Protokoll der Sitzung vom 26.05.2011

Herr Kollege Birk, ganz ruhig! Ich komme jetzt zu den zu sätzlichen Steuereinnahmen.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Sie können halt nicht rechnen! – Heiterkeit)

Okay. Das zu beurteilen überlasse ich jetzt einmal den Zu hörern.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Sie machen Kosme tik!)

Jetzt kommen wir zu den Steuermehreinnahmen. Ihr Argu ment lautet: In diesem Jahr haben wir aber noch so viele Steu ermehreinnahmen, dass man die Verschuldung, die in Höhe von rund 800 Millionen € im Haushalt vorgesehen ist, auf null bringen kann. Das ist Ihr Argument. Deshalb könnte schon jetzt die Nettonull erreicht werden.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Richtig! Genau! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es! Sie haben es be griffen!)

Schauen wir auch da einmal genauer hin. Wie kommen denn diese 800 Millionen € zustande? Sie kommen u. a. deshalb zu stande, weil Sie beschlossen haben, Einnahmen, die erst im Jahr 2012 anfallen, z. B. bei Garantiegebühren aus der Risi koabschirmung der LBBW, im Jahr 2011 einzubuchen.

(Abg. Ingo Rust SPD: Richtig! Genau! So ist es! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Die sind doch noch gar nicht da! Ihr trickst!)

Das kommt erst im Jahr 2012, wird aber bei 2011 eingebucht. Sie haben z. B. verlangt und durchgesetzt, dass man aus dem Grundkapital der Landesförderbank 130 Millionen € in den Landeshaushalt überweisen lässt. Was ist denn das für ein Spa ren? Sie erschweren es der Landesförderbank – weil ihr Grund kapital eingeschränkt ist –, Gewinne zu machen, weil Sie den Haushalt schönen. Was Sie uns hier präsentiert haben – – Das Schöne ist: Wir haben jetzt eine Taskforce „Schwindelopera tionen“ eingerichtet.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das wird aber gefährlich für euch selbst!)

Sie glauben nicht, aus wie vielen Referaten etwas dazu gelie fert wird.

(Heiterkeit bei der SPD und den Grünen)

Deshalb kommt – richtig angekündigt – der Kassensturz, bei dem alles auf den Tisch muss. Denn wir werden diese Trick sereien beenden und sagen: Das, was im Jahr 2012 eingeht, wird auch erst im Jahr 2012 gebucht. Dann sind da schon ein mal 90 Millionen € weg. Die L-Bank bekommt ihr Kapital zu rück, damit sie anständig wirtschaften kann. Dann sind 130 Millionen € weg. Nach dem Kassensturz wird man sehen, was dann noch für die Konsolidierung übrig bleibt.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Da sind wir gespannt!)

Damit komme ich zu einem weiteren Punkt. Eine Zeitung hat es kürzlich mit „Löcher im Haushalt – Löcher in den Straßen“ betitelt.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Genau!)

In dieser Betrachtung hat sie völlig recht. Denn das eine, das Sie uns hinterlassen, sind die monetären Schulden, Geldschul den. Das andere, das Sie uns hinterlassen, sind unterlassene Erhaltungsinvestitionen, ist Vermögensverzehr in einem ganz erheblichen Umfang.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Das sind wieder nicht wir, die das ausgerechnet haben. Der Rechnungshof hat ausgerechnet:

(Abg. Peter Hauk CDU: Wenn Sie alles schon wis sen, warum brauchen Sie dann einen Kassensturz? – Gegenruf des Abg. Alfred Winkler SPD)

Allein an den Universitäten des Landes fehlen 3 Milliarden €, müssen 3 Milliarden € investiert werden.

(Abg. Peter Hauk CDU: Sie wissen anscheinend schon alles!)

Sie wissen doch: Wenn Sie Universitäten besuchen, dann fah ren Sie nicht nur auf Straßen dorthin, in denen Löcher sind, sondern Sie gehen dort in Gebäude hinein, deren Dächer Lö cher haben.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Wertvolle Geräte werden im Haus noch einmal „eingehaust“, weil von oben ein Bach kommt, wenn es regnet.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Badewannen werden aufgestellt! – Gegenrufe der Abg. Dr. Dietrich Birk und Helmut Walter Rüeck CDU)

Das heißt, wir können das gar nicht länger vor uns herschie ben; wir müssen es tun. Deshalb müssen wir natürlich einen Plan haben, wie wir im Laufe der Zeit das in Ordnung brin gen,

(Abg. Peter Hauk CDU: Dann bin ich einmal ge spannt! – Zuruf des Abg. Dr. Dietrich Birk CDU)

was Sie uns hier an Erblast hinterlassen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Eine Erblast, die Sie uns ebenfalls hinterlassen, sind übrigens – wenn wir schon bei den Hochschulen sind – hohe Abbre cherquoten. Mich würde wirklich einmal interessieren, war

um das die alte Regierung nicht interessiert hat. Das eine The ma sind die hohen Abbrecherquoten bei angehenden Ingeni euren. Das zweite Thema ist der Fachkräftemangel. Fachar beiter sind das eine, Ingenieure das andere.

(Abg. Winfried Mack CDU: Das wird jetzt ohne Stu diengebühr besser?)

Wir haben Studiengänge, die sich am Studienbeginn aufblä hen, weil nach der Zahl der Erstzulassungen bezahlt wird und entsprechend ausgestattet wird. Die Studiengänge blähen sich mit 900 zugelassenen Erstsemestern auf. Wenn man jedoch nach dem vierten Semester nachzählt, sieht man, dass dort noch 70 Studierende sind. Alle anderen wurden zwischenzeit lich herausgeprüft.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das muss man sich vorstellen! Unglaublich!)

Das ist eine Vergeudung von Ressourcen. Bevor Sie sich über das Thema Studiengebühren aufregen, bevor Sie über deren Abschaffung schimpfen, müssten Sie sich über das aufregen, was Sie uns hinterlassen. Ich bin der Wissenschaftsministerin Bauer sehr dankbar dafür, dass das eines der ersten Themen war, die sie angesprochen hat, und dass sie mit den Hochschu len, den Universitäten ins Gespräch geht, um Anreize zu set zen, dass dieser Missstand beendet wird. Es wird geaast mit der Lebenszeit der jungen Leute, und es ist eine Ressourcen verschwendung ohne Ende.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Da sind wir bei einem Thema, das man nicht so einfach ver ordnen kann. Das wollen wir auch nicht. Wir achten die Au tonomie der Hochschulen. Aber man muss in Gespräche ein treten. Man muss dann Zielvereinbarungen treffen und darü ber reden, mit welchen Anreizsystemen diese Zielvereinba rungen erreicht werden sollen. Das ist einerseits die Politik des Gehörtwerdens, und andererseits geht es auch darum, die Möglichkeit zu schaffen, vereinbarte Ziele dezentral zu errei chen.

Sie haben auf die Bedeutung des Mittelstands bei uns hinge wiesen. Weshalb sind denn kleine und mittlere Unternehmen bei uns so erfolgreich? Weil sie im Gegensatz zu großen Kon zernen in der Lage sind, sich schnell und spezifisch auf die Rahmenbedingungen einzustellen, die sich ja auch verändern. Große Konzerne, große Einheiten sind wie schwere Tanker; sie können nur in großen Formaten denken. Es ist überall mehr oder weniger dasselbe, egal, ob das Schulen, Polizeidirektio nen oder untere Verwaltungsbehörden sind: Wenn man sie zentral steuert, geht es immer in dieselbe Richtung. Das sind alles die gleichen Vorgaben.

Deshalb werden wir mit dem Denken brechen, dass das Land Baden-Württemberg von oben nach unten immer einheitlich durchregiert wird. Wir wollen die Partnerschaft mit den Be teiligten vor Ort. Wir wollen Dialog, dezentrale Steuerung. Das schafft die Ressourcen, die wir brauchen, um in BadenWürttemberg voranzukommen, Motivation zu schaffen, aber auch spezifische Lösungen vor Ort treffen zu können. Das wird eine herausragende Politik des Verwaltungshandelns in Baden-Württemberg werden.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Da geht es natürlich darum, auch dem gerecht zu werden, was Sie gesagt haben: Städte sind das eine, der ländliche Raum ist das andere. Man muss nur aufpassen, dass man nicht Gefahr läuft, zu sagen: Außerhalb der Stadt Stuttgart ist alles ländli cher Raum.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Eine Stadt wie Biberach oder Schwäbisch Hall

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Esslingen!)

wird sich nicht unbedingt als „Dorf“ apostrophieren lassen.

(Beifall des Abg. Nikolaos Sakellariou SPD – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Esslingen auch nicht! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Mannheim auch nicht!)

Esslingen auch nicht.

Aber wenn Sie schon darauf hinweisen, dass Mobilität gera de für den ländlichen Raum ein wichtiger Faktor sei, und in diesem Zusammenhang Schwäbisch Hall erwähnen, dann empfehle ich Ihnen, morgens einmal mit dem Kollegen Sa kellariou in den Bahnhof Hessental zu gehen, in diesem her untergekommenen Bahnhof auf einen Ratterzug zu warten,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Elf Jahre Tiefensee & Co.! Eigentum des Bundes!)

in dem man im Sommer schwitzt und im Winter friert.