Protokoll der Sitzung vom 19.12.2012

Eine wichtige Wirkung ergibt sich daraus, dass bei einem wie derholten Verstoß gegen das Gesetz die Unternehmen für drei Jahre von öffentlichen Vergaben ausgeschlossen werden kön nen. Diese präventive Wirkung wird dem Gesetz zum Durch bruch verhelfen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Herr Kollege Löffler, Sie müssen sich schon entscheiden. Ei nerseits sagen Sie, ein Schwellenwert von 20 000 € sei eine Schande. Andererseits kritisieren Sie, dass schon der Vorhalt von Unterlagen den Unternehmen nicht zuzumuten sei. Was wollen Sie? Ich glaube, Sie haben dazu einfach keine Mei nung.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD zur CDU: Orientie rungslos! – Gegenruf des Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Ich avisiere es nur richtig!)

Uns liegt ein Gesetzentwurf vor, den wir, die Fraktion GRÜ NE, sehr begrüßen. Wir begrüßen, dass wir hiermit fairen Wettbewerb für unsere Mittelständler bei der Vergabe öffent licher Aufträge herstellen, sodass nicht mehr derjenige bei der Vergabe öffentlicher Aufträge im Wettbewerb profitiert, der schlechte Löhne zahlt, sondern derjenige, der sich an Tarif verträge hält und ein Mindestentgelt zahlt. Fairer Wettbewerb gerade für unseren Mittelstand und faire Löhne gehen zusam men. Das beweisen wir hier.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Sehr gut! Sehr gut!)

Für die SPD-Fraktion er teile ich Herrn Kollegen Storz das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolle gen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der vergangenen Woche haben wir hier über den Einzel plan 07 – Ministerium für Finanzen und Wirtschaft (Wirt schaft) – debattiert. Ich habe deutlich gemacht, dass es der Wirtschaft gut geht, wenn die Unternehmen Gewinne machen und wenn sie ihre Mitarbeiter durch faire und gute Löhne ge recht am Erfolg des Betriebs beteiligen. Beide Seiten gehören zusammen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE)

Das ist das Erfolgsmodell der Wirtschaft in unserem Land. Doch leider halten sich nicht alle Unternehmer an diese Grund sätze. Ein wesentliches Element der sozialen Marktwirtschaft ist der freie Wettbewerb. Doch wo man die Freiheit hat, neigt der Mensch dazu, diese zu missbrauchen. Diese Freiheit be droht auch das System unserer sozialen Marktwirtschaft, sei es durch die Bildung von Monopolen, sei es durch Dumping, indem Konkurrenten durch Preise unterhalb der Herstellungs kosten aus dem Markt gedrängt werden sollen.

Schon seit Jahren ist der Wettbewerb um öffentliche Aufträ ge nicht mehr fair. Nach geltendem Recht müssen Land und Kommunen unseriösen Bietern den Zuschlag geben, obwohl alle Beteiligten wissen, dass diese nur aufgrund von Ausbeu tung günstiger als ihre Konkurrenten sind. Der ehrbare Kauf mann, der seriöse Handwerker waren allzu oft die Dummen.

Wenn der Landtag heute über das Tariftreue- und Mindest lohngesetz diskutiert, sprechen wir über eine Maßnahme – wir haben es schon von Minister Nils Schmid gehört –, die ganz im Sinne Ludwig Erhards wäre. Wir erfüllen mit diesem Ge setz eine wesentliche wirtschaftspolitische Aufgabe. Wir le gen allgemeinverbindliche Spielregeln fest.

Die Regelungen zur Vergabe öffentlicher Aufträge zwingen uns dazu, das günstigste Angebot anzunehmen. Wenn aber Billiglöhne und Lohndumping die Basis des Angebots darstel len, wird der Wettbewerb verzerrt. Ausgerechnet der Staat muss aufgrund der bisherigen gesetzlichen Regelungen Aus beuter, windige Firmenkonstrukte und Sozialmissbrauch be vorzugen. Unglaubwürdiger kann man nicht werden. Mit Markt wirtschaft hat das nichts zu tun, mit sozialer Marktwirtschaft,

dem Wirtschaftsmodell, das auch Sie, die Opposition, unter stützen, schon gar nichts, meine Damen und Herren.

Mit dem Tariftreue- und Mindestlohngesetz entziehen wir die sem wettbewerbsfeindlichen Treiben die Grundlage.

Zum Inhalt des Gesetzes: Das Gesetz sieht vor, dass nur Fir men öffentliche Aufträge über Bau- und Dienstleistungen – auch im öffentlichen Personennahverkehr – erhalten dürfen, die ihren Mitarbeitern mindestens den jeweils gültigen Tarif lohn zahlen. Maßgeblich ist dabei ein repräsentativer Tarif vertrag, den die Sozialpartner frei vereinbart haben. Sollte es keinen Tarifvertrag geben oder dieser die Arbeitnehmer schlech terstellen, müssen sich die Unternehmen verbindlich an einem Mindestlohn von 8,50 € pro Stunde orientieren.

Wir wollen, dass die Unternehmer, die mit ihren Mitarbeitern anständig umgehen und ihnen einen gerechten Lohn zahlen, eine faire Chance im Wettbewerb haben. Es profitieren vor al lem kleine und mittlere Unternehmen. Wir sichern Arbeits plätze im Handwerk und verhindern die Ausbeutung durch Dumpinglöhne.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Wir haben es schon gehört: Das Gesetz orientiert sich an den geltenden bundesgesetzlichen Regelungen wie dem Arbeit nehmer-Entsendegesetz und dem Mindestarbeitsbedingungen gesetz. Es ist mit den europarechtlichen Vorgaben vereinbar. Unser Ziel war, ein schlankes Gesetz auf den Weg zu bringen,

(Lachen des Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU)

das wesentliche Vorgaben macht. Wir haben bewusst auf man che Regelungen verzichtet, die in den Tariftreuegesetzen an derer Länder stehen.

(Zuruf des Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU)

So haben wir für die Unternehmen ein praktikables Verfahren ohne nennenswerten Verwaltungsaufwand entwickelt.

Wir leisten mit dem Tariftreue- und Mindestlohngesetz einen Beitrag zur Sicherung und Förderung des Wirtschaftsstand orts Baden-Württemberg. Gleichzeitig ist dieses Gesetz ein weiterer Teilschritt auf dem Weg zur Einführung eines flä chendeckenden Mindestlohns.

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Aber darum geht es hier nicht!)

Viele Arbeitnehmer sind unter Druck, ihre Arbeitskraft zu je dem Lohn anzubieten. Niedriglöhne, von denen niemand le ben kann, verursachen Armut und stehen so den Zielen unse rer Wirtschaftsordnung entgegen. Darauf hat erst gestern die Nationale Armutskommission hingewiesen. Sie macht deut lich, dass gerade Niedriglöhne der Grund für Armut sind und dass die Politik durch einen Mindestlohn dieser Armut entge gentreten kann. Armut bekämpft man eben nicht durch Trans ferleistungen, sondern Armut bekämpft man durch Arbeit, und zwar durch gute Arbeit, die einen gerechten Lohn verdient.

Meine Damen und Herren, zusammenfassend kann ich fest stellen: Das Tariftreue- und Mindestlohngesetz stärkt die Wett bewerbsfähigkeit der kleinen und mittleren Unternehmen, es

stützt unseren Mittelstand und sichert auch Arbeitsplätze. Es ist eine Maßnahme, um der Armut in unserem Land entgegen zuwirken. Das Tariftreue- und Mindestlohngesetz verdient da her eine große Mehrheit in unserem Landtag.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Für die Fraktion der FDP/ DVP erteile ich Herrn Kollegen Grimm das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nur einmal angenommen, meine Damen und Herren von der Regierung, wir hätten in unserem Land eine Arbeitslosenquote, die doppelt so hoch wäre wie derzeit, nämlich 10 % oder 11 %. Gleichzeitig würde die Ju gendarbeitslosigkeit bei den 14- bis 24-Jährigen bei 25 % lie gen. Ich kann mir vorstellen, dass Sie selbst dann auf die Idee kämen, einen Mindestlohn einzuführen – vielleicht nicht nur für die öffentlichen Aufträge in Baden-Württemberg.

Meine Damen und Herren von der Regierung, Sie halten die se von mir genannten Annahmen wahrscheinlich für utopisch oder für reine Fantasie. Da gebe ich Ihnen schon recht. Aber ich habe auch nicht Deutschland und seine gute Wirtschafts lage gemeint, sondern ich habe von Frankreich gesprochen, unserem Nachbarland. Das ist die zweitgrößte Wirtschafts macht in der EU nach Deutschland.

Frankreich hat das, was Sie von der Regierung hier im Länd le haben wollen und was die CDU im ganzen Bundesgebiet haben will. Frankreich hat schon seit 1950 einen gesetzlichen Mindestlohn. Dieser wird jedes Jahr der Wirtschaftslage und politischen Zielen angepasst. Seit dem 23. Dezember 2011 be trägt dieser Mindestlohn brutto 9,22 € pro Stunde. Jetzt erklä ren Sie uns einmal, was Sie mit Ihrem Ländle-Mindestlohn bezwecken. Wollen Sie in eine gelenkte Volkswirtschaft wie in Frankreich einsteigen, oder wollen Sie gar eine sozialisti sche Volkswirtschaft?

(Lachen bei den Grünen – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Wir führen jetzt den Sozialismus ein!)

Frankreich hat momentan die höchste Arbeitslosenquote der letzten 13 Jahre, aber es hat den Mindestlohn. Frankreich hat eine sehr hohe Jugendarbeitslosigkeit, aber es hat den Min destlohn.

Untersuchungen zeigen, dass der Mindestlohn alles andere als ein Allheilmittel der Wirtschaftspolitik ist.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

In Frankreich sind vom Mindestlohn 15,6 % der Arbeitneh mer betroffen. Dies führt zu teilweise starken negativen Be schäftigungseffekten, vor allem bei Jugendlichen und bei Frauen.

Meine Damen und Herren von der Regierung, Ihre Absicht in Ehren: Sie wollen bei öffentlichen Aufträgen mit einem Min destlohn von 8,50 € pro Stunde eine Art Chancengerechtig

keit herstellen. Sind Ihnen Beschäftigte nicht mehr wert? Wa rum sehen Sie nicht 9 €, warum nicht 10 € pro Stunde vor?

Die FDP ist die Partei der Wirtschaft und der Arbeit.

(Zuruf des Abg. Hans-Martin Haller SPD)

Welchen Wert Arbeit hat, handeln Arbeitgeber und Arbeitneh mer miteinander aus. Der Rahmen hierfür ist die Tarifautono mie. Ich frage die Landesregierung: Warum mischen Sie sich in diese Tarifautonomie ein? Warum? Wir Liberalen lehnen solche Eingriffe in die Wirtschaft, in den Mittelstand ab.

Sie behaupten, mit Ihrem Gesetz Wettbewerbsverzerrungen bei öffentlichen Aufträgen vorbeugen zu wollen. In Wirklich keit aber schaffen Sie Wettbewerb ab. Was können Sie mit Ih rem Gesetz denn erreichen? Ein zu niedriger Mindestlohn be wirkt nichts, ein zu hoher vernichtet Arbeitsplätze.

(Beifall des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP – Glocke der Präsidentin)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Lindlohr?

Nein, danke.

Nein?