Protokoll der Sitzung vom 12.12.2012

Aber wir schauen auf die Inhalte, wir fragen, was dort unter richtet wird, wie dort die Bildungspläne sind, welche Bil dungsgänge es dort gibt und welche Abschlüsse in dem Zwei säulenmodell als Organisationsstruktur in Sachsen, in Thürin gen und mittlerweile auch in Nordrhein-Westfalen möglich sind. Wichtig ist vor allem, wie dort die Inhalte aussehen. Überall dort gibt es einen Hauptschulbildungsgang mit Haupt schulabschluss, einen Realschulbildungsgang mit dem Ab schluss mittlere Reife. Es gibt dort zudem eigenständige Bil dungspläne, die umgesetzt und mit den entsprechenden schu lischen Inhalten realisiert werden, und zwar unter einem ein heitlichen organisatorischen Dach.

Natürlich muss sich die Organisation in der Zukunft ändern. Das ist angesichts sinkender Schülerzahlen doch logisch. Aber die Inhalte dürfen sich nicht ändern. Wir brauchen auch wei terhin kein Einheitsbildungssystem, wie Sie es anstreben, son dern wir brauchen ein differenziertes System. Das ist der gro ße Unterschied.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Karl Zimmermann CDU: Sehr gut! Bra vo!)

Ich kann es mir nicht verkneifen, noch zu einem dritten Punkt Stellung zu nehmen, den Sie angesprochen haben, nämlich zur Infrastruktur. Sie haben uns vorgeworfen, wir würden uns nur mit dem Thema Straßenbau beschäftigen. Ja, wir beschäf tigen uns mit dem Thema Straßenbau, und zwar deshalb, weil man in Baden-Württemberg, wenn man von A nach B fährt

und weitere Strecken zurücklegen muss, im Regelfall immer noch auf befestigten Straßen fahren muss. Das ist das eine.

Wir erwarten jetzt aber eigentlich, dass Sie auch einmal einen Aufschlag zum Thema „Verkehrskonzepte im Ballungsraum“ machen. Was tun Sie denn in der Frage der Radwege? Was tun Sie denn in der Frage der Entflechtung der Busverkehre, in der Frage des individuellen Automobilverkehrs und seiner Vernetzung mit dem Schienenpersonennahverkehr, mit dem radgebundenen Personennahverkehr? Wo sind denn Ihre Fort schritte auf diesem Gebiet? Sie kündigen dies stetig an – auch schon vor anderthalb Jahren, im Koalitionsvertrag –, aber wo haben wir denn dieses Konzept?

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Am Bahnhof in Ludwigsburg!)

Das Thema E-Mobilität ist übrigens noch ein Projekt der al ten Landesregierung.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: So ist es!)

Das sollten Sie der Redlichkeit halber auch noch im Gedächt nis haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Fried linde Gurr-Hirsch CDU: So ist es!)

Auch der Cluster Daimler, EnBW, Land, Stadt ist noch ein Projekt der alten Landesregierung. Ich gönne es Ihnen, weil wir in dieser Frage dieselbe Zielrichtung verfolgt haben und auch verfolgen. Natürlich brauchen wir maßgeschneiderte Konzepte. Die sehen in Stuttgart anders aus als in Hinterzar ten und in Leutkirch wiederum anders als in Wertheim.

(Zuruf des Abg. Manfred Lucha GRÜNE)

Es ist aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, das Ge heimnis der Politik für dieses Land Baden-Württemberg, dass wir eben keine Täler zuwachsen lassen,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

sondern dass wir überall maßgeschneiderte Infrastruktur für Städte, Ballungsräume und ländliche Räume brauchen. Das ist der Unterschied.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Jürgen Filius GRÜNE: Das ist doch su per!)

Dass dort die kraftvolle Mobilität sein soll, das wage ich zu bezweifeln. Der Verkehrsminister – er ist zwischenzeitlich ein getroffen –

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Er ist auf gewacht! – Gegenruf der Abg. Beate Böhlen GRÜ NE: Unverschämt!)

hat doch hier verkündet: 30 % mehr schienengebundener Per sonennahverkehr. Das waren doch nicht unsere, das waren doch Ihre Ankündigungen. Jetzt geben Sie kleinlaut zu: Wir werden wahrscheinlich nur 15 bis 20 % schaffen. Jetzt kommt die Bahn und sagt – Breisgau-S-Bahn –: Es wird alles teurer. Wo bleibt denn die Antwort des Verkehrsministers? Warum haben Sie nicht schon früher ausgeschrieben, nicht schon frü

her begonnen zu entzerren, um Wettbewerbsvorteile im Schie nenbereich tatsächlich zu nutzen?

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Hätten Sie doch einmal eine gute Vorarbeit gemacht! – Abg. Jürgen Filius GRÜNE: 60 Jahre! Ein Traumland! – Weitere Zurufe)

Denn, meine sehr verehrten Damen und Herren, eines ist klar – das wird auch niemand von Ihnen wegdiskutieren können –, nämlich dass Sie beim öffentlichen Personennahverkehr hier in Baden-Württemberg deutschlandweit auf eine Spitzen leistung aufbauen können. Das ist unbestritten.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Jürgen Filius GRÜNE)

Nirgendwo nutzen so viele Menschen den öffentlichen Nah verkehr – in einem Flächenland wohlgemerkt –, und nirgend wo waren seit der Privatisierung der Bahn und der Übernah me des öffentlichen Nahverkehrs in die Landeshoheit die Zu wächse höher als in diesem Land –

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Das hat doch nie mand bestritten! – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

dank einer gut ausgebauten Infrastruktur und dank einer gu ten ÖPNV-Politik.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das, Herr Ministerpräsident, verstehen wir unter einer integ rierten Politik: maßgeschneiderte Möglichkeiten und Konzep te für alle Teilräume dieses Landes – maßgeschneidert, nicht alles darübergestülpt und vereinheitlicht, kein Einheitsbrei. Denn das wird am Ende zu nichts führen.

(Abg. Jürgen Filius GRÜNE: Was war das jetzt für eine Aussage? – Gegenruf der Abg. Charlotte Schnei dewind-Hartnagel GRÜNE: „Einheitsbrei“!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich muss noch ein mal auf das Thema Bürgerbeteiligung eingehen. Ich weiß, es gefällt Ihnen nicht so richtig, aber ich muss auch das noch ein mal erwähnen: Wir hatten ein größeres Projekt in der letzten Legislaturperiode, das die Unterstützung aller Fraktionen hier im Landtag erfuhr, das Biosphärengebiet Schwäbische Alb. Man muss der Vollständigkeit halber zum Thema Transparenz noch einmal auf die Geschichte schauen. Es gab da den Trup penübungsplatz Münsingen – das war unstrittig; er war nicht bewohnt – mit über 6 000 ha. Dann kam der NABU, Herr Dr. Rösler

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Ich bin schon nach vorn gekommen! – Abg. Jürgen Filius GRÜNE: Ist schon da!)

ja, das muss man lobend erwähnen –,

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Ja, genau! Loben Sie ihn doch einmal!)

der die Idee hatte, den Truppenübungsplatz umzuwidmen. So weit, so gut. Zunächst gab es Widerstand seitens der Kommu

nen, aber als klar war, dass der Truppenübungsplatz mit Alt lasten behaftet ist, kam zumindest aus Münsingen vorsichtig Zustimmung.

(Zuruf des Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE)

Man dachte dann an ein Biosphärengebiet, wobei für 3 % der Gesamtfläche die Herausnahme aus jeglicher Nutzung geplant war. Die Zielfläche, die damals dafür angedacht war, war ei ne Fläche von 17 000 ha. Man hat also ca. 10 000 ha Fläche außerhalb des Truppenübungsplatzes gebraucht. Die Bauern waren dagegen, die Jäger waren dagegen, die Landnutzer wa ren dagegen, die Industrie war hoch skeptisch, die Gastrono mie gleichermaßen.

Es braucht nicht die Bürgerbeteiligung à la Grün und Rot, um mit den Menschen zu sprechen. Denn wir haben es in der Ver gangenheit getan, und wir sprechen als Abgeordnete tagtäg lich mit den Menschen. Wenn es um bestimmte Aufgaben in einem Biosphärengebiet ging, haben wir auch tagtäglich mit den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern gesprochen. Aber wir haben mit der Kraft der Argumente gesprochen, und wir haben mit der Zielsetzung, einen Konsens zu erreichen, ge sprochen, nicht mit der Zielsetzung, den Widerstand aufzu heizen. Sie tragen doch den Unfrieden hinein.

(Beifall des Abg. Tobias Wald CDU)

Der Minister Ihrer Regierung, der in Baiersbronn wohnhaft ist, war bis zum heutigen Tag bei keiner öffentlichen Veran staltung in seinem eigenen Landkreis anwesend, weder in Freudenstadt noch in Baiersbronn. Ist das Bürgerbeteiligung? Ist das Bürgeranhörung?

(Zuruf des Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE)

Sie kommen zu den Sonnenscheinterminen und lassen sich nicht öffentlich ankündigen. Das wird im Netzwerk der Be fürworter des Nationalparks kundgetan. Die Nationalparkgeg ner, die davon Wind bekommen haben, gehen ordentlich mit Ihnen um. Sie aber fürchten den Protest. Sie fürchten den Pro test, und dann stellen Sie sich hierher und sagen, es müsse klar sein, wie die Kompetenzordnung ist.

Meine Damen und Herren, die Kompetenzordnung dieses Landes kannten wir, und die kennen wir. Der Landtag hätte bereits vor zehn, nein vor 20 Jahren – unter Harald B. Schä fer – den Beschluss fassen können, dass es einen Nationalpark gibt; denn die Kompetenzordnung ist klar: Natürlich bestimmt der Landtag darüber. Aber dieses Projekt wird und kann nur gelingen, wenn die Bevölkerung in der Raumschaft dieses Projekt aktiv unterstützt.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Richtig! – Abg. Tho mas Blenke CDU: So ist es! – Zuruf des Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU)

Herr Ministerpräsident, da gibt es fachliche Argumente, aber es gibt auch ein großes Faktum, und dieses Faktum ist der Mensch. Wir brauchen die Menschen.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE meldet sich. – Glo cke des Präsidenten)

Wir brauchen nicht die Sachargumente, sondern wir brauchen die Menschen, die dahinterstehen. Das muss unsere Zielset zung sein. Nur dann kann ein Nationalpark als großes Projekt, als Leitprojekt des Landes gelingen – nur dann. Das ist Ihre Aufgabe als Regierung, und diese Aufgabe erfüllen Sie der zeit nicht.

(Beifall bei der CDU – Glocke des Präsidenten)

Kollege Hauk!

Ich komme zum Schluss.