Protokoll der Sitzung vom 28.11.2012

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Meine Damen und Herren, das alles wurde im Rahmen der Flurneuordnung gemacht, mit hervorragenden Mitarbeitern, mit den Bauern, den Eigentümern und den Naturschutzver bänden. Das ging Hand in Hand; die Beispiele draußen kön nen das beweisen und tun dies auch.

Meine Damen und Herren, auch bei mir im Landkreis Schwä bisch Hall gibt es seit dem 1. Januar 1997 einen Landschafts pflegeverband, in dem alle 30 Städte und Gemeinden mit über 700 ha Biotop- und Landschaftspflegefläche aktiv sind. Herr Kollege Rösler, es ist, glaube ich, sehr wichtig, dass es nicht reicht, einfach zu sagen: Wir haben statt sechs jetzt zehn oder zwölf Partner. Im Ortenaukreis sind erst sieben Gemeinden dabei. Alle im Landkreis müssen mitmachen.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Das machen die auch!)

Da muss ich auch sagen: Es ist sicherlich richtig, dass die An liegen auch durch die personelle Ausstattung unterstützt wer den, Herr Minister. Denn da ist viel privates Engagement vor handen; da wird fachlich gut und mit Herzblut gearbeitet. Des wegen brauchen gerade die Akteure vor Ort die entsprechen de Unterstützung. Zu den Akteuren zählen der Bauernverband, die Landschafts- und Naturschutzverbände, die Umweltver bände, aber auch die Maschinenringe und alle anderen. Bei uns im Landkreis übernehmen über 400 Menschen Verantwor tung dafür, dass genau das geschieht, was wir wollen, näm lich mehr Naturschutz, und dass mehr Schutzgebiete ausge wiesen werden.

(Vereinzelt Beifall)

Meine Damen und Herren, trotzdem habe ich gelegentlich den Eindruck, dass man bei Grün-Rot die Menschen oftmals als Störfaktor sieht.

(Widerspruch des Abg. Wolfgang Raufelder GRÜ NE)

Das geht nicht. Mensch und Natur, nicht Natur statt Mensch. Es geht nur gemeinsam. Das ist genau das Thema, bei dem ich gelegentlich Zweifel habe. Denn in einem Land wie Ba den-Württemberg, wo elf Millionen Menschen auf begrenz tem Raum leben, muss es auch die Möglichkeit geben, Geld zu verdienen. Wir leben nicht auf einer Insel der Seligen, son dern wir konkurrieren mit unserem Wohlstand und unseren Produkten weltweit. Deshalb brauchen wir auch Möglichkei ten, entsprechend zu wirtschaften.

Meine Damen und Herren, zum Schluss möchte ich doch noch etwas zum Thema Nationalpark sagen, das vom Kollegen der

SPD angesprochen wurde. Eines ist klar: Man kann ein sol ches Projekt nur gemeinsam mit den Menschen vor Ort ma chen. Wenn man sie fragt, und sie wollen es nicht, dann darf man es nicht machen.

(Abg. Jürgen Filius GRÜNE: Das machen wir doch auch!)

Wenn sie einverstanden sind, dann darf man es machen.

Wir haben uns erst am vergangenen Montag erneut vor Ort kundig gemacht. Auch mit Blick auf das Gutachten muss ich sagen, Herr Minister: Es geht nicht an, dass die Kritiker bitte den Mund halten sollen und diejenigen, die dafür sind, Wer bekampagnen machen, Nebelspaziergänge mit dem Minister präsidenten unternehmen, die Entscheidungen aber wie folgt getroffen werden: Paragraf 1: Der Landtag entscheidet, statt dass vor Ort entschieden wird – basta –, und Paragraf 2: BUND und NABU ordnen dem MLR die weitere Umsetzung des Nationalparks an. In diesem Stil geht es nicht, meine Da men und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Ein biss chen realitätsnäher hätte es schon sein können!)

Wenn die Bürgerinnen und Bürger der Meinung sind: „Wir wollen das“, dann werden wir es auch unterstützen. Aber sie müssen gefragt werden und dürfen nichts übergestülpt bekom men. Das ist der Punkt.

Lassen Sie das Verfahren bitte offen. Unterlassen Sie diese Werbekampagnen, bevor das Gutachten vorliegt und man es analysieren kann.

So weit zu diesem Thema in der ersten Runde.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung spricht Herr Minister Bonde.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Landtagspräsident! „Naturschutz und Artenvielfalt in Ba den-Württemberg – Erhalten, was uns erhält!“ Ich glaube, es ist notwendig, dieses Thema auch an dieser Stelle immer wie der anzusprechen. Biologische Vielfalt ist unsere Lebensver sicherung. Ohne sie hätten wir weder fruchtbare Böden noch eine gesicherte Ernährung; wir hätten kein Gleichgewicht beim Wasserhaushalt, kein Gleichgewicht beim Klima.

Wir sind in der Frage des Erhalts der Vielfalt weltweit in ei ner dramatischen Situation. Aktuelle Schätzungen gehen da von aus, dass derzeit über 100 Arten pro Tag aussterben. Das liegt um das Hundert- bis Tausendfache über allem, was in der Geschichte der Menschheit an Artenverlust auf natürlichem Weg zu beobachten war.

Die Landesregierung und ich selbst sind davon überzeugt, dass der Erhalt der biologischen Vielfalt neben dem Wirken gegen den Klimawandel eines der ganz zentralen Überle bensthemen der Menschheit ist.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Thomas Funk SPD)

Auch wenn wir heute im Gegensatz zum Klimawandel die Auswirkungen des dramatischen Verlusts von Arten noch nicht direkt spüren, so hat der Verlust von Arten doch einen bedrohlichen Umfang angenommen. Es ist dringend an der Zeit, zu handeln.

Da sind wir an einem Punkt, bei dem es um die Frage geht: Reicht es aus, auf internationalen Konferenzen wie der UNArtenschutzkonferenz in Hyderabad, wo das Bundesumwelt ministerium, von Herrn Altmaier von der CDU geführt, in Mannschaftsstärke vertreten war, Proklamationen abzugeben, um die Schwellenländer dieser Welt mit moralischem Impe tus – zu Recht – zu ermahnen, Leistungen für den Artenschutz zu erbringen? Müssen nicht auch wir selbst dazu bereit sein? Wir in Baden-Württemberg, in der achtgrößten Volkswirt schaft Europas, sollten uns konkret fragen: Sind wir bereit, unseren Teil zu dieser Menschheitsaufgabe beizutragen? Ste hen wir als politisch handelnde Generation zu der Verantwor tung, die wir haben, meine sehr verehrten Damen und Her ren?

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Florian Wahl SPD)

Die Landesregierung hat deshalb diese Frage ins Zentrum ih rer Politik gestellt. Wir wollen alles tun, was wir können, um den Artenrückgang zu stoppen, um uns für den Erhalt der Viel falt, der Biodiversität in unserem Land einzusetzen. Wir wol len die einzigartigen Natur- und Kulturlandschaften in BadenWürttemberg schützen.

Es ist klar: Das ist eine gesellschaftliche Aufgabe, zu der der staatliche Naturschutz und der nicht staatliche Naturschutz, die Akteure aus Wirtschaft und Landwirtschaft, die Kommu nen, die Verbraucherinnen und Verbraucher, zu der wir alle unseren Beitrag leisten müssen. Dabei kommt es darauf an, dass sich hier alle gemeinsam dieser Aufgabe verschreiben.

Was haben wir in den letzten anderthalb Jahren schon errei chen können? Wir haben das Glück, dass Baden-Württemberg noch – das wackelt – eine reiche Biotopausstattung hat.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Richtig!)

Aber wir wissen alle: Die Flächen sind klein. Viele sind iso liert. Ein Austausch zwischen den Arten findet häufig nicht mehr statt. Das ist ein wichtiger Punkt, an dem wir die biolo gische Leistungsfähigkeit der Landschaft stärken müssen.

Alle sind sich einig: Wir müssen den Biotopverbund auf min destens 10 % der Landesfläche realisieren. Es geht um die Si cherung und die Entwicklung funktionsfähiger ökologischer Wechselbeziehungen in der Landschaft. Erreichen wollen wir das durch langfristige vertragliche Vereinbarungen mit den Landnutzern, durch vorgezogene Ausgleichs- und Ersatzmaß nahmen, durch die Berücksichtigung des Biotopverbunds bei allen Planungen in der Fläche – vom Straßenbau bis zur Re gionalplanung.

Das notwendige Planungsinstrument dazu – kein anderes Bun desland hat bisher ein solches – haben wir im Ministerrat im April 2012 beschlossen. Es ist, glaube ich, ein wichtiger Schritt

für den Biotopverbund. Aber das allein wird nicht ausreichen. Wir müssen auch die großflächigen Schutzräume, die Schutz gebiete in den Fokus unserer Arbeit nehmen. Sie bieten Tie ren und Pflanzenarten Heimat und Lebensraum.

Die Naturparke in Baden-Württemberg schaffen da einen Brü ckenschlag zwischen dem Schutz der Natur und umweltscho nenden Tourismusangeboten. Deshalb haben wir die Finan zierung der Naturparke gestärkt. Wir fördern Projekte, die da zu beitragen, die Vielfalt, Eigenart und Schönheit von Natur und Landschaft in den Naturparken zu erhalten und einen nachhaltigen Tourismus sowie umweltgerechte Landnutzung zu stärken. In beiden Bereichen haben wir 2012 eine Mittel erhöhung realisiert.

Das Biosphärengebiet Schwäbische Alb ist ein wichtiger Bei trag für die biologische Vielfalt in unserem Land. Biosphä rengebiete bieten mehr Arten- und Biotopvielfalt und geben damit einen wichtigen Anreiz für Touristinnen und Touristen, aber auch für eine nachhaltige Regionalentwicklung.

Das Biosphärengebiet Schwäbische Alb hat gezeigt: Ein sol ches Instrument bringt Impulse in eine Region. Die Landes regierung unterstützt die Initiative vieler Gemeinden im Süd schwarzwald, mit einem Biosphärengebiet Südschwarzwald auch hier die eigene Entwicklung voranzutreiben. Wir haben am 14. April dieses Jahres den Startschuss für ein Auswei sungsverfahren gegeben und sind in engem Dialog mit dem Regierungspräsidium, das gemeinsam mit den Gemeinden an einem Sondierungskonzept arbeitet.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

In unserem Land ist bewirtschafteter Wald das naturnächste Ökosystem, das wir haben. Aber auch hier, in unseren Wirt schaftswäldern, werden mit der Baumernte Kreisläufe der Na tur abgeschnitten und werden die Phasen des Waldes, die für die Vielfalt der Lebewesen zur Verfügung stehen, auf den wirt schaftlichen Bereich reduziert. Eine Vielzahl von Arten, die auf andere Waldlebensphasen, auf andere Zyklen angewiesen sind, kommen in unserer Landschaft kaum noch vor.

Das ist einer der zentralen Gründe, weshalb sowohl die Kern zonen von Biosphärengebieten als aber auch und gerade – da mit man hierfür einmal eine gewisse Fläche erhält – der Na tionalpark ganz zentrale Bestandteile sind, um der Frage des Artenschutzes in unserem Land ernsthaftes Gewicht zu ver leihen. Es ist kein Zufall, dass sowohl die UN-Deklarationen als auch die europäischen Chartas, als auch die Biodiversitäts strategie der Bundesregierung zur Schaffung genau dieser Art von Großschutzgebieten eindrücklich auffordern. Insofern ist das keine Frage von Prestige, sondern es ist ein ernsthafter Mangel in der Naturschutzbilanz des Landes Baden-Württem berg, dass Baden-Württemberg als einziges Flächenland in Deutschland diesen Beitrag zum Artenschutz bislang verwei gert, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen)

Deshalb ist es von landesweiter Bedeutung für uns, hier die entscheidenden Schritte zu gehen. Wir sind in intensivem Di alog mit der Region darüber, wo wir in dem Suchraum von 17 000 ha, den wir, unter der Vorgängerregierung ausgear beitet, bei Amtsantritt vorgefunden haben, eine Fläche von 10 000 ha – ein vergleichsweise kleiner Anteil des Staats

walds; es sind zehn mal zehn Kilometer – finden, auf der wir die Möglichkeit haben, diesen wichtigen Beitrag für den Ar tenschutz künftig auch bei uns realisieren zu können.

Landschaftserhaltungsverbände – das wurde angesprochen – sind ein ganz zentrales Element, um die wertvolle Arbeit von Landwirtschaft und Naturschutz und den betroffenen Gebiets körperschaften zu vernetzen. Ich habe deshalb im Juli 2011 den Landkreisen ein Angebot unterbreitet, um die Landschafts erhaltungsverbände zu stärken, sie personell besser auszustat ten und auch bei den unteren Naturschutzbehörden NaturaBeauftragte möglich zu machen. Ich freue mich, dass dieses Angebot gut angenommen wird. Es ist gelungen, die bisher existierende Zahl von sechs Landschaftserhaltungsverbänden auf zwölf zu verdoppeln.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Es geht da rum, sie mit Leben zu erfüllen!)

Ende dieses Jahres werden wir also zwölf Landschaftserhal tungsverbände haben, und zwölf weitere sind in Planung, so dass wir guter Hoffnung sind, schon im nächsten Jahr einen deutlichen Fortschritt auch in diesem Bereich erzielen zu kön nen, nämlich genau an der Schnittstelle, wo die Akteure in der Landnutzung und im Naturschutz gemeinsam produktiv für die Branche vorangehen und dabei eine wichtige Mittlerfunk tion einnehmen können.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Wichtig für den Naturschutz ist: Wir müssen an vielen Stel len auch Geld in die Hand nehmen. Ich bin froh, dass die Re gierungsfraktionen den Schwerpunkt, den die Landesregie rung hat, teilen und dass wir dadurch trotz schwieriger Spar bemühungen im Haushalt die Mittel schon in den Haushalten 2011 und 2012 um 7,3 Millionen € anheben konnten.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Mit Zustim mung aller!)