Protokoll der Sitzung vom 30.01.2013

Dabei geht es nicht nur um die angesprochene Änderung der Lehrerausbildung, um Fortbildungsangebote und eine Ver schärfung des Waffenrechts. Wir brauchen auch eine medien pädagogische Erziehung, die Kindern und Jugendlichen Re alitätsbewusstsein ermöglicht. Oder anders ausgedrückt: Sie müssen schon wissen, was Film und was Wirklichkeit ist.

Interessant ist an dieser Stelle für mich auch die Frage, inwie weit diese gemeinsame Verwaltungsvorschrift von Innen-, Umwelt- und Kultusministerium aus dem Jahr 2012 tatsäch lich umgesetzt wird, dass zu Beginn des neuen Schuljahrs das schulinterne Krisenteam einberufen wird und Abstimmungen mit Feuerwehr und Polizei erfolgen.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Kollege, ich bitte Sie, zum Ende zu kommen. Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Ich komme zum Schluss und sage: Es schadet sicher nicht, wenn wir gelegentlich an die zentrale Erziehungsaufgabe erinnern, nämlich den jungen Menschen ein Wertegerüst mitzugeben, mit dem sie den viel fachen Versuchungen der heutigen Zeit halbwegs sicher wi derstehen können und ihren Weg in die Gesellschaft finden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Für die Fraktion der FDP/ DVP erteile ich Herrn Kollegen Dr. Kern das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! An den Tag des Amoklaufs in Win nenden und Wendlingen erinnern wir uns alle wahrscheinlich noch ziemlich genau. Viele meiner Kollegen spürten damals, dass sich in dem Moment, als uns die Nachricht in der Schu le erreichte, etwas änderte. Ein Amoklauf an einer Schule war bis dahin weit weg und für uns am Friedrich-List-Gymnasi um in Reutlingen eigentlich nicht vorstellbar gewesen. Mit dieser Nachricht von einem Amoklauf an einer Schule in nicht allzu weiter Entfernung war schlagartig klar, dass wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen konnten und von nun an manches im Schulalltag mit etwas anderen Augen sehen wür den.

Der vom Landtag eingesetzte Sonderausschuss hat damals ei ne ebenso wichtige wie schwierige Aufgabe übernommen. Er

sollte Vorschläge für Maßnahmen erarbeiten, die geeignet sind, einem weiteren Amoklauf von vornherein den Boden zu entziehen.

Die FDP/DVP-Landtagsfraktion ist froh, dass sich der Son derausschuss seinerzeit dagegen entschieden hat, unsere Schu len zu Festungen zu machen, und stattdessen empfohlen hat, das Unterstützungssystem aus Schulpsychologen, Beratungs lehrern und Gewaltpräventionsberatern in erheblichem Um fang auszubauen.

Wir Liberalen halten diese Investitionen für mehr als gerecht fertigt. Wir erwarten uns von den Anlaufstellen und ihren Un terstützungs- und Beratungsangeboten, dass sie den Umgang der Schüler mit schwierigen Situationen und Konflikten ver bessern, ihr Selbstwertgefühl stärken und die Voraussetzung für ein gutes Miteinander aller an den Schulen schaffen. Das erscheint uns als das einzig Sinnvolle und Wirksame, was auch zur Vorbeugung eines weiteren Amoklaufs getan werden konnte.

Wir danken deshalb der CDU-Fraktion, dass sie mit ihrem An trag den Ausbau des Unterstützungssystems auf die Tagesord nung gesetzt hat und wir, das Parlament, die Möglichkeit ha ben, zu prüfen, wie weit die Landesregierung mit der Umset zung der seinerzeit einmütig beschlossenen Vorschläge ge kommen ist und wo eventuell noch Handlungsbedarf besteht.

Bereits im Jahr 2010 – noch zu Zeiten der schwarz-gelben Landesregierung – wurden 16,3 Millionen € für die Umset zung der Handlungsempfehlungen des Sonderausschusses be reitgestellt. Davon wurden u. a. 100 zusätzliche Schulpsycho logenstellen, ein Kompetenzzentrum Schulpsychologie, der Ausbau der Beratungslehrerkapazitäten, die Ausbildung von Präventionsberatern und die Einführung des Gewaltpräventi onsprogramms nach Dan Olweus an den Schulen auf den Weg gebracht.

Ganz offensichtlich hat die grün-rote Landesregierung den Kurs ihrer Vorgängerregierung und den vorgesehenen Ausbau des Unterstützungs- und Beratungssystems an den Schulen planmäßig fortgesetzt. Dafür gelten ihr der Dank und die An erkennung unserer Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Auch die letzte Tranche von 20 Schulpsychologenstellen soll nach Auskunft des Kultusministeriums unserer Fraktion ge genüber zu Beginn des Jahres ausgeschrieben werden. Eine Zeit lang stand die Befürchtung im Raum, dass diese letzte Tranche mit dem Verweis auf die Bezuschussung der Schul sozialarbeit durch die grün-rote Landesregierung vielleicht gekippt werden könnte.

Damit wir hierbei nicht falsch verstanden werden: Wir Libe ralen haben uns seinerzeit im Rahmen der Beratungen des Sonderausschusses ebenfalls für die Schulsozialarbeit einge setzt, da sie die Palette der Unterstützungs- und Beratungsan gebote erweitert und jedes dieser Angebote seine eigenen, be sonderen Stärken einbringt. Während der Beratungslehrer an der Schule direkt greifbar ist, ist die Schulpsychologin in der Beratungsstelle eine psychologisch geschulte Ansprechpart nerin mit etwas Distanz zur Schule. Der örtliche Schulsozial arbeiter vermag durch jugendgerechte Aktivitäten ein wenig abseits des Schulalltags junge Menschen anzusprechen.

Wenn wir ein möglichst niedrigschwelliges, möglichst indi viduelles Unterstützungssystem haben wollen, muss es viel fältig ausgestaltet sein. Es bleibt zu hoffen, dass diese Er kenntnis auch die weitere Politik von Grün-Rot in diesem Be reich trägt und nicht das eine Angebot gegen das andere aus gespielt wird.

Leider muss ich zu guter Letzt aber doch noch etwas Wasser in den Wein schütten. Wenn man die Ausgestaltung des Schul psychologieausbaus durch Schwarz-Gelb mit der Schulsozi alarbeitsbezuschussung durch Grün-Rot vergleicht, fallen ek latante Unterschiede auf. Das lässt sich am Beispiel der frei en Schulen gut verdeutlichen. Während ein Schüler an einer freien Schule die gleichen Möglichkeiten des Zugangs zu ei nem Schulpsychologen hat wie ein Schüler an einer staatli chen Schule, wird Schulsozialarbeit an freien Schulen von der Bezuschussung ausgeschlossen und auch nicht in die Brutto kosten einberechnet. Damit machen Sie, auf das Gesamte ge sehen, fast jeden zehnten Schüler hinsichtlich der Schulsozi alarbeit zu einem Schüler zweiter Klasse.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Leider haben Sie diesen Webfehler Ihrer Schulsozialarbeits bezuschussung weder auf die Mahnung der freien Schulen noch auf die der FDP/DVP-Landtagsfraktion hin korrigiert.

(Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Vielleicht vermag das dann aber die heutige Beschäftigung mit dem Ausbau des Unterstützungs- und Beratungssystems entsprechend den Vorschlägen des Sonderausschusses zu leis ten.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Staatssekretär Dr. Mentrup das Wort.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Er wird jetzt al les richtigstellen!)

Sehr geehrte Frau Prä sidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir stellen fest, dass die Landesregierung – das ist eben noch einmal be stätigt worden – in der Kontinuität der Vorgängerregierung und auch in der Kontinuität der gemeinsamen Beschlüsse des Sonderausschusses die Handlungsempfehlungen umsetzt. Es besteht hier – dafür bin ich außerordentlich dankbar – ein brei ter Konsens darüber, dass wir das weitestgehend im Konsens erfüllen und auch weiter erfüllen werden.

Allein im Kalenderjahr 2013 stehen für diese Präventionsmaß nahmen 7,3 Millionen € zur Verfügung. Für das Jahr 2014 sind 9,28 Millionen € vorgesehen. Rechnet man die Ausgaben für die Stellen der Schulpsychologinnen und -psychologen hin zu, sind es am Ende 12 bis 14 Millionen €. Vergleicht man das mit den Vorjahren – im Jahr 2009 ist man mit 9 Millionen € für diese ganzen Bereiche gestartet –, sieht man: Es gibt eine erhebliche langfristige und auch nachhaltige Verbesserung der finanziellen Ausstattung, und zwar nicht einmalig, sondern auf Dauer angelegt.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Sehr dankbar bin ich auch für die sehr ausgewogene Darstel lung der verschiedenen Maßnahmen und deren Bedeutung für das Gesamtergebnis. Es geht hier nicht um eine Maßnahme, es geht auch nicht um die Aussage, man könne eine solche Tat von vornherein überall verhindern oder man könne eine ver antwortliche Berufsgruppe finden, die man mit dieser Aufga be betraut. Vielmehr sind das – das ist auch hier in der Dis kussion sehr deutlich geworden – verschiedene Stellschrau ben eines Systems, die im Grunde an drei Stellen wirken sol len.

Zunächst soll an einer Schule eine Atmosphäre hergestellt werden, die eine weitestgehende Achtsamkeit und auch Für sorge füreinander entwickelt, und das – das möchte ich aus drücklich unterstreichen – nicht nur, weil es der Prävention von School Shooting oder, wie wir sagen, „Amokläufen“ dient, sondern weil das generell für das Zusammenleben von Menschen in einem solchen System wie Schule eine ganz wichtige Voraussetzung ist.

Das Zweite ist: Ich brauche Spezialistinnen und Spezialisten vor Ort, die ich ansprechen kann, wenn mir etwas auffällt, und die auch als fach- und sachkundige Beobachterinnen und Be obachter am Schulgeschehen vor Ort tätig sind und darauf re agieren können.

Das Dritte ist: Ich brauche auch außerhalb einer Schule An sprechpartnerinnen und Ansprechpartner, die mir dann, wenn etwas an der Schule selbst nicht mehr zu regeln ist oder auch für einzelne Schülerinnen und Schüler nicht mehr zu regeln ist, in der Schule mit Sachverstand von außen zur Verfügung stehen.

Der Sonderausschuss hat für alle dieser drei Bereiche Forde rungen aufgestellt. Ich will noch einmal kurz resümieren, wo wir da im Einzelnen stehen.

Beim Thema Schulkultur hat uns der Sonderausschuss ange raten, die Präventionsstrategie von Dan Olweus landesweit umzusetzen. Wir haben auf der anderen Seite festzustellen, dass es schon Hunderte von Schulen im Land gibt, die mit an deren Präventionsprogrammen, mit Streitschlichtungspro grammen, mit anderen Programmen zur Stärkung der Ichstär ke und des Selbstbewusstseins, aber auch des Wirgefühls an den Schulen arbeiten.

Deswegen ist hier das Kultusministerium – das war auch schon vor dem Regierungswechsel so – einen etwas anderen Weg gegangen und hat erst einmal unter dem Gesamtkonzept „stark.stärker.WIR.“ versucht, die verschiedenen Programme, die es im gesamten Land schon gibt, unter ein gemeinsames Dach zu stellen und dann aber auch die Voraussetzungen und die Anreize zu schaffen, das an allen Schulen nachzuholen, wenn es solche Programme dort noch nicht gibt.

Da wird von uns das Programm nach Dan Olweus sehr präfe riert. Es ist jedoch, Frau Kurtz, nicht das Programm, das wir den Schulen jetzt als einzige Möglichkeit vorschreiben. Ich denke, hier muss man jeder Schule die Möglichkeit geben, sich im Rahmen der verschiedenen Angebote zurechtzufin den.

Das Ganze haben wir in dieser Handreichung zusammenge fasst. Ich war selbst bei einzelnen Veranstaltungen, bei denen z. B. dieses Logo oder der Slogan für einen Schülerinnen- und

Schülerwettbewerb letztlich gefunden wurden. Das hat an vie len Stellen vor Ort, aber auch landesweit zu einem völlig an deren Gefühl geführt. Es entsteht ein Bewusstsein dafür, dass Menschen in der Schule nicht nur dann gut miteinander leben, wenn sie bis zum Ende des Schultags keinen Streit miteinan der hatten. Hier geht es um ein Mehr an Achtsamkeit und ei ner gemeinsamen Verantwortung bis dahin. Das hat auch da mit zu tun, dass man über ein klares Regelwerk erst einmal ächtet, wenn es Mobbing gibt, wenn Menschen ausgegrenzt werden, man sich aber gleichzeitig um solche Situationen kümmert.

Wir haben jetzt die ersten 150 Präventionsbeauftragten aus gebildet, und sie stehen den 500 Schulen, die sich angemel det haben, jetzt schon einmal zur Verfügung. Die ersten Rück meldungen sind außerordentlich gut. Es macht doch Sinn, wenn einmal jemand von außen kommt und diese Prozesse begleitet und moderiert. Ziel soll es natürlich sein, dass die Schulen selbst in die Lage versetzt werden, vor Ort dieses Prä ventionskonzept und dann dieses Wirgefühl nachhaltig ge meinsam umzusetzen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Zweite ist der Ausbau der Zahl der Beratungslehrkräfte. Von ihnen haben wir etwa 1 500 im Land. Im letzten Schul jahr wurden 100 zusätzliche Lehrkräfte ausgebildet, im Jahr 2011 waren es 40, und im kommenden Schuljahr werden es 150 sein. Wir steigern hier die Zahl.

Für den Ausbau waren ursprünglich einmal andere Kontin gente vorgesehen. Wir erleben aber allein schon bei der Or ganisation der Fortbildung durchaus eine Limitierung. Wir ha ben festgestellt, dass die schulpsychologischen Beratungsstel len sehr stark in die Fortbildung der Beratungslehrer integriert sind und dass es auch zunehmend schwierig gewesen wäre, Kohorten von 400 zusätzlichen Beratungslehrerinnen und -lehrern durch die schulpsychologischen Beratungsstellen fortbilden zu lassen. Das hätte uns dort wiederum Kapazitä ten gekostet, die den Schulen vor Ort entzogen worden wä ren. Insofern haben wir einen Ausbauweg gefunden, der rela tiv zügig die Zahl erhöht, das Ganze aber insgesamt organi sierbar macht.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Staatssekretär, ge statten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Kurtz?

Ja, gern.

Herr Staatssekretär, ich möchte noch einmal auf das Programm „stark.stärker.WIR.“ zurück kommen. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, schauen Sie zwar, dass alle Schulen nach und nach flächendeckend ein Ge waltpräventionsprogramm installieren. Sie achten jedoch nicht unbedingt darauf, dass, wie es der Sonderausschuss empfoh len hat, nach dem Konzept nach Dan Olweus vorgegangen wird.

Dazu kommt, dass, selbst wenn Schulen erst im vergangenen Jahr mit so etwas begonnen haben, ein ganz anderes Pro gramm ausgewählt wird, weil die Schulen eine ganz große Freiheit haben. Was sie gern hätten, kaufen sie sich irgendwo ein und finanzieren es je nachdem, welche Mittel sie haben.