Protokoll der Sitzung vom 26.05.2011

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Stimmt!)

Deshalb heißen viele berufliche Schulen Steinbeisschulen.

Es ist wichtig, dass wir uns darauf besinnen. Denn wenn wir jetzt die Frage stellen: „Wie geht es im zweiten Jahrzehnt die ses neuen Jahrhunderts weiter?“ und schauen, was die heuti ge Stärke Baden-Württembergs ausmacht, sehen wir: Das ist nach wie vor die industrielle Produktion, ergänzt durch Dienstleistungen für die industrielle Produktion. Wenn weite re Beschäftigungspotenziale hinzukommen, beispielsweise im Bereich der Pflege, so muss der Gegenwert der entsprechen den Kosten erst erwirtschaftet werden, um in der Pflege Ar beit bezahlen zu können. Also: Die industrielle Produktion, das Thema „Ideen und technologische Revolutionen“ sowie das Thema „Arbeitskräfte und Fachkräfte“ sind das Wichtige.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: In beidem stehen wir exzellent da!)

Jetzt frage ich Sie: Wie steht das Land Baden-Württemberg am Beginn dieses zweiten Jahrzehnts des neuen Jahrhunderts beim Thema Fachkräfte da?

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Sehr gut! Exzellent! – Zuruf von der CDU: Es kann nur schlechter werden! – Gegenruf des Abg. Andreas Stoch SPD: Da habt ihr etwas verpasst!)

Wir haben damit zu rechnen, dass wir am Ende der ersten fünf Jahre, also bis 2016 – von 2011 aus gerechnet –, etwa 120 000 Schüler weniger haben werden. Das heißt, ein Zehntel der Schüler fallen weg. Das bedeutet, ein Zehntel neuer junger Fachkräfte wird schon in der ersten Hälfte dieses Jahrzehnts fehlen. Umso wichtiger wäre es doch, diejenigen, die die Schulen verlassen, so fit zu machen, dass sie wirklich quali fizierte Fachkräfte werden können.

(Abg. Volker Schebesta CDU: So ist es!)

Jetzt sagen Sie: „So ist es.“ – Ich will jetzt nicht mit PISA kommen – auch ich kann das langsam nicht mehr hören –,

(Vereinzelt Heiterkeit)

sondern ich lese Ihnen einmal etwas anderes vor:

Rund 40 % aller Neuzugänge in das Ausbildungsgesche hen münden – in der Regel nach erfolglosen Bewerbun gen um einen Ausbildungsplatz – in Bildungsgänge des sogenannten Übergangssystems ein, die zu keinen beruf lichen Abschlüssen führen.

Erste Frage: Von welchem Land ist die Rede?

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Berlin! Sagt Berlin! – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Es ist Baden-Württemberg.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es!)

Es geht wie folgt wörtlich weiter im Text:

Diese Quote liegt über dem Durchschnitt fast aller Bun desländer.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: So! – Abg. Volker Schebesta CDU: Weil wir so viele berufliche Schu len haben! – Gegenruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD: Falsch! – Gegenruf des Abg. Volker Schebesta CDU: Natürlich! Das ist so! – Abg. Wolfgang Drex ler SPD: Peinlich!)

Jetzt sagen Sie: Das sind berufliche Schulen, und die Schüler erhalten da alle eine berufliche Bildung.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es! Ja!)

Jetzt geht es im Text wie folgt weiter: Aus diesen 40 % bildet sich – wörtlich –

der Kern einer Risikogruppe ohne abgeschlossene Be rufsausbildung,

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das sind eben nicht die!)

zu der nach den Befunden des Mikrozensus fast ein Fünf tel jedes Altersjahrgangs zu rechnen ist.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD zur CDU: Das sind nicht die, die ihr meint!)

Fast ein Fünftel! Wer hat das festgestellt? Es war der Exper tenrat „Herkunft und Bildungserfolg“. Wer hat das verkündet? Es war die alte Landesregierung nach der Landtagswahl,

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Frau Schick!)

sozusagen als Abschlussbilanz einer 57 Jahre währenden Ver antwortung für die Bildungspolitik in Baden-Württemberg.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Wolf gang Drexler SPD: Gescheitert! – Zuruf des Abg. Volker Schebesta CDU)

20 %! Das sind zwei von zehn.

Wenn Sie, Herr Kollege Hauk, von Wachstum und Wohlstand reden, dann ist im Hinblick auf die Gründerzeit, im Hinblick auf die Aufbruchzeit, die wir jetzt haben, eines von elemen tarer Bedeutung, nämlich dass wir alle Potenziale ausschöp fen.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Genau! Deshalb ha ben wir eine so geringe Jugendarbeitslosigkeit in Ba den-Württemberg!)

Doch Ihre Abschlussbilanz heißt: Zwei von zehn jungen Men schen in Baden-Württemberg wurden von Ihnen ohne beruf liche Ausbildung ins Berufsleben geschickt.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Widerspruch bei der CDU – Abg. Volker Schebesta CDU: Von de nen sind so viele in Arbeit wie nirgendwo anders! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Haben die jetzt Ar beit, oder haben sie keine? Selbstverständlich haben sie Arbeit! – Gegenruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD: Nein! Angelernte!)

Deshalb sind alle Maßnahmen richtig, die der Herr Minister präsident gestern angekündigt hat, um im vorschulischen Be reich aufzurüsten und in den Schulen Veränderungen herbei zuführen, um dieses schlechte Ergebnis – es ist schlechter als in fast allen anderen Bundesländern – zu verbessern.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Klar!)

Wir werden die Kultusministerin Gabriele Waschinski-Leit heußer – –

(Heiterkeit bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Jetzt bitte noch einmal in Zeitlupe! – Abg. Volker Schebesta CDU: Wir passen gut auf!)

Wir machen das jetzt so: Es gab schon einmal einen Kultus minister, der einen ähnlich komplizierten Namen hatte. Wir nennen sie jetzt GWL.

Wir werden die Kultusministerin bei allen Anstrengungen, die notwendig sind, unterstützen. Wir werden uns da nicht von Ihnen irritieren lassen.

Wenn Sie sich über Schlagzeilen wie „Abschied vom drei gliedrigen Schulsystem“ aufregen und hier dicke Backen ma chen,

(Zuruf von der SPD zur CDU: So ein Quatsch!)

dann würde ich Ihnen raten: Beschäftigen Sie sich einmal mit sich selbst. In der Zeitung „Die Welt“ vom vergangenen Mon tag heißt es in einer Artikelüberschrift: „Abschied vom drei gliedrigen Schulsystem“ und darunter: „Jetzt will auch die CDU Haupt- und Realschulen vereinen“.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Dr. Diet rich Birk CDU: Wir nicht! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wir wollen die Hauptschule stärken!)

Da ist man doch überrascht und fragt sich, wer das denn ist. Es ist ein Ausschuss, den die Bundes-CDU eingesetzt hat. Wer sitzt diesem Ausschuss vor? Unsere alte Freundin Schavan.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Nein! Das Letzte! – Zurufe von der CDU, u. a. Abg. Dr. Dietrich Birk: Wie war das gerade mit dem Heiratsmarkt? Der kommt gefährlich nahe! – Heiterkeit bei der CDU)

Da würde ich sagen: Jetzt sollten Sie erst einmal parteiintern in die Diskussion gehen und klärende Gespräche führen.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Dringender Klä rungsbedarf!)

Dann wird sich das alles relativieren. Dann kommen wir viel leicht auch in eine Phase – die wir uns auch wünschen –, bei der wir hier einen konstruktiven Dialog führen und wirklich darüber diskutieren, wie wir die Bildungserfolge in BadenWürttemberg voranbringen, und keine Gespensterdiskussion mehr führen. Der Wahlkampf ist vorbei, Herr Kollege Hauk.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)