Protokoll der Sitzung vom 14.11.2012

Meine Damen und Herren, auch im Bereich der Strafen gilt das Feuerwehrmotto: Ein Brand lässt sich leichter verhindern als löschen. Daher muss unser Augenmerk weiterhin darauf liegen, mit Mitteln der Sozial- und Bildungspolitik Straftaten gar nicht erst geschehen zu lassen und Häftlinge von Wieder holungstaten abzubringen. Daran müssen und werden wir auch weiter arbeiten. Aber für besonders extreme Einzelfälle brauchen wir eben auch die Sicherungsunterbringung. Meine Fraktion wird dem Entwurf daher zustimmen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Erfreulich ist es, dass uns nun ein Gesetzentwurf vor liegt, der die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts kon sequent und mit Augenmaß umsetzt und dabei den Sicher heitsinteressen der Gesellschaft angemessen Rechnung trägt.

Ich bin Herrn Minister Stickelberger dankbar – wie bereits am 11. Oktober von mir erwähnt –, dass Baden-Württemberg bei diesem sehr sensiblen Thema keinen Alleingang macht, son dern sich im Rahmen einer Länderarbeitsgruppe mit den an deren Bundesländern auf konstruktiver und fachlicher Ebene auf Musterregelungen verständigt hat. So ist bundesweit ein weitgehend einheitlicher Vollzugsstandard gewährleistet.

Erstaunlich und zugleich erfreulich ist dabei, dass die von der Länderarbeitsgruppe erarbeiteten Musterregelungen – trotz der politischen Bandbreite in den einzelnen Ländern – weit gehend im Konsens, Herr Kollege Zimmermann, beschlossen wurden. Dies ist sicher ein Beleg dafür, dass man an dieses Thema sehr sachlich und überlegt herangegangen ist. Zu kon statieren ist aber auch, dass die sehr detaillierten Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts dem Gesetzgeber in Bund und Ländern nur wenig Gestaltungsspielraum lassen.

Wir sind der Auffassung, dass der vorliegende Gesetzentwurf die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts sehr gut umsetzt. Das liegt sicher auch daran, dass viele Vorschläge und Anre gungen aus der Praxis aufgegriffen wurden.

Der Gesetzentwurf wirkt insgesamt durchdacht und ausgewo gen. Umgesetzt wird insbesondere die konsequente Therapie ausgestaltung mit der Verpflichtung, den Sicherungsverwahr ten entsprechende Behandlungsangebote zu machen und sie zu motivieren.

Wichtig ist dabei, dass stets die Sicherheitsbelange der Ge sellschaft nicht außer Acht gelassen werden. Denn letztlich soll der Vollzug der Sicherungsverwahrung nach wie vor vor rangig dem Schutz der Bevölkerung dienen. Dieser Schutz darf sich aber nicht in einem bloßen Verwahrvollzug erschöp fen. Vielmehr ist den Sicherungsverwahrten schon aus verfas sungsrechtlichen Gründen durch entsprechende Behandlungs angebote und Resozialisierungsmaßnahmen das nötige Rüst zeug für ein straffreies Leben in Freiheit mitzugeben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, bei diesem so komplexen und derart grundrechtssensiblen Thema führt der Gesetzentwurf der Landesregierung die be rechtigten Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit auf der ei nen Seite und die verfassungsrechtlichen Vorgaben auf der an deren Seite in überzeugender und ausgleichender Weise zu sammen. Daher bitte ich Sie um breite Unterstützung für den Entwurf des Gesetzes zur Schaffung einer grundgesetzkon formen Rechtsgrundlage für den Vollzug der Sicherungsver wahrung in Baden-Württemberg.

Ich danke Ihnen.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen! Sowohl bei der Ersten Beratung dieses Geset zes als auch im Ständigen Ausschuss hat mein Kollege Pro fessor Goll fachkompetent als ehemaliger Justizminister Stel lung bezogen. Die Aussagen stimmen heute genauso.

Ich habe den Ausführungen des Kollegen Professor Goll bei der Plenardebatte am Mittwoch, 24. Oktober, nichts hinzuzu fügen, sondern weise nochmals darauf hin, dass es sich ers tens um etwa 70 Menschen in Baden-Württemberg handelt und dass zweitens die Standards in Deutschland und in Ba den-Württemberg im Strafrecht, im Strafprozessrecht und im Strafvollzugsrecht vorbildlich in Europa sind. Ich wünsche mir, dass in ganz Europa, auch in der Türkei, im Strafrecht, Strafvollzugs- und Strafprozessrecht ein solcher Standard praktiziert würde.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir werden, auch wenn das Urteil des Bundesverfassungsgerichts mehr als hinterfragt werden darf, dem Gesetz zustimmen.

Frau Präsidentin, mei ne Damen und Herren! Am 24. Oktober 2012 durfte ich in ers ter Lesung das Gesetz zur Schaffung einer grundgesetzkon formen Rechtsgrundlage für den Vollzug der Sicherungsver wahrung in Baden-Württemberg in den Landtag einbringen. Gestatten Sie mir, nochmals kurz an die Hintergründe für die ses Gesetzgebungsverfahren zu erinnern:

Mit Urteil vom 4. Mai 2011 hat das Bundesverfassungsgericht sämtliche gesetzliche Regelungen der Sicherungsverwahrung für verfassungswidrig erklärt. Zugleich hat es den Bund und

die Länder verpflichtet, bis spätestens 31. Mai 2013 ein frei heitsorientiertes und therapiegerichtetes Gesamtkonzept der Sicherungsverwahrung zu entwickeln.

Der Bund hat neben den materiell-rechtlichen Regelungen auch die wesentlichen Leitlinien für den Vollzug vorzugeben. Die Länder sind dazu aufgerufen, für den Vollzug der Siche rungsverwahrung eigenständige Rechtsgrundlagen zu erlas sen, die insbesondere das Abstandsgebot zu berücksichtigen und eine intensive Behandlung und Betreuung der Unterge brachten zu gewährleisten haben.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf setzen wir die konkre ten Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts konsequent um und bringen die Interessen der Untergebrachten einerseits und die Belange der Gesellschaft andererseits angemessen mitei nander in Einklang.

Oberstes Ziel unseres Gesetzentwurfs ist und bleibt der Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Straftätern. Schon aus ver fassungsrechtlichen Gründen darf sich die Sicherungsverwah rung aber nicht in einem bloßen Verwahrvollzug erschöpfen.

Der Gesetzentwurf verdeutlicht daher, dass der Vollzug der Sicherungsverwahrung primär auf die Minderung der Gefähr lichkeit der Untergebrachten hinwirken muss. Dies können wir nur durch einen intensiven Behandlungsvollzug auf ho hem fachlichen Niveau erreichen. Durch intensive und indi viduelle Therapie soll den Betroffenen eine realistische Ent lassungsperspektive eröffnet werden, soweit es irgend mög lich ist.

Der Gesetzentwurf ist sowohl im Rahmen des durchgeführ ten Anhörungsverfahrens als auch hier im Plenum und in der Beratung im Ständigen Ausschuss auf breite Unterstützung gestoßen. Für diese Unterstützung möchte ich mich an dieser Stelle herzlich bedanken, ebenso für die konstruktive Kritik.

Angesichts dieser breiten Unterstützung möchte ich inhaltlich an dieser Stelle nur noch auf ein Thema eingehen:

Der Gesetzentwurf normiert keine Arbeitspflicht für die in der Sicherungsverwahrung Untergebrachten. Da sinnvolle Arbeit auch einen resozialisierungsfördernden Wert hat, habe ich für die diesbezüglich geäußerte Kritik durchaus Verständnis. Al lerdings wäre die Normierung einer Arbeitspflicht für die in der Sicherungsverwahrung Untergebrachten mit dem Grund gesetz nicht vereinbar.

Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 4. Mai 2011 die Arbeitspflicht nicht ausdrücklich als grund gesetzwidrig bezeichnet. Dies ergibt sich aber mittelbar aus den Ausführungen zum Sinn und Zweck der Sicherungsver wahrung und zum Abstandsgebot.

Die Arbeitspflicht für Strafgefangene, an der wir auch weiter hin festhalten wollen, ist nach allgemeiner Ansicht deshalb zulässig, weil sie Teil des Schuldausgleichs und damit Teil des Strafübels ist.

Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch in seinem Urteil vom 4. Mai 2011 deutlich gemacht, dass der Vollzug der Si cherungsverwahrung dem Umstand Rechnung zu tragen hat, dass in der Sicherungsverwahrung Untergebrachte keine Stra

fe mehr verbüßen. Aus diesem Grund muss sich der Vollzug der Sicherungsverwahrung vom Vollzug der Strafhaft deut lich unterscheiden. Da der Vollzug der Sicherungsverwahrung nicht dem Schuldausgleich dient, fehlt somit der Anknüp fungspunkt für eine Arbeitspflicht.

Das Bundesverfassungsgericht hat gefordert, dass sich der Vollzug der Sicherungsverwahrung deutlich vom Strafvollzug unterscheiden muss. Dies erklärt sich aus dem Umstand, dass die in der Sicherungsverwahrung Untergebrachten ihre Stra fe bereits verbüßt haben. Allein die fortbestehende Gefähr lichkeit rechtfertigt den Freiheitsentzug. Schon aus verfas sungsrechtlichen Gründen dürfen die Untergebrachten daher nur solchen Einschränkungen unterworfen werden, die aus Si cherheitsgründen erforderlich sind.

Aus diesem Grund hat sich auch die Länderarbeitsgruppe – und zwar einstimmig – dafür entschieden, die in der Siche rungsverwahrung Untergebrachten zukünftig nicht mehr zur Arbeit zu verpflichten. Hier waren sich also die Vollzugsex perten aller Bundesländer einig.

Da sinnvolle Arbeit jedoch die Behandlung und Resozialisie rung erleichtert, hat die Vollzugsanstalt nach § 42 Absatz 2 des Gesetzentwurfs den in der Sicherungsverwahrung Unter gebrachten sinnvolle Beschäftigung anzubieten. Der Wegfall der Arbeitspflicht bedeutet also gerade nicht, dass der Arbeit im Vollzug der Sicherungsverwahrung keine Bedeutung bei gemessen wird.

Auch ohne gesetzlich zur Arbeit verpflichtet zu sein, sind die in der Sicherungsverwahrung Untergebrachten dazu angehal ten, eine von der Vollzugsanstalt für sinnvoll erachtete Be schäftigung aufzunehmen. Das gilt insbesondere dann, wenn eine bestimmte Beschäftigung auch unter Behandlungsge sichtspunkten erforderlich scheint. Wenn die Untergebrach ten hier nicht mitwirken, kann dies negative Auswirkungen auf ihre Kriminalprognose und damit auf ihre Entlassungs perspektive haben. Schon aus diesem Grund werden die meis ten Untergebrachten ein Interesse an einer Beschäftigung ha ben. Hinzu kommt der finanzielle Anreiz, auf den viele Un tergebrachte nicht verzichten können oder wollen.

Meine Damen und Herren, ich bin der festen Überzeugung, dass es uns mit diesem Entwurf gelungen ist, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts konsequent und mit Augen maß umzusetzen. Insgesamt wird der Vollzug der Sicherungs verwahrung in Baden-Württemberg zukünftig auf einer recht lich wie tatsächlich verfassungskonformen Grundlage stehen. Daher bitte ich Sie auch weiterhin um eine breite Unterstüt zung.

Vielen Dank.

Meine Damen und Her ren, damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung an gelangt.

Die nächste Sitzung findet morgen, Donnerstag, 15. Novem ber 2012, um 9:30 Uhr statt. Ich danke Ihnen, wünsche Ihnen noch einen schönen Abend und schließe die Sitzung.

Schluss: 18:34 Uhr