Protokoll der Sitzung vom 08.11.2012

Trotzdem haben wir natürlich die Möglichkeiten, die wir hat ten, genutzt, um die Positionen der Stuttgarter Erklärung ge meinsam mit der betroffenen Region und den Vertretern die ser Region in die Verhandlungen einzubringen.

Ich komme zu den Inhalten des Staatsvertrags. Da muss man der Ehrlichkeit halber schon sagen: Der Staatsvertrag enthält nicht nur Probleme, er enthält auch positive Aspekte. Insbe sondere die Ausweitung der Sperrzeiten um wöchentlich 16,5 Stunden für die Anflüge auf die Nord-Süd-Pisten des Flugha fens Zürich ist auf jeden Fall zu begrüßen. Damit einher geht auch eine Reduktion der Anflugzahlen. Auch positiv zu be werten ist die vorgesehene gemeinsame Bewirtschaftung des Luftraums.

Von Anfang an hat die Landesregierung aber darauf hingewie sen, dass der Bund in der Pflicht ist, dem Staatsvertrag ergän zende, weitere verbindliche und sehr konkrete Vereinbarun gen folgen zu lassen. Deswegen macht es auch keinen Sinn, so, wie Sie das getan haben, von einer Kehrtwende der Lan desregierung oder von Kartoffeln zu sprechen. Das ist schlicht absurd. Denn logisch ist auch: Der Staatsvertrag regelt seiner Natur nach nicht alle Details. Gerade hier – Stichwort „Ver trauensbildung vor Ort“ – stellen sich im Zusammenhang mit dem Staatsvertrag zahlreiche Fragen, auf die der Bund leider bis heute keine Antworten gegeben hat.

(Abg. Felix Schreiner CDU: Die hätten Sie ihm vor her stellen können!)

Natürlich waren wir auch bei der ersten Bewertung des Staats vertrags, die hier angesprochen wurde, davon ausgegangen, dass das Kleingedruckte zum Vertrag gemeinsam mit dem Schweizer Verhandlungspartner fixiert werden würde, und zwar im Sinne einer einvernehmlichen, einer gutnachbar schaftlichen und fairen Lösung.

(Zuruf des Abg. Felix Schreiner CDU)

Wir waren natürlich davon ausgegangen, dass die Zusagen, die in den Verhandlungen gemacht worden waren, für beide Seiten verbindlich geregelt werden würden. Stattdessen ha ben wir vom BMVBS einen Denkschriftentwurf auf den Tisch bekommen, der mehr Fragen offenlässt als beantwortet. Gleichzeitig hat man in der Schweiz ein Vernehmlassungspa pier – von ihm war ja die Rede – auf den Weg gebracht, das den Vertrag in etlichen Punkten vollkommen anders auslegt, als uns das auch vom BMVBS erläutert worden war. Das heißt, bevor die Tinte unter dem Vertrag trocken war, gingen – –

(Abg. Peter Hauk CDU: Ihre Mitarbeiter waren doch bei den Verhandlungen dabei! – Gegenruf des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Wer hat denn das formu liert? Das war doch das BMVBS!)

Ich habe gerade erläutert, dass nach der Vertragsverhandlung weitere Verhandlungen hätten folgen müssen. Das wurde ver säumt. Das heißt: Noch bevor die Tinte unter dem Vertrag tro cken war, gingen die Interpretationen in einer Weise ausein ander, die Vertrauen erst gar nicht entstehen lassen kann.

(Abg. Peter Hauk CDU: Das sind doch Ausreden!)

Unsere Chronologie liest sich im Übrigen etwas anders als die, die hier vonseiten der FDP/DVP vorgetragen wurde. Wir haben schon im Juli kritische Fragen gestellt. Ich habe am 3. September – also noch vor Unterzeichnung des Staatsver trags – Herrn Bundesverkehrsminister Ramsauer telefonisch und schriftlich umfangreiche Einwendungen vorgetragen. Ich habe damals gefordert, dass vor der Ratifizierung des Staats vertrags Klarheit darüber bestehen muss, wie tatsächlich ge flogen werden soll, u. a. für welche Flugrouten die im Staats vertrag genannten Flughöhen tatsächlich gelten sollen. Diese Klarheit gibt es auf Basis allein des Staatsvertrags nicht.

Mit Schreiben vom 28. September haben wir, die Landesre gierung, gegenüber dem Bundesverkehrsminister sehr kritisch zum vorgelegten Entwurf des Vertragsgesetzes zum Staats vertrag und zur sogenannten Denkschrift Stellung genommen.

Wir haben die Erwartung zum Ausdruck gebracht, dass der Bund auch die in den zahlreichen Schreiben und Resolutio nen aus Südbaden aufgeworfenen Fragen transparent und überzeugend beantwortet und die vorgetragenen Bedenken ausräumt.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Der Bund hat nicht geantwortet!)

Wir haben deutlich gemacht, dass, solange dies nicht der Fall ist, das Land dem Staatsvertrag nicht zustimmen und ihn im Bundesrat auch nicht unterstützen kann.

Mit einem weiteren Schreiben, einem Schreiben vom 25. Ok tober, hat Herr Minister Hermann Herrn Bundesverkehrsmi nister Ramsauer aufgefordert, die Bedenken gegen den Staats vertrag bis Ende Oktober auszuräumen. Sollte dies nicht ge schehen, sei davon auszugehen, dass sie nicht ausgeräumt werden können.

Der Bundesverkehrsminister hat mit Schreiben vom 31. Ok tober weitere Erklärungen innerhalb der nächsten Tage ange kündigt und politisch Verantwortliche der Landesregierung und der Region einschließlich der Bürgerinitiativen für den 26. November zu einem Gespräch nach Berlin eingeladen, um dort Fragen zu beantworten.

Meine Damen und Herren, das wochen-, ja monatelange Schweigen, das Abtauchen des Bundes hat nicht nur die Ge duld in der Region, sondern auch unsere Geduld über Gebühr strapaziert.

Es ist übrigens schon bezeichnend, dass es der Bundesver kehrsminister im Gegensatz zu Vertreterinnen und Vertretern der Landesregierung nicht fertigbringt, sich in Südbaden den Fragen der Betroffenen zu stellen,

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es!)

sondern dort Termine absagt und Wochen später Vertreterin nen und Vertreter der Region und der Landesregierung zu sich nach Berlin einlädt.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das geht ja gar nicht!)

Die Tatsache, dass seit Juli Bedenken nicht ausgeräumt wer den konnten, legt den Schluss nahe, dass der Bund eben kei ne guten Argumente hat und dass die notwendigen Vereinba rungen mit der Schweiz nicht auf den Weg gebracht wurden.

Inzwischen ist die Meinungsbildung in der Region und hier im Landtag weit fortgeschritten. Eine Unterstützung für den Staatsvertrag ist nicht bzw. nicht mehr in Sicht.

Welchen Sinn, meine Damen und Herren, macht es, eine Re gion mit einem Staatsvertrag beglücken zu wollen, den diese Region im breiten Schulterschluss ablehnt? Die Hoffnung, dass über eine einvernehmliche Regelung mit der Schweiz ei ne Befriedung der jahrelangen Diskussion gelingen kann, ist auf der Basis des ausgehandelten Vertrags wohl nicht mehr zu erfüllen,

(Zuruf von der SPD: So ist es! Ja!)

zumal sich auch die Landesgruppen von CDU und FDP so wie die Opposition im Bundestag festgelegt haben und eine

Mehrheit für den Staatsvertrag im Bundestag nicht zu erwar ten ist. Faktisch heißt das: Bundesminister Ramsauer ist mit seinem Staatsvertrag gescheitert.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Peter Hauk CDU: Aber die Landesregierung ist glamourös mit gescheitert! – Zuruf von der CDU: Sie haben zugestimmt!)

Klar ist aber auch: Es gibt diesen Staatsvertrag entweder so, wie er verhandelt und unterschrieben wurde,

(Abg. Peter Hauk CDU: Das ist doch klar!)

oder es gibt auf absehbare Zeit keinen Staatsvertrag, sondern die Beibehaltung der bisherigen einseitigen Regelung, die – das muss man der Ehrlichkeit halber dazusagen – eben auch keine Deckelung der Anflugzahlen beinhaltet. Eine Verhand lungslösung, die die Stuttgarter Erklärung 1 : 1 wiedergibt, wird es mit größter Wahrscheinlichkeit nicht geben können. Dazu sind die Ausgangslagen auf beiden Seiten der Grenze zu unterschiedlich.

Ich rechne nicht mehr damit, dass der Bund die Bedenken noch ausräumen können wird. Gleichzeitig freue ich mich, dass wir im Landtag beim Thema Fluglärm über die Partei grenzen hinweg alle am gleichen Strang in die gleiche Rich tung ziehen. Wir wollen und müssen dafür sorgen, dass die Menschen in Südbaden wesentlich vom Fluglärm entlastet werden, und genau daran werden wir weiter arbeiten.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Peter Hauk CDU meldet sich. – Glocke der Präsidentin)

Gestatten Sie eine Zwi schenfrage des Kollegen Hauk?

Ja.

Frau Staatssekretärin, wenn es zu trifft, dass Sie, wie Sie gesagt haben, von Anfang an Zweifel hatten, was hat dann die Landesregierung dazu bewogen, dass sie – zunächst der Verkehrsminister und dann vor allem auch der Herr Ministerpräsident – sich vehement und geradezu eu phorisch über den Staatsvertrag geäußert hat

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Welche Eupho rie? – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Welche Eu phorie? Keine Euphorie!)

und diesen Staatsvertrag sehr begrüßt hat?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von der CDU: Sehr gut!)

Vielen Dank für diese Nachfrage, die mir ermöglicht, noch einmal zu erläutern, dass unsere erste Bewertung des Staatsvertrags

(Abg. Willi Stächele CDU: Dilettantisch war! – Hei terkeit bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

nicht dilettantisch war – davon ausging, dass offene Fragen und Details, die zu regeln sind, noch geregelt würden, und zwar einvernehmlich.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Also doch dilet tantisch!)

Wir haben den ausgehandelten Staatsvertrag in einer ersten Reaktion als akzeptablen Kompromiss beurteilt.

(Abg. Willi Stächele CDU: Aber das darf doch nicht passieren!)

Von Euphorie und Jubel war nie die Rede.

(Abg. Willi Stächele CDU: Das darf nicht passieren! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Aber abge nickt habt ihr es!)

Ein akzeptabler Kompromiss war aus unserer Sicht insoweit erreicht, als der Staatsvertrag – ich habe es schon dargestellt – natürlich auch positive Effekte enthält

(Zuruf des Abg. Willi Stächele CDU)

wie die Ausweitung der Sperrzeiten, die dazu führt, dass die Zahl der Flüge reduziert wird, und die gemeinsame Bewirt schaftung des Luftraums.