(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Wollen Sie aufrüsten, Herr Minister? – Zuruf des Abg. Dr. Ul rich Goll FDP/DVP)
Baden-Württemberg ist von den Entscheidungen überdurch schnittlich stark betroffen. Wir sprechen heute darüber, auf welch umfangreiche Art und Weise wir, das Land, diese Re formen in den Gemeinden abfedern müssen. Seit einem hal ben Jahr kennen wir die genauen Zeitpläne, wann und in wel chem Umfang die Truppen an den Standorten in Baden-Würt temberg abgezogen werden sollen. Die Landesregierung steht den Kommunen von Anfang an unterstützend zur Seite.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Konkret! Konkret!)
Ich finde, wir müssen an dieser Stelle über ein paar Sachen reden, die in dieser Debatte ziemlich konfus angesprochen werden.
Erstens: Die Ursache der Konversion ist eine Reform des Bun des. Die Verantwortung, die Kommunen zu unterstützen, trägt der Bund; er ist derjenige, von dem die Reform ausgeht. Wir stehen unseren Kommunen selbstverständlich unterstützend zur Seite, um die zum Teil bestehenden Schwierigkeiten, die bei den Prozessen vor Ort anstehen, abzumildern.
Ich halte es für eine Verantwortung der Landesregierung und des Parlaments, und zwar des ganzen Parlaments und nicht nur der regierungstragenden Fraktionen, sich dafür einzuset zen, dass die Rechte der Kommunen gegenüber dem Bund ge wahrt bleiben.
Es funktioniert nicht, sich heute Morgen bei der Aktuellen De batte zum Länderfinanzausgleich zu beklagen und deutlich zu machen, was wir alles einsparen müssen, und bei der Konver sion, nur weil sie von den eigenen Truppen in Berlin ausgeht, Bundesverantwortung durch Landesgeld ersetzen zu wollen. Damit kommen Sie nicht raus, meine sehr verehrten Damen und Herren von Schwarz und Gelb.
Der Ministerpräsident hat sich dabei von Anfang an massiv eingesetzt. Auf seine Initiative hin wurden in der Ministerprä sidentenkonferenz über alle Parteigrenzen hinweg klare Er wartungen an die Bundesregierung formuliert, insbesondere hinsichtlich der Frage, welche Möglichkeiten die Kommunen haben, um die entsprechenden Flächen tatsächlich zu darstell baren Preisen zu bekommen.
Sie alle wissen, dass sich die Landesregierung im Bundesrat mehrfach – sowohl mit Initiativen des Finanz- und Wirt schaftsministers als auch mit Initiativen aus meinem Haus – entsprechend eingesetzt hat.
Bisher sind wir damit im Bundesrat weit gekommen. Der ent scheidende Punkt ist: Die Bundesregierung hat immer abge lehnt, unseren Kommunen zur Seite zu stehen. Ich erwarte ein klareres Bekenntnis zu baden-württembergischen Interessen, ein klareres Bekenntnis zu unseren baden-württembergischen
Kommunen und mehr Einflussnahme auf diejenigen, die in Berlin am Hebel sitzen, um hier tatsächlich Veränderungen herbeizuführen.
Was haben wir im Land getan? Wir haben, noch bevor die Re formen der Bundesregierung verkündet worden sind, mit ei ner interministeriellen Arbeitsgruppe losgelegt, um die Unter stützung zu organisieren.
Da die Konversion hauptsächlich die Kommunen im ländli chen Raum betrifft, liegt die Federführung hierfür beim Mi nisterium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz. Sie haben zu Recht angesprochen, dass auch in der Metropolre gion Rhein-Neckar durch den Abzug der US-amerikanischen Streitkräfte enorme Konversionsanstrengungen bestehen. Da es hier hauptsächlich um städtische Räume geht, setzt sich hierfür der Finanz- und Wirtschaftsminister intensiv ein. In den städtischen Räumen geht es um ganz andere Probleme als beim ländlichen Raum.
Im Gegensatz zur Region Rhein-Neckar haben wir im ländli chen Raum keinen Siedlungsdruck und keine massive Nach frage nach Gewerbe- und Industriegebieten. Deswegen stehen die Kommunen im ländlichen Raum vor ganz anderen struk turellen Herausforderungen.
Wir haben in intensivem Dialog mit den betroffenen Gemein den in drei Konversionskonferenzen sowie bei einer Vielzahl von Terminen und Gesprächen vor Ort mit den Kommunen ganz konkrete Konzeptionen entwickelt.
Das Land hat eine Untersuchung der konkreten Auswirkung ermöglicht. Über die Prognos-Studie ist es gelungen, die ex akten wirtschaftlichen Auswirkungen, auch die Auswirkun gen auf die Schulstandortstrukturen und Ähnliches, zu ermit teln und damit den Gemeinden eine ganz zentrale Hilfestel lung zu geben. Wir haben hier Vorarbeit geleistet, finanziert durch das Land Baden-Württemberg. Wir machen mit den Ge meinden jetzt Konversionsentwicklung im Sinne einer posi tiven Regionalentwicklung und erstellen sogenannte Kommu nale Konversionsentwicklungskonzepte für die Konversions standorte und die betroffenen Regionen.
Wir befinden uns da auf einem guten Weg. Richtig ist: Jetzt stellt sich die Frage, ob wir nicht nur gute Projekte entwickeln, sondern auch die Verantwortung übernehmen, die guten Pro jekte zu finanzieren. Dazu stehen wir. Auch dabei werden wir die Kommunen unterstützen.
Aber jetzt muss ich Ihnen auch einmal etwas sagen. Es hilft überhaupt nichts, Showanträge zum Haushalt 2011 oder zum Haushalt 2012 gestellt zu haben,
wenn wir über Standorte reden wie Ellwangen, wo das Mili tär im Jahr 2015 abgezogen werden soll. Abzug heißt noch lange nicht, dass das Gelände dann zur Verfügung steht. Sie alle kennen die Problematiken, was die Altlastenbeseitigung und Ähnliches angeht. Wir reden über Standorte wie Meß stetten und den Abzug Ende 2016 und Sigmaringen und den Abzug Ende 2015, wenn da nicht noch Bewegung hinein kommt. Am Beispiel Sigmaringen sieht man ja, mit welch hei
ßer Nadel diese Standortreform seitens des Bundes gestrickt worden ist und wo sich dann massive Wirtschaftlichkeitsfra gen auftun. Dazu braucht man sich nur die Situation in Veits höchheim anzuschauen, wohin millionenschwere Verlegun gen erfolgen sollen. Ich glaube, dass da zu Recht auch der In nenminister noch einmal in Richtung Bund vorstellig wurde, um hier noch eine Überprüfung der Reform zu erreichen.
Herr Minister, Sie haben den so genannten KEK-Prozess angesprochen, den Ihr Haus in Gang gebracht hat. Zum Verständnis: Das ist ein Projekt, bei dem Unternehmensberatungen eingeschaltet sind und bei dem jetzt über zwei, drei Jahre hinweg beraten werden soll, was vor Ort gebraucht wird. Niemand sagt einem vor Ort, was man denn bekommen könnte.
Sind Sie nicht auch der Ansicht, dass dieser Prozess zu einer massiven Verzögerung führt, weil eine Kommune jetzt alles, was sie vor Ort macht – ich könnte Ihnen das konkret vorle gen –, bei einer Firma ISW immer wieder genehmigen lassen muss? Jeder Vertrag, alles, was vor Ort gemacht werden muss, muss in diesem KEK-Prozess genehmigt werden und hält die Sache unglaublich auf. Sind Sie nicht auch der Meinung, man müsste hier ein bisschen schneller vorankommen?
Dann haben Sie angesprochen, dass es um ländliche Räume geht. Zu Ihrem KEK-Prozess haben Sie gesagt, dem werde die IREUS-Studie zugrunde gelegt.
In der IREUS-Studie steht, dass den ländlichen Räumen, die jetzt von der Konversion betroffen sind, keine Entwicklung nach oben gewährleistet werden soll, weil sie keine Wachs tumsperspektiven hätten.
Wollen Sie denn mit Ihrem Kon versionsprozess diesen Standorten sagen, es gäbe keine Ent wicklung nach oben?
Herr Mack, ich fange mit der IREUS-Studie an. Sie laufen durch den Ostalbkreis, verkünden da Horrorvisionen und be haupten, die Landesregierung habe diese Studie in Auftrag ge geben und ich persönlich wolle damit die Entwicklung im Ost albkreis beenden. Ich darf Sie jetzt bitten, Folgendes zur Kenntnis zu nehmen:
Erstens: Die IREUS-Studie hat Ihr Fraktionsvorsitzender, der damals Minister war, in Auftrag gegeben.
(Abg. Winfried Mack CDU: Das ist absolut in Ord nung! Das sagen wir immer dazu! Das ist nichts Neu es!)
Zweitens: Die IREUS-Studie ist eine Studie, die Ihr Frakti onsvorsitzender Peter Hauk in Auftrag gegeben hat, um ein mal quantifiziert zu bekommen, wie sich eigentlich bestimm te Standortfaktoren im ländlichen Raum auf die Zukunftsper spektiven auswirken. Er hat das anhand einer ganzen Reihe von Parametern, die er damals zusammen mit der Verwaltung definiert hat, untersuchen lassen.
Diese Studie mit Bewertungen des Gutachters, Herrn Profes sor Siedentop, liegt vor – wie gesagt: beauftragt von Ihrem Vormann, der gerade nicht da ist.
Was Sie jetzt daraus machen, ist Folgendes: Sie stellen sich hin und behaupten, die Ergebnisse dieser Studie seien eine po litische Meinungsäußerung der grün-roten Landesregierung, woraufhin irgendjemand etwas nicht bekomme, also vorzugs weise Gemeinden in Ihrem Wahlkreis boshaft diskriminiert würden.
Ich sage Ihnen eines: Diese Studie ist erstens ein sinnvoller Hinweis, zweitens aber nicht handlungsleitend für die Politik oder die Entscheidungen dieser Landesregierung. Es gibt kei nen Förderantrag oder irgendetwas, was irgendeiner Gemein de bei Ihnen im Wahlkreis oder in sonst irgendeinem Wahl kreis dieses Landes aufgrund der IREUS-Studie verweigert würde. Also rüsten Sie da einmal Ihren Propagandaquatsch ab, Herr Mack. Das können wir an dieser Stelle einfach auch einmal sagen.
Nächster Punkt: Der KEK-Prozess dient dazu, die Kommu nen über die Frage der Vermarktung der Standorte hinaus zu unterstützen und ihnen regionale Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten, weil nicht nur die Prognos-Studie, sondern jede sinnvolle Untersuchung von Konversionsprozessen zeigt, dass der eigentliche Punkt nicht die Frage nach der konkreten Standortfläche ist, sondern die wirtschaftliche Auswirkung drumherum. Diese abzuschätzen haben wir den Gemeinden ermöglicht. Denn hierzu lagen kaum wirkliche Erkenntnisse vor. Ich habe auch keinerlei negative Rückmeldungen aus den Gemeinden bekommen. Im Gegenteil: Da war man sehr dank bar, dass wir, das Land, diesen Analyseprozess unterstützt ha ben.
Der KEK-Prozess macht jetzt den nächsten Schritt. Er unter stützt nämlich die Gemeinden dabei, regionale Entwicklungs prozesse zu initiieren und loszutreten.
In Immendingen hat man die Konversionslösung sozusagen schon gehabt, bevor sich die Konversionsfrage gestellt hat. Das Land hat massiv unterstützt, dass man da zu einer guten Lösung für Immendingen, für Daimler-Benz, aber eben auch für das Land Baden-Württemberg kommt, indem man vorstel lig wurde und gemeinsam geradezu gebeten hat, diesen Stand ort entsprechend freizustellen, damit er konvertiert werden
Es geht doch genau darum, dass der KEK-Prozess so eine Möglichkeit, wenn sie sich bietet, nicht ausschließt. Das kann man jederzeit machen. Aber gerade weil die Standorte von ih rer Attraktivität und ihrer Vermarktbarkeit her eben nicht in der Situation sind, dass die Investoren Schlange stehen, dass sich kommunale Investitionen und anderes aufdrängen, füh ren wir da einen mühsamen Entwicklungsprozess durch, den man professionell begleiten muss.