Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Das Thema Kleinkindbetreuung ist in der Tat wichtig; das ist gar keine Frage. Aber, liebe Kollegin nen und Kollegen von der SPD,
dass es sinnvoll ist, innerhalb weniger Monate vier Aktuelle Debatten zum Thema Betreuungsgeld zu beantragen, erscheint mir, ehrlich gesagt, ein bisschen zweifelhaft.
Wir haben am 19. April dieses Jahres darüber diskutiert. Der Titel der Aktuellen Debatte damals lautete:
Heute reden wir schon wieder über dieses Thema. Ich finde, das ist eher Beweis für die mangelnde Fantasie der SPD bei politischen Themen für Aktuelle Debatten als für tatsächliches Engagement.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Erklären Sie doch das Umfallen der FDP! Das wäre doch viel interessanter! – Abg. Andreas Stoch SPD: Sie kön nen auch schweigen!)
Wenn die SPD-Ministerin für das Thema „Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren“ genauso viel Engagement auf bringen würde wie die SPD-Landtagsfraktion beim gebets mühlenartigen Beantragen von Aktuelle Debatten zu diesem Thema, dann wären wir bei diesem Thema schon weiter.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Staatssekretär Ingo Rust: Jetzt aber zur Sa che! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Jetzt zu den Umfragewerten der FDP/DVP!)
Es wurde gesagt, die Einführung des Betreuungsgelds sei ein Quantensprung, der jungen Eltern endlich wirkliche Wahlfrei heit ermögliche.
Frau Aras oder Herr Schmiedel, wie stehen Sie zu dieser Aus sage? Ich wäre an Ihrer Stelle mit einer Beurteilung etwas vor sichtig, weil diese von Hubertus Heil, dem SPD-Generalse kretär, aus dem Jahr 2008 stammt.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Hört, hört! – Zuruf von der SPD: So ist es!)
Deshalb stellt sich für mich und für die FDP/DVP-Landtags fraktion heute schon die Frage, ob die SPD in Deutschland ei gentlich unter kollektivem Gedächtnisverlust leidet.
Denn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ha ben am 26. September 2008 – damals haben Sie im Bund mit regiert – das sogenannte Kinderförderungsgesetz verabschie det. Ich zitiere aus diesem Gesetz:
Ab 2013 soll für diejenigen Eltern, die ihre Kinder von ein bis drei Jahren nicht in Einrichtungen betreuen las sen wollen oder können, eine monatliche Zahlung (zum Beispiel Betreuungsgeld) eingeführt werden.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Hört, hört! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das hat auch schon Herr Steinbrück geschrieben!)
Herr Dr. Fulst-Blei, Sie stellen sich hier hin und blasen die Backen auf, dabei hat damals die SPD mit der CDU/CSU dies im Bund beantragt.
Hört, hört! Das Betreuungsgeld ist im wahrsten Sinn des Wor tes kein liberales Kernanliegen. Wir hätten in dieser Frage si cherlich auch anders entschieden, wenn wir im Bund allein regieren würden, aber das tun wir nun einmal nicht.
Aber Pacta sunt servanda. Das gilt auch in einer Regierungs koalition. In ihrer Gegnerschaft verhielt sich die SPD in den letzten Monaten dermaßen fundamental, dass jede konstruk tive Auseinandersetzung über die Ausgestaltung des Betreu ungsgelds unmöglich war. Den Vorschlag z. B., es den Län dern zu überlassen, ob sie das Geld des Bundes als Betreu ungsgeld an die Betroffenen ausbezahlen wollen oder in den Ausbau der Kindertagesbetreuung investieren wollen, brauch ten wir gar nicht erst einzubringen, weil er spätestens im Bun desrat von Ihrer rot-grünen Mehrheit gekippt worden wäre.
(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Von dem Vorschlag habe ich nichts gehört! – Zuruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)
Für die FDP ist ein bedarfsgerechtes und flächendeckendes Angebot an U-3-Betreuungsplätzen gesellschaftspolitisch und auch wirtschaftlich unerlässlich. Es ist ja klar: Die Vereinbar keit von Familie und Beruf ist wichtig.
Ich habe das Gefühl, dass es heute wieder einmal darum geht, sich gegenseitig den Schwarzen Peter zuzuschieben, falls es im nächsten Jahr eben nicht klappt.
Aber das hat das Thema doch eigentlich nicht verdient. Wir wollten uns konstruktiv mit diesem Thema auseinanderset zen. Aber das, was Sie, Herr Dr. Fulst-Blei, heute Morgen ge macht haben, war wieder eine Schwarz-Weiß-Malerei.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Po lemik, sonst gar nichts!)
Der Ausbaustand in unserem Land ist, gemessen an den übri gen westdeutschen Flächenländern, mit etwas mehr als 20 % durchschnittlich. Für das Erreichen des 35-%-Ziels müssen noch erhebliche Anstrengungen unternommen werden. Zu be denken ist auch, dass wir in Baden-Württemberg einen sehr unterschiedlichen Ausbaustand in den Landkreisen haben.
Das spiegelt auch die unterschiedliche Bedarfssituation wi der. Während wir z. B. in den Universitätsstädten und den städtischen Zentren von einem relativ hohen Bedarf an Be treuungsplätzen auszugehen haben, ist er in manchen ländli chen Gebieten entsprechend niedriger.
Für eine echte Wahlfreiheit müssten nach Auffassung der FDP Betreuungsgutscheine eingeführt werden, die unabhängig von der Betreuungsform eingelöst werden können.