Ein Letztes noch zum Thema Bürgerregierung. Herr Minis terpräsident, ich finde diesen Passus, mit Verlaub, etwas an maßend.
Sie tun gerade so, als gälte dies nicht für frühere Landesregie rungen – egal, in welcher Zusammensetzung –,
die alle demokratisch legitimiert waren, weil sie immer eine Mehrheit im Volk hatten, wobei im Übrigen im Unterschied zu Sozialdemokraten und Grünen die Mitglieder der Unions fraktion im Wesentlichen immer Abgeordnete waren, die di rekt von der Mehrheit der Bürger in diesen Landtag gewählt wurden.
Im Unterschied zu dem, was teilweise bei Abgeordneten der damaligen Opposition zu beobachten war, waren diese stets und stetig,
(Minister Reinhold Gall: Genau wegen solcher Äu ßerungen sind Sie jetzt in der Opposition! Genau des wegen!)
Ich finde es schon anmaßend, wenn Sie sagen, dass diese Re gierung und diese Regierungsfraktionen den Bürgern nicht zu gehört hätten.
Wahr ist: Wir haben irgendwann, wenn nach Entscheidungen irgendwann einmal der Sack zu war, gesagt: Jetzt sind die Würfel gefallen. Wenn man aus Stuttgart 21 eines lernen kann, dann mit Sicherheit, dass die Bürger – egal, ob Protestbürger oder Vereinsbürger – bei Fragen einen Anspruch darauf ha ben, stets und ständig Antworten geliefert zu bekommen. Das muss man klar sagen; darüber sind wir uns einig. Das ist ein Lerneffekt oder ein Lernprozess, den vielleicht auch wir durchgemacht haben. Aber sich jetzt einfach hinzustellen und zu sagen: „Wir hören zu; alle früheren Regierungen und Mehr heitsfraktionen in diesem Landtag haben das nie getan, son dern haben über die Köpfe der Menschen hinweg regiert“, fin de ich schon etwas anmaßend.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Thomas Blenke CDU: Das ist unerhört! – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das ist uner träglich!)
An die Adresse der Grünen gewandt muss man auch einmal sagen: Sie sind nicht die Gutmenschen, für die Sie sich stets und ständig halten.
Genau das ist doch der Punkt. Sie begegnen zum Teil – in sachpolitischen Fragen und auch inhaltlich – Kolleginnen und Kollegen im Parlament mit einer gewissen Hybris: „Die ver stehen es nicht; das sind die Alten, das ist die alte Denke, das ist nicht modern, nicht innovativ; die haben keine Ahnung.“ Ich glaube, von diesem hohen Ross – wie zu vernehmen war, war das auch einmal Gegenstand der Verhandlungen mit den Sozialdemokraten – müssen Sie noch heruntersteigen.
Deshalb, Herr Ministerpräsident, hätte ich zum Thema Bür gerbeteiligung – vorhin habe ich dazu das Nötige gesagt – von Ihnen ganz gern gewusst – abgesehen von der Forderung, das Quorum abzusenken –, was Sie neben der Ermöglichung ei ner Abstimmung über Schwarz und Weiß tun wollen, um Spal tungen in der Gesellschaft zu verhindern. Dass ein solches Projekt zu einer Spaltung führen kann, haben wir durchaus er lebt. Was wollen Sie tun, damit es erst gar nicht zu aufgelade nen Stimmungen – Schwarz oder Weiß, ja oder nein? – kommt? Das ist doch der entscheidende Punkt; das will ich noch einmal in Erinnerung rufen.
Wir werden uns – wenn Sie es schon nicht tun – überlegen, welche neuen, modernen, innovativen Formen es gibt, unter Umständen auch auf der Basis rechtlicher Änderungen, um die Bürger gerade bei kritischen Projekten, bei großen Projek ten oder auch bei größeren Gesetzesvorhaben stärker auf dem Weg mitzunehmen, damit es am Ende gar nicht erst zu Volks abstimmungen oder zu ganz kontroversen Spaltungen in die ser Gesellschaft kommt.
(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Wir können uns nicht drei Jahre lang eine Enquetekommission leis ten!)
Das ist unser Verständnis, wenn es darum geht, Bürger zusam menzuführen und es nicht zur Spaltung kommen zu lassen. Auf diese Fragen haben Sie keine Antworten geliefert, auch nicht nach der Erklärung zur Regierungserklärung.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf zunächst versichern, dass ich die leiblichen Bedürfnisse der Kollegen in diesem Haus bei dieser Wortmeldung berücksichtigen werde.
(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Nein! – Abg. Walter Heiler SPD: Seit Herr Kluck nicht mehr da ist, geht es länger! – Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)
Zunächst, Herr Ministerpräsident, will ich Ihnen zustimmen: Es ist erkennbar nicht leicht, mit dem Regieren anzufangen. Es ist zugegebenermaßen auch nicht leicht, mit dem zu Op ponieren anzufangen. Am allerschwierigsten ist es offensicht lich, aus der Opposition in die Regierung zu kommen. Aber Sie machen es nicht ungeschickt,
diese dann auch positiv klingend umwölken, um dann, wenn es konkret wird, zum nächsten positiven Begriff zu springen, allerdings das Konkrete immer außen vor lassend. Sie sind so zusagen der Hohepriester des Ungefähren.
Das wird aber für die Regierungsverantwortung nicht reichen. Da muss es dann irgendwann konkret werden.
Wir sind uns einig: „Ökologisch-soziale Marktwirtschaft“ klingt gut. Sie haben von Ordnungsbedingungen gesprochen, haben diese Ordnungsbedingungen aber nicht ausformuliert. Die spannende Frage – Herr Kollege Hauk hat es auch ange deutet – ist, wie diese Ordnungsbedingungen aussehen.
Wir sind, Herr Kollege Hauk, keineswegs für einen ungezü gelten Liberalismus. Wir haben uns immer für einen Ord nungsrahmen eingesetzt. Aber eine Bedingung stellen wir an diesen Ordnungsrahmen: Innerhalb dieses Ordnungsrahmens muss ein fairer Wettbewerb möglich sein, der nicht dazu führt, dass ein Anbieter oder ein Produzent benachteiligt wird, wäh rend andere nicht zu rechtfertigende Vorteile genießen.
Genau das ist die spannende Frage. Genau daran werden wir Sie messen. Sie müssen verdeutlichen, was Sie unter diesen Ordnungsbedingungen verstehen.
Das gilt auch für den Weg aus dem Atomzeitalter. Sie haben durchaus recht: Sie haben früher als Union und FDP verdeut licht, dass wir möglichst schnell aus dem Atomzeitalter her ausmüssen. Auch wenn wir von Brückentechnologie gespro chen haben, haben wir stets keinen Zweifel daran gelassen, dass wir perspektivisch aus der Atomenergie aussteigen wol
Ich gebe Ihnen völlig recht. Ich bin auch bereit, mich zu kor rigieren und zu sagen: Sie sind nicht generell gegen Stromim porte, sondern nur gegen den Import von Atomstrom.
Ich gebe Ihnen auch recht – das habe ich schon vorhin gesagt – hinsichtlich der anderen Ziele, die da zu erreichen sind. Aber das Entscheidende ist doch der Weg. Wie schaffen wir es, die Atommeiler abzuschalten, die anderen von Ihnen formulier ten Ziele zu erreichen und gleichzeitig nicht die Probleme zu bekommen, die sich bei dieser Diskussion am Horizont ab zeichnen?
Über diesen Weg haben wir von Ihnen nichts gehört. Wir müs sen über diesen Weg diskutieren, wir müssen über ihn reden. Das Ganze ist nicht so einfach. Kollege Schmiedel hat vorhin gesagt: Zwei Atomkraftwerke sind weg, 25 % der baden-würt tembergischen Stromproduktion. Das lassen wir einmal unter den Tisch fallen. Jetzt gibt es noch zwei Atomkraftwerke. Das sind noch einmal 25 %. Diese 25 % kann man eben ersetzen.
Sie müssen aber auch über die anderen 25 % reden. Wir müs sen dann 50 % der Stromproduktion ersetzen.
Das geht nicht so einfach. Da muss man über Wege diskutie ren. Es nützt nichts, einfach zu sagen: Wenn wir uns über das Ziel einig sind, kommt der Weg schon von selbst.