Plenarsaal inständig: Geben Sie der Sicherungsverwahrung – oder, wie es künftig heißen könnte, der Sicherungsunterbringung – in Freiburg das, was sie braucht. Sie dürfen nicht glauben, dass Sie sich hier wie etwa bei der JVA Offenburg mit der Aufhebung der Teil privatisierung so ein bisschen durchwursteln können; Sie dür fen nicht denken, das werde sich schon geben. So etwas kön nen wir uns bei der Sicherungsunterbringung nicht leisten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich aber noch einen weiteren Punkt ansprechen, der mir sehr am Herzen liegt – Herr Minister, Sie sind Gott sei Dank freundlicherweise da rauf eingegangen –: Wie Sie wahrscheinlich alle wissen, sieht unser Strafvollzug eine grundsätzliche Arbeitspflicht für die Gefangenen während der Haft vor. Das ist äußerst sinnvoll, und das ist die beste Sozialarbeit und die beste Vorbereitung auf ein Leben nach der Haft. Aber jetzt hören Sie zu: Der Ent wurf sieht in § 42 Absatz 1 ausdrücklich vor, dass die Unter gebrachten nicht zur Arbeit verpflichtet sind. Die Begründung dazu ist interessant: Dies
Meine Damen und Herren, umgekehrt wird ein Schuh daraus. Wer sicherungsverwahrt ist, der soll arbeiten, der soll an sich selbst arbeiten, und das kann er am besten, indem er überhaupt arbeitet.
fordert nicht einmal der Europäische Gerichtshof für Men schenrechte. Denn er hat in seiner Entscheidung vom 17. De zember 2009 nur beanstandet, dass die Arbeit des Beschwer deführers – damals in der Sicherungsverwahrung – so weiter ging wie in der Strafhaft und dass es darüber hinaus keine An reize für eine persönliche Entwicklung gab.
Auch das Bundesverfassungsgericht hat die Arbeitspflicht in der Sicherungsverwahrung im Jahr 1998 bestätigt. Schließ lich hat das Gericht auch in seiner Entscheidung vom 4. Mai 2011 – auf dieser Entscheidung basiert ja der vorliegende Ge setzentwurf – keinen Hinweis gegeben, den man aus meiner Sicht anders deuten könnte.
Ich meine: Deshalb müssen wir der Arbeitspflicht auch in die sem Gesetzentwurf den gebührenden Stellenwert einräumen. Wir sollten sie nicht abschaffen, sondern neu gestalten. Mo tivation sollte im Vordergrund stehen. Das hat uns das Bun desverfassungsgericht aufgegeben.
Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Ich spreche Ihnen per sönlich, Herr Minister, aber insbesondere auch Ihrem Haus und den dort beschäftigten Mitarbeitern meinen Dank für die schnelle und detaillierte Arbeit des Justizministeriums bei der Vorlage dieses Gesetzentwurfs aus. Das muss man einräumen. Dort sind gute Leute tätig; Sie haben sie auch fast alle über nommen.
Ich verbinde damit aber auch die Hoffnung, dass nach der Ausschussberatung und der Zweiten Beratung eine klare und einstimmige Verabschiedung des Gesetzentwurfs folgen wird. In dieser Hinsicht bin ich zuversichtlich.
Herr Abgeordneter, Sie sollten zum Schluss kommen. Sie haben die Redezeit schon um zwei Minuten und 40 Sekunden überzogen.
Jetzt komme ich ganz zum Schluss. – Ich musste übrigens sehr schmunzeln, als ich kürz lich Ihre Ausführungen zur Harmonie in der grün-roten Lan desregierung gelesen habe: „Ein Herz und eine Seele“. Sol che Beteuerungen sollten immer nachdenklich stimmen. Mir jedenfalls hat sich spontan die Frage aufgedrängt: Wenn GrünRot im Land „Ein Herz und eine Seele“ sind, wer von Ihnen ist dann das „Ekel Alfred“?
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
Dieser Absatz in Artikel 1 des Grundgesetzes gilt auch für Si cherungsverwahrte. Es wirft kein gutes Licht auf die Bundes regierung, dass es erst des Urteils des Bundesverfassungsge richts vom 4. Mai 2011 bedurfte, um die Einhaltung dieser Bestimmung sicherzustellen.
Der Bund, meine Damen und Herren, hat darüber hinaus auch seine Hausaufgaben, die sich aus dieser Gerichtsentscheidung ergeben haben, bislang nicht gemacht und noch immer keinen Gesetzentwurf vorgelegt – trotz der vom Bundesverfassungs gericht aufgegebenen Frist bis 31. Mai 2013.
Wir in Baden-Württemberg sind schon weiter und bringen nun den entsprechenden Gesetzentwurf für den Vollzug der Siche rungsverwahrung in den Landtag ein.
Ich will verdeutlichen: Es geht bei der Sicherungsverwahrung um Menschen, die ihre Strafe bereits verbüßt haben. Das ist der große Unterschied zu einem Strafgefangenen. Das Gebot des Abstands zur Haft ist nicht nur verfassungsrechtlich vor geschrieben, sondern auch sachlich geboten.
Ebenso ist es richtig, eine Entlassung auch aus der Sicherungs verwahrung als Ziel auszugeben, sobald die Entlassung von der Sicherheit her unbedenklich ist. Deshalb sind bereits im Vorgriff 16 Stellen für Therapeuten und Sozialarbeiter – das wurde von Herrn Kollegen Zimmermann als zu wenig kriti siert – zusätzlich genau für diese vollzuglichen Handlungen im Haushalt 2012 ausgewiesen worden. Ich denke, auch da haben wir im Vergleich mit anderen schon die Hausaufgaben gemacht.
Aus dieser Konstellation, dass sich aus den Grundsätzen für die Sicherungsverwahrung auch Ansprüche ableiten, ergibt sich etwas für die Wohnsituation und für die Außenkontakte sowie auch im Hinblick auf die Möglichkeiten, Geld zu ver dienen. Ich denke, da ist der Entwurf völlig konform mit den Vorgaben. Weil es keine Gefangenen sind, soll es einen An reiz geben, dass sie arbeiten sollen; es soll sich aber keine Pflicht daraus ergeben. So soll auch die Bezahlung höher lie gen, als sie es bei einem Gefangenen wäre. Genauso sind die se Vorgaben bei der Kleidung, bei der Tagesgestaltung und bei den Baulichkeiten entsprechend umzusetzen.
All das soll nicht nur Theorie bleiben. Das ist bei dem Gesetz entwurf von der Textpassage her auch klar, sodass es entspre chend umgesetzt werden kann. Ich bin hier sehr zuversicht lich, weil in der JVA Freiburg und auch in Bruchsal die Arbei ten entsprechend diesen Vorgaben schon vorangehen.