Protokoll der Sitzung vom 26.05.2011

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Dann haben Sie gesagt – das hat uns nun doch überrascht –, Sie seien für den schnellstmöglichen Ausstieg aus der Atom kraft. Da ist man natürlich erst einmal verwundert und hört genauer hin. Dann hat sich diese Aussage wieder relativiert. Die Frage ist, was „schnellstmöglich“ bedeutet.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Genau! Darum geht es!)

Bedeutet schnellstmöglich das Festsetzen einer konkreten Jah reszahl, oder bedeutet schnellstmöglich – wie es der CDUWirtschaftsrat verkündet hat – die Festlegung auf den Zeit punkt, zu dem Alternativen vollständig zur Verfügung stehen? Das würde bedeuten, abzuwarten, bis Alternativen zur Verfü gung stehen, und erst dann über einen Ausstieg reden zu wol len.

Sie müssen sich entscheiden, wofür Sie sind. Der Umweltmi nister hat angekündigt, er peile das Jahr 2020 für das endgül tige Abschalten der Atomkraftwerke in Baden-Württemberg an. Ich teile für die SPD-Fraktion mit: Er hat unsere Unter stützung.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Die der Grünen hat er natürlich auch. Er hat die Unterstützung der Koalition.

Ich sage Ihnen auch, warum: Wenn der Ausstieg aus der Atom kraft davon abhängig gemacht würde – wie es z. B. der frü here Ministerpräsident und jetzige EU-Kommissar tut –, dass zuerst die Nordsee mit Windrädern vollgepflanzt sein muss, danach die Trassen gelegt sein müssen und im Süden und viel leicht in der Sahara große Fotovoltaikanlagen oder Sonnen kraftwerke aufgebaut werden, wenn also gesagt würde, erst wenn all dies stehe, könne auf die Atomkraftwerke verzichtet werden, dann wäre das eine ganz gefährliche Diskussion. Denn im Kern bedeutet das:

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Atomstrom importie ren!)

Die Wende in der Energiewirtschaft findet nicht bei uns, son dern sie findet im Norden, auf hoher See, und im Süden Eu ropas statt,

(Abg. Peter Hauk CDU: Oder bei den Pumpspei chern, zu denen Sie nichts sagen!)

und wir, die wir zwischendrin liegen, gehen leer aus. Das Ziel unserer Energiewende ist jedoch, Wachstum und Wertschöp fung hier im Land zu halten und die Potenziale, die hier vor handen sind, auszuschöpfen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Peter Hauk CDU: In Ordnung, das ist richtig! Kein Wider spruch!)

Worum geht es dabei? Wenn wir uns darin einig sind, dass Ne ckarwestheim I und Philippsburg 1 nicht mehr ans Netz ge hen, dann reden wir von 25 % der baden-württembergischen Stromproduktion durch die zwei verbleibenden Kernkraftwer ke, die bis 2020 ersetzt werden müssen.

Ich lasse nun einmal Einsparpotenziale, die es durchaus gibt, beiseite und sage: Diese 25 % des Stroms durch erneuerbare Energien in Baden-Württemberg zu erzeugen ist möglich. Das werden wir realisieren.

(Abg. Peter Hauk CDU: Sie müssen von 50 % aus gehen! – Abg. Dieter Hillebrand CDU: Viel Vergnü gen!)

Allein 10 % des Stroms werden künftig durch Windkraft er zeugt. Dazu kommt natürlich noch die Stromerzeugung durch Fotovoltaik. Sie sind ja ein ganz großer Verfechter aller rege nerativen Energien geworden. Tolle Sache! Dann lassen Sie uns dabei gemeinsam vorgehen. Wir werden vorschlagen, dass die Kommunen, die Klimaschutzziele haben, die energiewirt schaftliche Konzepte haben – mit dem Ziel, den Ausbau der regenerativen Energien vor Ort möglichst voranzutreiben, Ein sparpotenziale zu realisieren, die Kraft-Wärme-Kopplung vo ranzubringen –, bei der Zuteilung von Städtebaufördermitteln belohnt werden.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Was?)

Das ist ein ganz konkreter Vorschlag.

(Abg. Peter Hauk CDU: In Ordnung!)

Sie wollten es doch konkret. Wir wissen, dass wir bei die sem Geschäft die Kommunen als Partner brauchen. Es wä re ein tolles Signal, wenn auch CDU und FDP/DVP mitma chen würden und sagten: Okay, lasst uns diesen Anreiz set zen, damit es wirklich einen Aufbruch vor Ort, in den Kom munen gibt; mit Mitteln der Städtebauförderung wird dort überdurchschnittlich unterstützt, wo Klimaschutzziele rea lisiert werden.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Peter Hauk CDU: Das ist das erste Mal, dass wir überhaupt einen Vorschlag hören! Großes Lob, Herr Schmiedel! – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Das steht bislang nir gendwo drin! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das kam in der Regierungserklärung nicht vor!)

Momentan haben wir im Durchschnitt Ausgaben für Ener gie in Höhe von etwa 3 000 € jährlich pro Kopf; da sind na türlich Wirtschaft, öffentliche Hand, Verkehr mit eingerech net. Das ist ein ganz großer Wirtschaftsfaktor. Wenn es uns gelingt, bis zum Jahr 2020 20 % davon einzusparen, nicht mehr für Energie ausgeben zu müssen, dann ist das ein gro ßes Potenzial, das der öffentlichen Hand für Kultur, für In vestitionen, für Bildung zur Verfügung steht und das auch dem Konsum zugutekommen kann. Das lohnt die Anstren gung. Wenn es zusätzlich gelingt, bis dahin 20 % der gesam ten Energie regenerativ vor Ort zu erzeugen, dann nützt das dem Handwerk, den Ingenieuren, den Stadtwerken. Dann bleibt die Wertschöpfung vor Ort, dann haben junge Men schen eine Perspektive.

Wenn wir uns über diese Zielsetzung einig sind, dann wäre das ein Riesenfortschritt gegenüber der letzten Wahlperiode. Dann schauen wir auch nicht mehr zurück, sondern dann schauen wir gemeinsam nach vorn.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Dann haben Sie gesagt – man besetzt ja immer irgendwelche Begriffe und meint, sie seien gut –, Sie hätten uns ein bestell tes Haus überlassen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Ein gut bestelltes!)

Ein gut bestelltes Haus. –

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Darum beneiden Sie alle! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Eine Liebesgabe sozusagen!)

Dann haben Sie darauf hingewiesen, wie gut Sie finanziell ge wirtschaftet hätten, und darauf verwiesen, dass Sie ja bereits in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen gehabt hät ten, im Jahr 2014 die Nettonull zu erreichen, also einen aus geglichenen Haushalt zu erreichen,

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Genau!)

während wir nur angekündigt hätten – Stichwort Schulden bremse –, dies im Laufe dieses Jahrzehnts zu realisieren.

(Zuruf des Abg. Peter Hauk CDU)

Jetzt ist aber die Ankündigung nur das eine; deshalb prüfen wir das immer nach. Deshalb habe ich einmal den mittelfris tigen Finanzplan des Landes Baden-Württemberg für die Jah re 2010 bis 2014 mitgebracht. Schauen wir hinein. Nettokre ditaufnahme/Tilgung: Im Jahr 2014 null. Aha.

Gehen wir weiter hinunter zur Ziffer 2.4. Dort steht: Bei der Planaufstellung noch zu schließende Deckungslücke: 2,986 Milliarden €.

(Zuruf von der SPD: 3 Milliarden €!)

Das ist ein Kunststück.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Sie schreiben oben hinein: Nettonull. Und unten schreiben Sie hinein: 3 Milliarden € fehlen. Das ist der dickste Hund.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Dr. Diet rich Birk CDU: Aber Sie schließen doch nicht! Herr Kollege, Sie wollen die Deckungslücke sogar verlän gern bis über das Jahr 2014 hinaus! – Gegenrufe von der SPD: Nein!)

Nein. Ich sage Ihnen, was wir bis 2014 machen: Wir schrei ben möglicherweise – da müssen wir die Haushaltsentwick lung abwarten – dort oben hinein: Nettokreditaufnahme 1,5 Milliarden €, aber dafür schreiben wir unten hinein: null.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und den Grünen – Lachen des Abg. Winfried Mack CDU)

Dann ist die Geschichte halbiert.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Ihr müsst doch zugeben: So richtig seriös ist die Nummer nicht.

(Widerspruch des Abg. Winfried Mack CDU)

Sie schreiben hinein: Nettonull. Und unten schreiben Sie hi nein: 3 Milliarden € fehlen noch.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Aber die Lücke schlie ßen wir noch über zusätzliche Steuereinnahmen! – Unruhe bei der SPD)

(Unruhe bei der SPD – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Natürlich! Sie sind doch jetzt da! Ihr verschuldet euch jetzt zusätzlich!)

Herr Kollege Birk, ganz ruhig! Ich komme jetzt zu den zu sätzlichen Steuereinnahmen.