Protokoll der Sitzung vom 29.06.2011

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Jetzt hört’s aber auf!)

Landesstraßen werden für Autofahrerinnen und Autofahrer zum Sicherheitsrisiko. Ihnen allen sind Berichte bekannt über

Hörsäle, in die es hineinregnet. Wir haben Landesgebäude mit energetischen Standards von anno dazumal.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Da sind Sie zuständig!)

Ich kann nur sagen: Ein gut bestelltes Haus sieht wahrlich an ders aus.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Sie haben diese Sanierungen immer wieder nach hinten ver schoben. Wir hatten im Zuge des Beschlusses zum Erneuer bare-Wärme-Gesetz in der letzten Legislaturperiode gesagt: Energetische Sanierung muss auch für landeseigene Gebäude gelten. 25 Millionen € waren dafür eingeplant. Dazu ist es nie gekommen. Wir konnten gar nicht so schnell schauen, wie die se 25 Millionen € wieder aus dem Haushalt gestrichen waren. Das war Ihre Sanierungspolitik, Herr Hauk.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Wie viele Millionen wenden Sie denn auf?)

Das alles führt dazu, dass wir einen milliardenschweren Sa nierungsrückstau haben, Herr Kollege. Das ist das Erbe der Landesregierung, das wir übernehmen müssen. Wir werden dafür sorgen, dass wir diesen Sanierungsrückstand Schritt für Schritt auflösen. Wir werden versuchen, die Hinterlassen schaft, die Sie leider den kommenden Generationen aufgebür det haben, abzuarbeiten. Deshalb werden wir insbesondere in diesen Sanierungsbereich investieren und entsprechende Rücklagen bilden.

Wir begrüßen es natürlich, dass zugleich die Nettokreditauf nahme abgesenkt wird, wie es vom Herrn Finanzminister an gekündigt wurde. Entscheidend ist aber, dass all diese Bau steine in einem vernünftigen und ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen. Dabei ist für uns der mittel- und langfris tige Horizont 2020 maßgebend. Es geht nicht darum, morgen eine schnelle, schöne Bilanz vorzulegen, sondern es geht da rum, Schritt für Schritt diesen Konsolidierungskurs einzulei ten.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: So spät wie möglich!)

Wir werden das tun, obwohl das Erbe, das heute mit dem Kas sensturz auf dem Tisch liegt, wahrlich nicht einfach ist.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Wir werden nicht das wiederholen, was die bisherige Landes regierung betrieben hat, nämlich nur an die kurzfristige Bi lanz und nicht an die Zukunft zu denken. Wir werden an die Zukunft denken. Wir werden uns darum bemühen, die De ckungslücken zu schließen. Die Rechnung, die Sie aufgemacht haben, lautete: Nullverschuldung jetzt. Sie haben heute wie der – wie schon bei der Antwort auf die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten in der letzten Plenardebatte – ganz offen zugegeben: Die Deckungslücken gibt es deshalb, weil wir Verpflichtungen haben. Aufgaben, die wir heute haben, verschieben wir dann lieber in die Zukunft. Dabei kommt he raus, dass in den nächsten Jahren Deckungslücken in Höhe von 9 Milliarden € vorhanden sind. Diese gilt es doch zu

schließen und nicht auf den schnellen Erfolg zu schielen, wie Sie es bisher immer getan haben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Volker Schebesta CDU: 800 Millionen € bei 1 Milliarde € Steuermehreinnahmen!)

Kollege Rülke hat uns wegen Steuererhöhungen kritisiert. Es ist gerade ein paar Wochen her, da hat sich die FDP auf die Fahnen geschrieben, sie wolle sich programmatisch erneuern. Was ist nach der programmatischen Erneuerung passiert? Sie haben genau die Forderung, die Sie schon seit Jahr und Tag stellen – egal, ob es passt oder nicht, ob es realistisch ist oder nicht –, wieder erhoben,

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Wir wollen die Grunderwerbsteuer nicht senken!)

die Steuern zu senken.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rül ke FDP/DVP: Frau Sitzmann, wir haben nicht gefor dert, die Grunderwerbsteuer zu senken!)

Ich kann Ihnen nur sagen, Herr Kollege Rülke: Programma tische Neuaufstellungen sehen bei uns anders aus.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Heute so und morgen so! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/ DVP: 2022, 2017 und dann wieder 2022!)

Ich sage Ihnen, dass diese Forderungen in Anbetracht der Ver schuldung der öffentlichen Haushalte und der notwendigen Zukunftsinvestitionen, die wir tätigen müssen, nicht verant wortbar sind. Es sind die Schulden von morgen. Deshalb ist dieser Weg eindeutig der falsche.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Das sehen nicht nur wir so. In der gestrigen Ausgabe des „Handelsblatts“ war ein Brief deutscher Familienunterneh men abgedruckt. Diese haben in dem Brief öffentlich erklärt:

Die Familienunternehmen, die sich dieser Erklärung an geschlossen haben, fordern die Abgeordneten des Deut schen Bundestages auf, der verantwortungslosen Schul denpolitik Deutschlands ein Ende zu setzen.

So viel, Herr Rülke, zur Meinung des Mittelstands.

(Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE: Das ist der FDP doch egal!)

Wir werden so nicht weitermachen. Wir werden das Verschie ben von Lasten in die Zukunft beenden. Aber es ist auch klar: Es wird kein Spaziergang werden. Die Sanierungsrückstände – das ist deutlich geworden – sind immens. Wir haben auf der einen Seite Pensionsverpflichtungen und auf der anderen Sei te nur sehr geringe Rückstellungen. Dazwischen klafft eine sehr große Lücke. Wir haben Deckungslücken in der mittel fristigen Finanzplanung in Höhe von 9 Milliarden €. Das sind große Herausforderungen, meine Damen und Herren. Diese werden wir annehmen.

Nun haben Sie, Herr Hauk, behauptet, nach Ihrem Plan wäre schon 2014 die Nettonullverschuldung eingetreten. Auch da

zu müssen wir sagen: Sie wäre nur deshalb eingetreten, weil Sie die Krisenschulden wieder auf die Zeit nach 2014 verscho ben hatten. Diese Taktik kennen wir seit Jahren. Damit wer den wir Schluss machen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Wir werden den Ball dort spielen, wo er liegt, wie Sepp Her berger einmal gesagt hat. Wir werden den Ball nach vorn spie len, wir werden ihn Richtung 2020 spielen, und wir werden ihn im Interesse und in der Verantwortung für die kommen den Generationen spielen. Das kann ich Ihnen versichern.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Auf die Ei gentore sind wir gespannt!)

Klar ist, dass wir in den nächsten Jahren erhebliche Einspa rungen brauchen werden. Darum kommen wir nicht herum. Auch die derzeitigen Steuermehreinnahmen können nicht da rüber hinwegtäuschen.

Wir werden aber, um das Ganze konzertiert, strukturiert und konzeptionell anzugehen, neue Instrumente einführen, wie sie der Finanzminister hier schon vorgestellt hat: auf der einen Seite die Finanzplanung 2020, die fortlaufend fortgeschrie ben werden soll, und auf der anderen Seite eine strategische Haushaltssteuerung. Dabei geht es um strukturelle Konsoli dierungsmaßnahmen, um mittel- und langfristige Maßnahmen und um ressortübergreifende Maßnahmen, doch nicht um Feu erwehraktionen kurz bevor der Haushalt erstellt werden muss.

Diese beiden Instrumente – „Finanzplan 2020“ und strategi sche Haushaltssteuerung – werden dazu führen, dass wir Sy nergie- und Einspareffekte erzielen können. Ich darf noch ein mal den Rechnungshof zitieren. Er hat z. B. einmal ausgerech net, dass allein eine Neuorganisation der Datenverarbeitung ein Einsparpotenzial von 50 Millionen € beinhaltet. Solche Einsparpotenziale gilt es zu heben.

Gerade die Erfahrungen aus der Vergangenheit mit den Haus haltsstrukturkommissionen der ehemaligen Regierung haben gezeigt, dass wir neue Instrumente brauchen. Diese Kommis sionen haben getagt, getagt und getagt. Ergebnisse haben sie keine erzielt. Das werden wir anders und vor allem besser ma chen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Selbstverständlich gilt für uns auch bei der Haushaltskonso lidierung, bei den Finanzen die politische Leitlinie des Dia logs. Wir werden unsere Vorschläge im Dialog erörtern. Wir werden uns den Gesprächen stellen, auch wenn es nicht im mer einfach wird. Wir werden diese Gespräche, diese Ver handlungen mit allen Beteiligten auf Augenhöhe führen.

Zum Schluss: Unser Land steht vor großen Herausforderun gen. Eine, nämlich die Bildung, haben Sie genannt. Das gilt für die frühkindliche Bildung, für die Schulbildung, für die Hochschulen und für die berufliche Bildung. Wir stehen vor Herausforderungen aufgrund des demografischen Wandels. Das gilt insbesondere bei der Gesundheitsversorgung im länd lichen Raum. Wir brauchen neue Mobilitätskonzepte. Sie wer den ein Schlüssel für eine erfolgreiche Exportwirtschaft in Ba

den-Württemberg sein. Wir stehen auch beim Ausbau der er neuerbaren Energien, der Energieeffizienz und beim Energie sparen vor großen Herausforderungen.

Alle diese Herausforderungen werden wir angehen. In diesen Zukunftsfeldern werden wir uns vorrangig engagieren. Das hat der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung deut lich gemacht. Wir nehmen die Herausforderungen an. Wir werden sie meistern, und wir sind gespannt, ob Sie dann auch zu der Unterstützung, die Sie heute versprochen haben, ste hen.

Ich danke Ihnen.

(Lebhafter Beifall bei den Grünen und der SPD)

Meine Damen und Herren, in der weiteren Aussprache erhält Herr Kollege Schmiedel für die Fraktion der SPD das Wort.

Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Herr Kollege Hauk, Sie haben dem Finanz minister vorgeworfen, er habe hier die Rolle des Buchhalters eines mittelständischen Unternehmens gespielt.

(Minister Reinhold Gall: Ja! Da habe ich mich auch gewundert!)

Ich sage einmal: Dieser Vorwurf spricht Bände. Er zeigt nicht nur Ihre Missachtung gegenüber dem Mittelstand,

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Oje! – Zuruf des Abg. Peter Hauk CDU)

sondern auch die Missachtung der Rolle derjenigen, die dafür verantwortlich sind, dass die Kassenbücher so geführt wer den, dass Einnahmen und Ausgaben dieselbe Höhe haben. Denn das ist kennzeichnend für den Mittelstand in BadenWürttemberg.