Sie sitzen einem Trugschluss auf, wenn Sie glauben, soziale Gerechtigkeit in unserem Land dadurch verbessern zu kön nen, dass Sie in einem ersten Schritt die verbindliche Grund schulempfehlung zum übernächsten Schuljahr abschaffen.
Die TIMSS-Studie sowie die Empfehlungen des Expertenrats „Herkunft und Bildungserfolg“ weisen nämlich eindeutig nach, dass die soziale Selektion durch den Wegfall der Grund schulempfehlung nicht gemindert, sondern verstärkt wird.
Denn Eltern aus bildungsfernen Schichten werden ihr Kind erfahrungsgemäß vielfach eben nicht aufs Gymnasium oder auf die Realschule schicken – selbst wenn es die Vorausset zungen dafür mitbringt.
Andere Eltern werden ihr Kind unter allen Umständen aufs Gymnasium oder auf die Realschule schicken wollen – auch dann, wenn es den dortigen Ansprüchen zu diesem Zeitpunkt vermutlich nicht gewachsen sein wird.
Daher ist es richtig, dass von Lehrerinnen und Lehrern neut ral und sachlich beurteilt wird, ob ein Kind die eigenen Er wartungen erfüllen und den Einschätzungen der Eltern gerecht werden kann.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja! – Zuruf der Abg. Muhterem Aras GRÜNE)
Denn die Grundschulempfehlung zeigt zudem stets nur den Weg auf, den ein Kind gehen kann. Mit der Grundschulemp fehlung wird keine Aussage über die Art des möglichen spä teren Abschlusses getroffen. Denn in Baden-Württemberg galt seit jeher: Kein Abschluss ohne Anschluss.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn zukünftig je de Kommune autonom – oder, wie Sie es so schön sagen, „von unten“ – über ihre Schule entscheiden wird,
sodass auch nicht mehr gewährleistet ist, dass man im Zwei felsfall von Biberach nach Mannheim oder von Wertheim nach Konstanz umziehen kann.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/ DVP)
Aber auch „von unten“ ist nur ein verschleierndes Schlagwort. Denn Sie bauen tatsächlich von oben um. Gerade eine Woche im Amt, kündigten Sie am letzten Freitag den Einstieg in die Ausbildung des Einheitslehrers an
Meine Damen und Herren, Sie schaffen ein Bildungswirrwarr, Sie rufen Geister, die Sie dann irgendwann nicht mehr beherr schen können.
Das gleiche ideologische Verständnis von sozialer Gerechtig keit spiegelt sich auch beim Thema Landeserziehungsgeld wi der. Sie wollen das Landeserziehungsgeld abschaffen und die ses Geld zum Ausbau der Kleinkindbetreuung verwenden. Da mit wird den Familien die Unterstützung genommen, die das Geld am dringendsten brauchen,
weil sie sich am unteren Ende der Einkommensskala befinden und damit zu den ganz Armen in dieser Gesellschaft gehören.
Die baden-württembergischen Studiengebühren sind sozial verträglich ausgestaltet. Das war für die CDU ein zentrales Element bei deren Einführung vor vier Jahren. Doch auch hier wird nun eindrucksvoll deutlich, was Grün-Rot unter sozialer Gerechtigkeit versteht: Künftig wird derjenige, der sich selbst keine Chefarztbehandlung leisten kann, für die Ausbildung ei nes zukünftigen Chefarztes bezahlen.
Niemand muss in Baden-Württemberg aus finanziellen Grün den auf die Aufnahme eines Studiums verzichten.
Der Beweis zeigt sich auch darin, dass die Studierendenzah len trotz oder auch wegen der Studiengebühren und der damit
Sie argumentieren, in anderen Ländern würden auch keine Studiengebühren verlangt. Das ist der falsche Ansatz, Herr Kretschmann. Sie sollten sich nicht nach den Nachteilen und Versäumnissen der anderen strecken.
Wenn Sie sich an anderen Ländern orientieren, wird BadenWürttemberg beim Länderfinanzausgleich wohl bald zu den Nehmer- und nicht mehr zu den Geberländern gehören.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zurufe der Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE und Dr. Frank Mentrup SPD – Zuruf: Das wollten Sie doch immer!)
Meine Damen und Herren, die Freiheit und die Wahlfreiheit unserer Bürgerinnen und Bürger sind für die CDU-Fraktion ein hohes und schützenswertes Gut. Eine Zwangsbeglückung, wie Sie sie vorhaben, lehnen wir deshalb strikt ab.
Wir wollen, dass konkurrierende Ideen zu verschiedenen An geboten führen, aus welchen jeder auch subjektiv das für ihn beste wählen kann. Für uns zählt Vielfalt statt Einfalt, Chan cenreichtum statt Gleichmacherei.
Denn der Mensch steht im Mittelpunkt unseres Handelns, und nicht eine Ideologie, die allen anderen übergestülpt werden soll.
So fordern wir im Bildungswesen, wo Sie einen Weg für alle einführen möchten, den passgenauen Weg für jeden Einzel nen.