Das geht am besten, wenn sich alle an den Verhandlungstisch setzen. Diese Verhandlungen werden angesichts der unter schiedlichen Interessenlagen nicht einfach. Deswegen bin ich der Meinung, dass es richtig ist, jetzt zu verhandeln und nicht irgendwann. Denn 2019 läuft das jetzige System des Länder finanzausgleichs ohnehin aus, und bis dahin muss etwas Neu es verhandelt sein.
Deswegen habe ich bereits im Herbst 2011 im Kreise meiner Ministerpräsidentenkollegen die Initiative ergriffen und für frühzeitige Verhandlungen geworben. Ich war mir mit den Kollegen aus Bayern und Hessen einig, dass wir im Prinzip
ein großes Rad drehen sollten. Das heißt, wir sollten nicht nur den Länderfinanzausgleich im engeren Sinn, sondern die Fi nanzbeziehungen insgesamt auf den Prüfstand stellen und neu regeln.
Wir haben uns im Oktober 2012 in Weimar auf einen Fahr plan für einen Verhandlungsweg verständigt. Der erste Schritt erfolgt im Sommer dieses Jahres. Bis dahin wird die Finanz ministerkonferenz eine Bestandsaufnahme vorlegen und die entscheidenden finanzbezogenen Fragestellungen formulie ren.
Ende 2013 soll das Meinungsbild der Finanzminister beraten und das Gespräch mit dem Bund gesucht werden.
Warum sollte ich diesen Prozess, den ich selbst angestoßen habe, nun plötzlich beenden? Warum soll ich eine Vereinba rung brechen, die ich selbst herbeigeführt habe und die ich für sinnvoll halte? Warum? Verhandeln müssen wir nämlich so wieso. Das müssen Sie einfach einmal realisieren.
Auch wenn wir klagen würden und mit der Klage Erfolg hät ten, würde das Bundesverfassungsgericht, wie beim letzten Mal auch, den Verhandlungsauftrag an die Länder zurückge ben. Also müssen wir ohnehin auf jeden Fall verhandeln.
Aber das Bundesverfassungsgericht, Herr Kollege Herrmann, kann doch immer nur den Länderfinanzausgleich im engeren Sinn korrigieren. Das Bundesverfassungsgericht kann keine neuen Ausgleichssysteme in den Bund-Länder-Beziehungen generieren. Das kann nur der Gesetzgeber selbst.
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zurufe von der CDU: Ja! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja! Stimmt alles! – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Das könnte Ihre Position in den Verhandlungen stärken, Herr Kollege!)
Wenn wir insgesamt die vertikalen und horizontalen BundLänder-Finanzbeziehungen neu ordnen wollen – dem stim men Sie offensichtlich zu –, dann können wir das immer nur selbst. Da muss die Politik zeigen, dass sie die Gestaltungs kraft hat, das auch zu tun. Da bin ich nun wirklich seit über einem Jahr dran. Ich weiß gar nicht, was Sie mir da vorzuwer fen haben.
Nein. Das ist einfach Unsinn. Das geht nun einmal wegen der unterschiedlichen Interessenlagen nicht schnell. Da sto
ßen sich die Interessen hart im Raum. Ich weiß, dass man vie le Jahre brauchen wird, um da etwas Vernünftiges zu verhan deln.
Nehmen wir einmal an, wir würden vor dem Bundesverfas sungsgericht klagen. Glauben Sie, dass eine Klage die Kom promissbereitschaft der anderen Länder steigert?
Wenn man verhandeln will, kann man nicht einfach klagen. Es war auch klar, dass einige Ministerpräsidenten – ganz egal, aus welchem Lager sie kommen – gesagt haben, dass sie die Verhandlungen sofort einstellen, wenn geklagt wird. Es spricht ja auch etwas dafür. Dann wartet man halt ab, was das Bun desverfassungsgericht sagt.
Vielmehr verfahren wir so, dass die Vorarbeiten von der Fi nanzministerkonferenz gemacht werden, und dann ist, glau be ich, nach der Bundestagswahl der richtige Zeitpunkt, um das wirklich zu beraten und in echte Verhandlungen zu gehen, eine entsprechende Kommission – bisher hatten wir schon zwei – ins Leben zu rufen, um das dann durchzuverhandeln. Das ist der richtige und vernünftige Weg, und den gehen wir auch.
Das, was Sie wollen, kann ich nicht machen. Ich habe keinen Knopf, um das zu erzwingen. Sie hatten ihn auch nicht; dar um haben Sie es auch nicht gemacht. So einfach ist die Welt.
Jetzt gehe ich einmal auf die Klagerisiken ein. Sie erwecken den Eindruck, als führe eine Klage automatisch zu einem Kla geerfolg. Woher wissen Sie das eigentlich? Was spricht denn dafür?
(Abg. Peter Hauk CDU: Wer sagt denn das? Aber es ist alles besser, als nichts zu tun! – Zuruf des Abg. Heribert Rech CDU)
Bislang wird die Finanzkraft der Kommunen nur zu 64 % im Länderfinanzausgleich berücksichtigt. Das ist einer der Schwachpunkte des Maßstäbegesetzes, der, wie wir wissen, bei einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts unwei gerlich eine gewichtige Rolle spielen wird. Wir wissen, wie schlecht der Zustand vieler Kommunen ist, wenn auch Gott sei Dank nicht in unserem Land, sondern in anderen Ländern.
Wenn das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil die Fi nanzkraft der Kommunen stärker mit einbezieht, dann kann der Schuss für uns nach hinten losgehen. Das müssen einfach alle wissen. Wir müssen da verantwortungsvoll abwägen. Auch das spricht dafür, dass man verhandelt, bevor man klagt.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zurufe der Abg. Winfried Mack und Konrad Epp le CDU)
Wir befinden uns mit den anderen Geberländern im Gespräch. Es sind schwierige Fragen zu klären. Eine Frage lautet: Wer kann in den Verhandlungen eine Brückenfunktion einnehmen? Gut verhandeln kann man nur in einem guten Verhandlungs klima. Damit muss man sehr verantwortlich umgehen, da wir eine sehr differenzierte Interessenlage haben. Deswegen schließen wir eine Klage in der Tat nicht aus.
Selbstverständlich müssen wir nach der Bundestagswahl, wenn die Vorarbeiten gemacht sind, wenn klar ist, worüber verhandelt wird und was alles in das System der Ausgleichs beziehungen einbezogen und was nicht einbezogen werden soll – darüber gibt es massive Differenzen –, darüber entschei den.
Mir ist bewusst: Wenn Bayern und Hessen klagen, dann be stehen die Risiken, die ich genannt habe. Aber die Frage, ob wir selbst klagen, ob wir einer Klage beitreten oder ob wir ei ne qualifizierte Stellungnahme abgeben können – für das Bun desverfassungsgericht hat das in der Sache selbstverständlich dieselbe Wirkung, da es nach materiellen Gesichtspunkten und nicht nach der Anzahl der Kläger entscheidet –, gehört zu den Entscheidungsmöglichkeiten, die wir alle besprechen können. Sie können sicher sein, dass ich zusammen mit dem Finanz minister die Interessen des Landes Baden-Württemberg wahr nehme und alles dafür tue, dass wir zu einem neuen Aus gleichssystem kommen.
Was allerdings fehlt, sind Ihre Vorschläge; Vorschläge habe ich von Ihnen nicht gehört. Ich habe einen Vorschlag von Herrn Kollegen Herrmann gehört, der sehr überlegenswert ist, nämlich die Hauptstadtaufgaben von Berlin besonders zu be rücksichtigen. Das ist sicher notwendig. Das beispielsweise ist ein guter Vorschlag.
Ich habe andere Vorschläge gemacht, z. B. die Überlegung eingebracht, ob wir nicht von einem horizontalen zu einem rein vertikalen Finanzausgleichssystem kommen sollten, wie es in anderen Staaten besteht. Bei einer Reise nach Kanada, die der Finanzausschuss vor einigen Jahren gemacht hat, ha ben wir das eruiert. Eine solche Umstellung wäre eine Mög lichkeit. Die Grünen-Fraktionsvorsitzendenkonferenz hat auch einen Vorschlag eingebracht. Nur von Ihnen, der Opposition, fehlen die Vorschläge.
Mit Ausnahme der Kollegen Seehofer und Bouffier sehe ich nicht, dass Sie Vorschläge eingebracht haben, wie Sie sich den Ausgleich vorstellen.
Man muss ein umfassendes Konzept vorlegen, das verhand lungsfähig ist. Das vermisse ich. Alles andere führt besten falls dazu, dass es vielleicht gewisse Korrekturen am jetzigen Ausgleichssystem gibt. Aber es wird damit nicht transparen ter, nicht besser und nicht anreizfreundlicher. Man kann so nur die schlechten Punkte etwas korrigieren. Das ist uns zu wenig.
Darum beschreiten wir den Verhandlungsweg. Wir halten erst einmal ganz entschieden an ihm fest. Nur dann, wenn sich he rausstellt, dass sich die Nehmerländer nach den Vorarbeiten tatsächlich weigern, in ernsthafte Verhandlungen zu gehen, werden wir eine Klage in Erwägung ziehen – aber erst nach einer gründlichen Abwägung der Risiken.