Protokoll der Sitzung vom 31.01.2013

Wenn man in ein integratives Schulsystem einsteigt, dann kön nen größenordnungsmäßig zwei Drittel von diesen 900 Stand orten gehalten werden; das ist in etwa die Marge. Wenn man in ein komplett integratives Schulsystem einsteigen würde, könnten wahrscheinlich sogar alle Standorte gehalten werden. Aber darüber reden wir jetzt gar nicht.

Insofern ist der Vorwurf einfach falsch, die Einführung der Gemeinschaftsschule führe zu leeren Schulgebäuden,

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Das Gegenteil ist der Fall!)

sondern das Gegenteil ist richtig. Nur durch die Alternative der Gemeinschaftsschule werden die Werkrealschulstandor te, die sich attraktiv genug entwickeln, überhaupt die Chance bekommen, ein Schulstandort zu bleiben.

(Zuruf von der CDU: Das stimmt nicht!)

Das war vor der Abschaffung der Verbindlichkeit der Grund schulempfehlung – mit einer etwas stärkeren Zeitverzögerung – nicht anders, als dies heute der Fall ist. Nehmen Sie das bit te zur Kenntnis.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Was ist denn daran ehrenrührig, dass ein Kommunalpolitiker für seinen Schulstandort kämpft und das als Motivation be greift, sich zunächst einmal mit der Alternative Gemein schaftsschule auseinanderzusetzen? Der gute Mann tut nur seinen Job. Unsere Aufgabe ist dann, zu überprüfen, ob die Qualität des Konzepts eine realistische Umsetzung der neuen Pädagogik ermöglicht. Das ist dann unser Job. Wir werden nur Anträge genehmigen, bei denen am Ende beide Jobs gut gemacht worden sind.

Insofern ist es diffamierend, wenn Sie vielen Bürgermeistern, die später eine Gemeinschaftsschule in ihrer Gemeinde ge nehmigt bekommen, im Grunde unterstellen, sie hätten sich nie mit dem Konzept beschäftigt, ihnen sei auch völlig egal, was da inhaltlich läuft, ihnen gehe es nur um die Sicherung des Schulstandorts.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das hat kein Mensch gemacht!)

Das ist doch das, was Sie suggerieren, und das ist auch diffa mierend.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das hat kein Mensch gemacht! – Gegenruf des Abg. Jörg Fritz GRÜNE: Aber Sie suggerieren es immer!)

Jetzt noch zwei Klarstellungen, weil ich die betreffenden Aus sagen gegenüber den Beteiligten sehr unfair finde. Das Erste ist: Die Pädagoginnen und Pädagogen an der Gemeinschafts schule leisten Schwerarbeit. Wir müssen und werden sicher stellen, dass auch in allen Fächern, die später, vor allem im gymnasialen Bereich, immer tiefer und tiefer gehen, die Fach lichkeit an den Gemeinschaftsschulen vor Ort gegeben ist. Das ist ein Grund, weshalb wir sagen: Sie müssen mindestens gut zweizügig sein, weil wir das sonst gar nicht darstellen kön nen. Insofern tun Sie bitte nicht so, als wären dort keine aus gebildeten Pädagoginnen und Pädagogen unterwegs und als wäre das Fachniveau von vornherein in Zweifel zu ziehen.

Das Zweite ist: Wir haben sie auch in ihren Prozessen nicht alleingelassen.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Doch!)

Nein, wir haben sie nicht alleingelassen. Ich könnte Ihnen jetzt am Beispiel Bad Saulgau vorrechnen, wer da alles vor Ort war und für Information gesorgt hat.

Das Dritte, was mir ganz wichtig ist: Wir lassen im Moment keine Verbundschulen dort zu, wo nicht die einzelnen Schul arten, die in einen Verbund gehen wollen, für sich allein über lebensfähig sind. Das sind dieselben Regeln, mit denen Sie jahrzehntelang ebenfalls Verbundschulen in dieser Konstella tion abgelehnt haben. Das ist pädagogisch auch nachvollzieh bar. Wenn ich am Ende eine dreizügige Realschule und nur noch eine einzügige Werkrealschule habe, die ich angesichts rückläufiger Schülerzahlen zu einer Verbundschule zusam menpacke, dann ist diese einzügige Werkrealschule irgend wann gar nicht mehr einzügig, sondern ich muss die Schüler mit den Realschülern zusammen unterrichten, weil ich sonst gar keinen Zug mehr voll bekomme. Dann kann ich das nicht mehr weiter mit der bestehenden Zweigliedrigkeit, den aus einanderdividierten Bildungsplänen und, und, und tun. Dann werde ich der Heterogenität an dieser Stelle genauso wenig gerecht wie bei den Realschulen; dort haben Sie auf ein sol ches Problem hingewiesen.

Insofern ist es sinnvoll, dass man dann, wenn man verschie dene Schularten in einen Verbund nimmt, die im Sportunter richt und bei manch anderem Unterricht ganz eng zusammen arbeiten müssen, stabile Züge braucht, die die unterschiedli chen Bildungspläne repräsentieren. Das ist damals der Grund gewesen, und das ist auch bei uns der Grund. Insofern haben wir hier nichts verschärft. Wir verbieten auch nichts, was bis her erlaubt war, sondern wir halten uns weiter an das Schul gesetz, an das Sie sich auch gehalten haben.

Die meisten Verbünde, die uns gegenüber gewünscht werden, haben aber genau diese Konstellation. Diese ist auf Dauer ge nauso wenig tragfähig wie eine Konstellation, die vorsieht,

dass eine einzelne Werkrealschule allein für sich laufen gelas sen würde. Insofern müssen die sich einfach in einen anderen Diskussionsprozess und in eine andere Pädagogik begeben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Wir sind jetzt am Ende der Beratungen.

Nach § 82 b Absatz 1 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Ministerpräsident Kretschmann das Wort zu einer persönli chen Erklärung.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Wacker, Sie haben in der Debatte behauptet, ich hätte im „Kamingespräch“ auf Phoenix am 25. November 2012 die Bürgerinnen und Bürger, die sich gegen die Gemeinschaftsschule in Bad Saulgau aktiv beteiligt haben, als „ehrenamtliche Besserwisser“ bezeichnet. Herr Kollege Wacker, diese Aussage von Ihnen ist falsch; dies habe ich nie gesagt.

Das wäre auch gar nicht möglich gewesen, da ich zu diesem Zeitpunkt von einem Bürgerentscheid in Bad Saulgau über haupt nichts wusste. Also kann das gar nicht sein. Ich habe in Bezug auf die Bad Saulgauer Bevölkerung niemals irgendwie das gesagt, was Sie da behauptet haben.

Es läge mir von vornherein völlig fern, Menschen, die – aus welchen Gründen auch immer – einen Bürgerentscheid bean tragen, als „ehrenamtliche Besserwisser“ zu bezeichnen. Das liegt mir völlig fern. Ich habe solch eine Aussage überhaupt nicht getätigt.

(Zuruf des Abg. Manfred Groh CDU)

Ich kann Ihnen sagen, was ich einmal in einem ähnlichen Zu sammenhang gesagt habe: dass es auch nervt, wenn in Bür gerbewegungen, mit denen man debattieren muss, manchmal diese Besserwisser auftauchen.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Aha! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wortspielerei!)

Das ist halt so. So empfinde ich das manchmal. Ich weiß nicht, was an dieser Aussage schlimm sein soll. Das sind eben Men schen, die ganz penetrant ewig und drei Tage

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Anderer Meinung sind als Sie!)

auf ihrem Standpunkt beharren, was immer man auch erzählt. Und das ist anstrengend.

Ich habe immer gesagt: Obwohl das im Einzelfall auch an strengend ist, ist es trotzdem richtig, dass wir das machen. Je der Mensch hat das Recht, seine Meinung auch penetrant zu sagen, auch wenn sie mir nicht gefällt. Aber ich darf schon auch einmal sagen, dass das ab und zu anstrengend ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Das ist doch klar! – Abg. Vol ker Schebesta CDU meldet sich. – Abg. Volker Schebesta CDU: Herr Präsident!)

Nach § 82 b der Ge schäftsordnung erteile ich Herrn Abg. Wacker das Wort zu ei ner persönlichen Erklärung.

Sehr geehrter Herr Präsident, vie len Dank für die Gelegenheit, eine persönliche Erklärung ab zugeben.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, Ihre persönliche Erklä rung veranlasst mich, auf das, was Sie eben hier kundgetan haben, zu entgegnen. Ich darf eine Richtigstellung vorneh men.

Sie haben am 25. November 2012 in der Sendung „Kaminge spräch“ auf Phoenix, die von Jörg Schönenborn geleitet wur de, zu der Frage der Ehrenamtlichkeit und zum Umgang mit bürgerschaftlichem Engagement vor Ort folgende Aussage ge tätigt – ich darf zitieren –:

Gerade in meinem Bundesland sind so viele Menschen ehrenamtlich engagiert wie sonst nirgendwo in der Repu blik. Dass die auch einmal aufmüpfig sind, dass sie einen auch manchmal nerven mit ihrer Besserwisserei, das ge hört natürlich einfach dazu und ist durchaus auch an strengend.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Lachen bei den Grünen – Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Sie sind un glaublich! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Das ist keine persönliche Erklärung! – Weitere Zurufe – Lebhafte Unruhe)

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, wenn Sie – angeblich – das ehrenamtliche Engagement aller Bürgerinnen und Bürger schätzen, dann rate ich Ihnen, sich von solchen Begrifflich keiten zu distanzieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Zuruf von der CDU: Sehr gut! – Widerspruch bei den Grünen und der SPD – Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Das ist keine persönliche Erklärung! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Was ist das für eine persönli che Erklärung? – Zuruf von den Grünen: Oberlehrer! Besserwisser! – Weitere Zurufe – Lebhafte Unruhe)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach meiner Rechtsauffassung hielt sich die Erklä rung des Ministerpräsidenten eng an die Vorgabe einer per sönlichen Erklärung nach § 82 b der Geschäftsordnung.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Eng!)

(Abg. Claus Schmiedel SPD und Abg. Volker Schebes ta CDU: Eng dran!)

Die Deutung meines Gesichtsausdrucks ist manchmal schwie rig. Die Erklärung hielt sich eng an eine persönliche Erklä rung.

(Heiterkeit des Abg. Volker Schebesta CDU)

Deswegen führt diese Erklärung des Ministerpräsidenten nicht zur Wirkung von § 82 Absatz 4 der Geschäftsordnung, wo