Protokoll der Sitzung vom 12.12.2012

Was kann das Innenministerium machen? Das Innenministe rium kann dafür sorgen, dass die Ehrenamtlichen im Rettungs dienst, bei der Feuerwehr und im THW wenigstens mit Fahr zeugen, mit Material arbeiten, das diesen Dienst auch attrak tiv macht, ihn reizvoll macht und auch eine gewisse Form der Wertschätzung darstellt.

Da muss man sagen: Die Beschaffung hochwertiger Fahr zeuge steht im Haushalt. Die notwendige Ausstattung ist drin. Die Finanzierung der Feuerwehrschule mit 39 Millio nen € bis zum Jahr 2017 und beim Rettungsdienst der Aus bau und die Erneuerung der Luftrettungsstandorte Karlsru he, Leonberg und Villingen-Schwenningen mit 3,2 Millio nen € sind vorgesehen.

Es wird alles fortgeführt. All das ist im Haushalt drin. Wir be raten ja den Haushalt und wollen damit auch Zeichen setzen, dass wir in diesem Bereich auch gute Dinge der Vorgängerre gierung fortführen wollen.

Nicht haushaltsrelevant, aber atmosphärisch wichtig ist, dass gleichgeschlechtliche Paare nunmehr im Standesamt heiraten können. Auch das ist Aufgabe im Bereich der Innenverwal tung gewesen, und das können wir uns auf die Fahnen schrei ben, weil es eine wichtige Veränderung war.

Aber genauso wichtig ist die stichtagslose Bleiberechtsrege lung für Flüchtlinge, weil der Wirtschaftsstandort BadenWürttemberg auch auf die Kinder und Jugendlichen angewie sen ist, die sich hier wirtschaftlich und sozial integriert haben. Wir brauchen eine vernünftige Regelung, um humanitäre Ka tastrophen zu vermeiden. Insofern ist der Appell des Kolle gen Sckerl bereits angekommen.

Zu den Änderungsanträgen: Den Antrag der Fraktion der CDU werden wir selbstredend ablehnen. Die Ermittlung der Zah len für die Polizeistrukturreform und deren Kosten wurde von Anfang an vom Rechnungshof parallel begleitet. Denn Sinn und Zweck ist es, so präzise wie möglich zu wissen, was tat sächlich an Kosten auf den Haushaltsgesetzgeber zukommt. Sie haben gesagt, Sie werden genau nachrechnen. Dazu for dere ich Sie auf, weil wir im Vorfeld dafür gesorgt haben, dass alle Zahlen vom Rechnungshof schon von Anfang an beglei tend überprüft werden konnten, da uns sehr viel daran liegt, diese Zahlen transparent zu machen.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Wann erfahren wir da einmal etwas?)

Den Änderungsantrag der Fraktion der FDP/DVP, der diesel be Zielrichtung hat, aber eine etwas sonderbare Begründung, werden wir auch ablehnen, weil wir die Polizeireform, die ei ne Strukturreform ist, nicht machen, um das eingesparte Geld wie folgt zu verwenden – jetzt lese ich das vor –:

Die frei werdenden Mittel können einen Beitrag leisten, um die Kürzungen bei den Beamten... abzumildern.

Sie wollen also quasi eingesparte Strukturkosten nehmen und sie in den konsumtiven Bereich stecken. Das werden wir nicht mitmachen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Für die FDP/DVP-Frak tion erteile ich Herrn Abg. Professor Dr. Goll das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Trotz der positiven Ansätze werden wir diesen Haushalt nicht mittragen. Wir werden ihn im Ergebnis ablehnen, und zwar aus zwei Gründen.

Der erste Grund ist natürlich die Polizeireform. Dazu werde ich noch ein paar Sätze sagen. Der zweite Grund ist, dass auch der Entwurf des Einzelplans 03 an der allgemeinen Krankheit leidet, an der der ganze Haushalt leidet, nämlich der Krank heit, dass der Haushalt ein Stück weit aus den Fugen geraten ist, und zwar dadurch, dass man an jeder Stelle ein bisschen mehr tut. Herr Kollege Hauk hat es heute Morgen als Erstes angesprochen. Dadurch, dass man überall ein bisschen drauf sattelt, ist es am Schluss kein guter Haushalt mehr. Das erfasst natürlich auch den Einzelplan des Innenministeriums.

Ich habe bei der Debatte heute Morgen darauf gehofft, dass wir von der Regierungsseite eine bestimmte Erklärung dafür erhalten. Dem Ministerpräsidenten, der immer sagt, Zahlen könne man nicht anschreien, müsste man eigentlich zurufen: „Man kann sie aber auch nicht wegdiskutieren.“ Man kann nicht wegdiskutieren, dass diese Regierung trotz Rekordein nahmen in eine Rekordverschuldung geht. Dafür haben wir keine Erklärung bekommen. Es gab die üblichen Zurufe zum Thema Schuldenberg.

Man muss schon sehr auf die Naivität der Bürgerinnen und Bürger vertrauen, wenn man meint, dass diese die ganze Zeit nicht merken, dass in den Ländern, in denen Sie die Verant wortung tragen, z. B. in Rheinland-Pfalz oder NordrheinWestfalen, viel größere Schuldenberge angehäuft worden sind. Tatsache ist, dass wir unter der vormaligen Regierung auf ei nen soliden Weg der Nullneuverschuldung zurückgekehrt sind.

(Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Wo sind Ihre Vor schläge?)

Sie hätten eigentlich die Chance, von den Schuldenbergen, die Sie kritisieren, herunterzukommen, und zwar zunächst einmal wegen der Rekordeinnahmen. Aber Sie tun es nicht. Das ist für mich ein klassisches Bespiel für die Situation, in der der jenige, der „Haltet den Dieb!“ ruft, selbst der Dieb ist.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Damit wären wir wieder bei der Polizei.

(Heiterkeit bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Ich habe vorhin gesagt: Es gibt ordentliche Ansätze. Ein sol cher ist z. B. die Fortsetzung des Einstellungskorridors. Es ist richtig, im Bereich Personal etwas zu tun. Da setzen Sie rich tige Maßnahmen fort. Das wird von uns begrüßt.

Aber ich verstehe nicht, dass Sie das Personal gleichzeitig schlecht behandeln. Da sind Sie auch wieder bei dem Punkt: Es ist wichtig, das richtige Personal zu haben. Man muss es aber auch richtig behandeln. Eine Vielzahl des Landesperso nals ist in der Innenverwaltung tätig. Dieses Personal wird im Moment wieder damit konfrontiert, dass man ihnen Sparan strengungen abverlangt, die sie nicht verstehen können. Die kann in der jetzigen Situation niemand verstehen. Dies trägt natürlich nicht zur Motivation bei.

Wir brauchen motiviertes Personal für die innere Sicherheit. Wir brauchen motiviertes Personal für eine funktionierende Innenverwaltung. Nicht gut für die Sicherheit ist natürlich, wenn man das Personal schlecht behandelt. Nicht gut für die innere Sicherheit ist in der Konsequenz auch diese Reform.

Herr Kollege Sckerl hat in diesem Zusammenhang von einer Mäkelkritik gesprochen. Deswegen habe ich die Bitte, dass Sie meinen Ausführungen zu ein paar Punkten genauer zuhö ren und mir dann sagen, was daran Mäkelkritik sein soll.

Zunächst einmal stelle ich fest – die Landesregierung betont ja immer die Bedeutung des Dialogs –: Wenn man ehrlich ist, gab es bei dieser Polizeireform keinen Dialogprozess.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Sehr richtig!)

Denn mit den Bürgerinnen und Bürgern ist sicherlich nicht darüber geredet worden. Auch mit den Abgeordneten ist nicht darüber geredet worden. Das hat mich übrigens ein bisschen enttäuscht. Als ich hier das erste Mal darüber gesprochen ha be, habe ich gedacht, über die Reform werde wirklich disku tiert. Im Anschluss an die Debatte habe ich mitbekommen: Es ist alles festgeklopft. Wir können sie zur Kenntnis nehmen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Das Eckpunktepa pier war schon gedruckt!)

Sie mögen es nicht gern hören: Wenn Sie ausreichend und in neutraler Haltung mit der Polizei reden würden, würden Sie feststellen, dass die Behauptung, dass diese Reform aus der Polizei komme, auf sehr, sehr wackligen Beinen steht.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Thomas Blenke CDU: Nur ein kleiner Teil war das!)

Sie kommt von einem bestimmten Teil der Polizei. Sie kön nen – das wissen Sie auch – völlig andere Einschätzungen in beliebiger Zahl bekommen, wenn Sie bereit sind, Ihre Ohren zu öffnen.

Warum herrscht dort Skepsis? Die erste Feststellung ist: Es gibt keinen überzeugenden Ertrag. Selbst wenn ich Ihre Zah len übernehme, den Ertrag, der vom Veranstalter sozusagen selbst behauptet wird, dann bleibt es bei den personellen Ver besserungen in einem Bereich, den ich nur in Promille ver nünftig rechnen kann, nicht einmal in Prozent. Es ist nicht ein mal 1 % Personalverbesserung, das letzten Endes heraus

kommt. Das ist der Ertrag dieses ganzen Unternehmens, und das bei unübersehbaren Risiken.

(Zuruf des Abg. Thomas Blenke CDU)

Unübersehbare Risiken resultieren aus der Beeinträchtigung der Polizeiarbeit. Ich nenne nur zwei Punkte, weil wir – lei der nutzlos – schon oft darüber geredet haben. Es wird länge re Wege geben. Es kann niemand leugnen, dass zwar mehr Po lizei auf der Straße ist, aber halt eher auf dem Weg zur Dienst stelle als in Erfüllung ihrer Aufgaben. Wer setzt z. B. schon die Führung weg vom operativen Geschäft, obwohl jeder, der erfolgreich reformiert, genau das Gegenteil macht? Man setzt die Führung nah ans operative Geschäft. Sie wird wegrücken, und das ist ein unübersehbarer Nachteil. Ich könnte weitere Nachteile und auch unübersehbare finanzielle Risiken aufzäh len.

Noch einmal zum Stichwort Mäkelkritik. Ist es Mäkelkritik, wenn ich darauf aufmerksam mache, dass bei dieser Reform etwas ganz Erstaunliches passiert? Ich möchte einen Vergleich anstellen. Wir diskutieren heute auch über Stuttgart 21, über die Frage, wie dieses Projekt gerechnet ist usw. Das wäre so, als ob Sie bei Stuttgart 21 einen Bagger an den Stuttgarter Bahnhof stellen und sagen würden: Jetzt machen wir einmal ein Loch, dann sehen wir weiter, wie viel es kostet.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: So ist es aber nicht! – Zuruf des Abg. Nikolaos Sakellariou SPD)

Doch, genau so ist es.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Genau so ist es nicht!)

Herr Sakellariou, Sie haben eben gesagt: Wir werden aufmerk sam schauen, wie viel es kostet, und werden hinterher fest stellen, was es gekostet hat. Kollege Leo Grimm, der ein mit telständischer Unternehmer ist, weiß: Etwas zu tun, was man vorher gar nicht kalkuliert hat,

(Abg. Thomas Blenke CDU: Das macht kein schwä bischer Häuslebauer so!)

und nur zu versprechen, festzuhalten, was es kostet, und eine Nachkalkulation zu machen, ist schon erstaunlich. Kein Un ternehmen dieser Art könnte sich ein solches Himmelfahrts kommando leisten, dass man vorher überhaupt nicht weiß, was das Ganze, auf das man sich einlässt, letztlich kostet.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Aber wir wissen, was es kostet, wenn wir nichts machen!)

Es besteht Reformbereitschaft – daran ist zu Recht erinnert worden –, doch man muss einfach sagen: Das ist nicht unse re Reform. Wir können sie in dieser Form nicht unterstützen. Das wirkt sich natürlich auf unser Abstimmungsverhalten zum Haushalt aus.

Ich möchte noch einen zweiten Punkt ansprechen, nämlich die Abschaffung des Freiwilligen Polizeidienstes. Die Arbeit der Polizei besteht eben nicht nur aus Streifengängen. Sie besteht auch nicht nur aus der Aufklärung von Verbrechen und ande ren Delikten. Wenn Sie nah genug an der Praxis dran sind, be kommen Sie zu hören, dass die Polizei immer mehr z. B. mit

Volksfesten, mit Umzügen bis hin zum Lampionumzug be schäftigt ist. Das ist unser heutiger Lebensstil. Auch bei rela tiv harmlosen Anlässen braucht man an jeder Ecke die Poli zei, und dafür war und ist der Freiwillige Polizeidienst im Grunde genommen genau das Richtige.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Sie schwächen an dieser Stelle die Polizei personell, und zwar meines Erachtens eher aus einem ideologischen Argument he raus.

(Zuruf des Abg. Dieter Hillebrand CDU)