Protokoll der Sitzung vom 30.01.2013

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Herrn Abg. Lehmann?

Wenn am Ende noch Zeit ist.

Aus eigener Unterrichtserfahrung weiß ich: Mit ihren diffe renzierten Informationsangeboten leisten die Jugendoffiziere eine hervorragende fachspezifische Ergänzung zu Themen der Außen- und Sicherheitspolitik sowie der internationalen Frie denssicherung. Mir ist es völlig unbegreiflich, wie man auch nur auf die Idee kommen kann, den baden-württembergischen Schülern den Sachverstand dieser außerschulischen Experten vorenthalten zu wollen. Nein, es geht im Unterricht immer um die Lebenswirklichkeit. Wer wollte bestreiten, dass Soldaten, meist auch mit Auslandserfahrung, hier einen ganz wichtigen Beitrag zur umfänglichen Aufklärung junger Menschen leis ten?

Daher empfinde ich es als peinlich, wie wachsweich und aus weichend die Landesregierung zu den beiden Anträgen der CDU Stellung genommen hat. Man spürt hier eine gewisse Grundskepsis gegenüber den Jugendoffizieren,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es! Genau! – Gegenruf des Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist doch Quatsch!)

die diese nach meinem Dafürhalten überhaupt nicht verdient haben.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Bravo!)

Es ist daher Zeit und heute auch eine sehr gute Gelegenheit für den neuen Minister, in diesem Hohen Haus ein klares, un zweideutiges Bekenntnis abzulegen, dass die Bundeswehr selbstverständlich zur wehrhaften Demokratie dazugehört und ihre Jugendoffiziere auch künftig an allen öffentlichen Schu len herzlich willkommen sind.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Weil es angesprochen wurde, noch ein kurzes Wort zur Bun deswehr an sich, auch wenn ich persönlich nicht gedient ha be.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Aha! – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Das lässt sich noch nachho len!)

Sicherheit ist keine Selbstverständlichkeit, und ohne ein ent sprechendes Engagement im internationalen Umfeld lässt sich weder Deutschlands Sicherheit noch unsere Freiheit schützen. Der Staat ist im klassischen Sinn für den Schutz seiner Bür ger verantwortlich. Deutschland und seine Bürger sind daher auf funktionierende und effektive sicherheitspolitische Inst rumente angewiesen.

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Wir sollten nicht vergessen, dass wir in dieser Welt immer noch darauf angewiesen sind, dass uns im Fall der Fälle Sol daten schützen. Deshalb sollte es in unser aller Interesse sein, dass wir die jungen Bürger bei uns auf der Basis fairer und ausgewogener Informationen informieren, sodass sie eine so lide Entscheidungsgrundlage haben, wenn sie sich für oder gegen den Dienst in den Streitkräften entscheiden.

Wieder einmal hat man das Gefühl, dass bei Ihrer Bildungs politik grüne Ideologie und angebliches Gutmenschentum die Wahrnehmung stärker beeinflussen als bildungspolitischer Sachverstand und Praxisbezug. Die Jugendoffiziere der Bun deswehr leisten einen hervorragenden Beitrag zur politischen Bildung an den Schulen in Baden-Württemberg. Vor diesem Hintergrund haben sie es verdient, dass sich die Politik ohne Vorbehalte und doppelten Boden hinter ihre Arbeit stellt und sie entsprechend anerkennt.

Letzter Satz: Von der professionellen und differenzierten Ar beit der Jugendoffiziere profitieren alle, Lehrer und Schüler, und eine Kooperation mit den Schulen ist daher aus unserer Sicht notwendig und liegt auch im Interesse der Bürger und der Schüler in unserem Land.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich dem Minister für Kultus, Jugend und Sport Stoch das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Zunächst einmal möchte ich mich bei der CDU fast schon bedanken, dass ich bei meinem ersten Auftritt als Minister zu diesem Thema sprechen darf. Denn ich glaube, die Debatte ist ein Musterbeispiel dafür, wie man vermeintlich über eine Sache redet, letztlich jedoch irgendwelche Gespenster anschreit, die man in der eigenen Fantasie gerade produziert hat, Herr Dr. Kern.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Fangen wir einmal mit dem Wort „verbannen“ an. Kein Mensch hier in diesem Saal – ich glaube, über die reden wir zunächst einmal – hat auch nur im Entferntesten die Absicht

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Eine Mauer zu bau en!)

nicht: „eine Mauer zu bauen“ –,

(Heiterkeit)

Kindern und Jugendlichen das vorzuenthalten, was sie für ih re Entwicklung, und zwar für ihre Entwicklung zum mündi gen Staatsbürger, ganz sicher dringend brauchen. Das, was die Kinder und Jugendlichen in den Schulen brauchen, sind kei ne Scheindebatten über die Akzeptanz oder Nichtakzeptanz der Bundeswehr. Vielmehr brauchen sie Informationen von Menschen, die außerhalb des Unterrichtsgeschehens stehen und in die Schulen gehen können, um den Kindern und Ju gendlichen die Möglichkeit zu geben, gesellschaftlich wich tige Fragen selbstbewusst und selbstständig zu beantworten.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie Abgeord neten der CDU und der FDP/DVP – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Genau so muss es sein! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Guter Anfang! – Wei tere Zurufe)

Danke.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Ja, wir haben ge wusst, was in Ihnen steckt!)

Deswegen bitte ich Sie sehr, bei einer solchen Debatte nicht – für nichts und wieder nichts – den Pegel von null auf 120 Dezibel hochzutreiben. Wir reden hier über die Fragen, die wirklich fachlich relevant sind.

Wir haben hier auch keine Debatte, die in irgendeiner Weise zum Status, zur Anerkennung und zum Ansehen der Bundes wehr in Deutschland Stellung nehmen müsste. Wir haben viel mehr eine Diskussion, die sich am Bildungsauftrag orientiert. Wir sprechen hier für das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport. Es geht also letztlich um die Frage: Was ist für den Bil dungsauftrag, den wir alle haben, das Entscheidende?

Ich darf Sie deswegen bitten, die schrillen Töne aus dieser De batte herauszunehmen und schlicht und einfach zum Punkt zu kommen.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Die schrillen Tö ne kamen von den Grünen!)

Der Punkt, um den es geht, heißt: Es gibt ein Kooperations abkommen mit der Bundeswehr. Dieses Abkommen besteht

seit dem Jahr 2009; Kollege Rau hat es seinerzeit abgeschlos sen. Es gab interessanterweise aber auch zuvor schon das, was ich gerade beschrieben habe, nämlich den staatsbürgerlichen Unterricht unter Einbeziehung externer Fachleute.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es!)

Der Beutelsbacher Konsens datiert aus dem Jahr 1976. Da ha ben sich bereits Menschen mit der Frage befasst: Was ist der richtige Bildungsauftrag, und wie können wir dieses Ziel mög lichst gut erreichen?

(Zuruf des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP)

Ich halte es daher noch immer für ein zentrales Element die ser Debatte, dass wir uns an dem orientieren, was damals im Beutelsbacher Konsens als Grundlage für die Bildung von Kindern und Jugendlichen formuliert wurde.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Bundeswehr – da werden Sie auch in der heutigen Debatte keinen Spalt hi neintreiben können – genießt bei dieser Landesregierung ein sehr hohes Ansehen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Recht so!)

Die Bundeswehr ist als Verfassungsorgan hoch geschätzt und hoch geachtet, und sie spielt auch bei der politischen Bildung in diesem Land eine wichtige Rolle.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

In diesem Kooperationsabkommen sind daher sehr detaillier te Regelungen enthalten, die teilweise auch – Herr Hauk, dies als Hinweis an Sie – sehr deutlich sind. Da steht nämlich drin: Werbung für die Bundeswehr ist verboten. Das hat auch ei nen guten Grund. Denn in dem Moment, in dem der Jugend offizier über außen- und sicherheitspolitische Fragen spricht, soll gerade nicht der Verdacht entstehen, dass hier Werben des, das heißt Beschönigendes, eine Rolle spielt. Vielmehr soll auch im Sinne dessen, was Kollege Müller vorhin mit seiner Zwischenfrage zum Ausdruck gebracht hat, sichergestellt wer den, dass dieser Jugendoffizier objektiv Fakten transportieren kann, dass er zudem Konfliktlösungsstrategien aus seiner Sicht – aus der Sicht eines Jugendoffiziers – schildern kann und in den kritischen Dialog mit den Schülerinnen und Schü lern kommt. Das ist sehr sinnvoll.

Aber – eben das macht die Debatte gerade etwas schwierig; das liegt nicht an der Frage, die Sie eben aufgeworfen haben; es geht nicht um Verbannung – das Kooperationsabkommen erzeugt den Eindruck, als habe die Bundeswehr hier im Ver gleich zu anderen Externen, die vom Lehrer in den Unterricht einbezogen werden können, Sonderrechte. Ich möchte doch darum bitten, Folgendes zu berücksichtigen: Zentrales Ele ment bei der Entscheidung des Lehrers in der Frage: „Was ist für meine Schüler im jetzigen Stadium des Unterrichts die richtige Lösung, das richtige Angebot?“ ist der Lehrer selbst. Die Lehrkraft – die Lehrerin, der Lehrer – hat zu entscheiden: Welches Angebot mache ich meinen Schülern? Der Lehrer muss dabei die Möglichkeit haben – diese Offenheit müssen auch wir bekunden –, auch andere externe Dritte – der Lehrer hat auch zu verantworten, wen er einbezieht – in seinen Un terricht einzuladen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das geschieht schon lange, Herr Minister!)

Völlig richtig, Herr Röhm. Deswegen verstehe ich auch die Debatte nicht, die einen falschen Eindruck erweckt.

Deswegen sage ich: Wir müssen in dieser Debatte, in der es um das Kooperationsabkommen geht, wahrscheinlich noch sehr viel deutlicher sagen, dass Lehrerinnen und Lehrer die Möglichkeit haben, unterschiedlichen externen Sachverstand in den Unterricht zu holen und damit auch den Kindern und Jugendlichen jeweils ein richtiges Angebot zu machen.

Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, halte ich es für richtig, dass wir derzeit entsprechende Gespräche füh ren, Gespräche mit Friedensorganisationen, um genau dies deutlich hervorzuheben und klarzumachen, dass es keine Son derrechte gibt, sondern dass es in der autonomen Entschei dung des Lehrers liegt, welches Angebot er macht.

Wir werden am 7. Februar ein solches Gespräch mit verschie denen Friedensorganisationen führen. Gleich darauf, am 18. Februar – Sie sehen, dass das Thema sehr aktuell ist –, werden wir ein Gespräch mit der Bundeswehr haben. Denn auch die Bundeswehr hat, zuletzt in einem Schreiben aufgrund von Umstrukturierungen, die Frage aufgeworfen, ob dieses Kooperationsabkommen in der jetzigen Weise weitergeführt oder ob es geändert werden soll.

Ich weise in diesem Zusammenhang auf das Beispiel Nord rhein-Westfalen hin. Nordrhein-Westfalen hat, wie übrigens sieben weitere Bundesländer auch, ein solches Kooperations abkommen. Nordrhein-Westfalen hat aber diese von mir ge rade genannten Fakten, nämlich auch die Einbeziehung ande rer Organisationen und die Betonung des Beutelsbacher Kon senses, ausdrücklich in das Kooperationsabkommen aufge nommen.